sind noch deutlich erkennbar, aber ihr Zusammenhang ist durch zwei Lücken gestört, die vielleicht
durch das Wachsthum der Wurzel entstanden sind. In diesen Röhren befand sich je ein Statoblast,
alle drei sind gekeimt und zu jungen Stöckchen herangewachsen, die sich unter dem Schutz der
alten Chitinhülle entwickelt haben und dieselbe wie ihre eigene gebrauchen. Das Primärpolypid
jedes Statoblasten hat sich zu der mütterlichen Mündung den Weg gebahnt und ist durch sie hindurch
nach außen hervorgetreten, ein Vorgang, den auch Kraepelin (’87, S. 101) schon beobachtet hat.
In den Cysten (C) und (B) finden wir nur das Primärpolypid voll entwickelt, daneben, in (B), das
in Fig. 57b bei 50-facher Vergrößerung dargestellt ist, die jüngeren Knospen nach der Formel
A B1 B C. Oberhalb B1 ist das erste Ovarium (Ov) aufgetreten, die Funiculi von A und B zeigen an
der Basis die Anhäufung der Hodenzellen. Neben der alten Cuticula hat sich der junge Stock auch
schon eine eigene angeschafft, die an der Mündung frei zu Tage liegt (m1). Die eine Statoblasten-
schale st ist seitwärts zwischen der alten und der neuen Cuticula eingefügt.
Am Hinterende des Stockes, da wo die alte Röhre einen Weg nach außen gestattet, ist nun
ganz selbständig eine A d v e n t i v k n o s p e aufgetreten, bestimmt, den Stock in der dem ersten
Polypid entgegengesetzten Richtung fortzuführen. Fig. 57 ß zeigt sie bei stärkerer Vergrößerung
im Medianschnitt. Außer der isolirten Lage hat sie nichts Merkwürdiges. Die Knospenzellen heben
sich durch ihre embryonale Structur, die sich auch in der intensiven Färbung ausspricht, deutlich
von den differenzirteren Wandzellen ab.
Über die weitere Entwickelung einer solchen Knospe giebt uns das Stöckchen der Röhre (A)
Auskunft (Fig. 57a). ' Die beiden Statoblastenschalen sieht man bei st am Boden der Röhre. Das
nach links gerichtete Primärpolypid 1A mit seiner Gefolgschaft an jüngeren Knospen ist fast genau
in der gleichen Verfassung wie in Fig. 57 b. Aber das der Adventivknospe entsprechende, nach rechts
gerichtete Polypid 11A steht hier nur wenig hinter dem ersten Hauptpolypid zurück, es hat schon
die nämliche Zahl von Tochterknospen, und selbst das Ovarium oberhalb der Knospe B 1 fehlt nicht.
Das Adventivpolypid muß sehr bald nach dem Primärpolypid entstanden sein, auch wenn man
annimmt, daß dieses durch das Auftreten des Rivalen in seiner Fortbildung etwas gehemmt wurde,
indem ja das Dottermaterial des Statoblasten nun für beide Bewohner genügen mußte. Übrigens
fanden die Polypide, sobald sie ausstreckbar wurden, schon reichliche Nahrung: der Enddarm ist
ganz von Diatomeen erfüllt, und auch der Magen enthält solche in beträchtlicher Anzahl.
Wir sehen also, daß bei Fredericella auch aus dem Statoblasten zygomorphe Kolonien mit
zwei opponirten Hauptpolypiden entstehen können, wie solche bei Plumatella aus den mit zwei
Primärpolypiden ausgestatteten Larven ganz regelmäßig hervorgehen. Bei den Statoblastenkolonien
von Plumatella habe ich Ähnliches nie beobachtet und ich halte es für gewiß, daß da Adventivknospen
nicht Vorkommen. Ohne Frage dürfen wir aus dem häufigen Auftreten derselben bei Fredericella
auf eine langsamere oder weniger durchgreifende Differenzirung der Zellen der Leibeswand
schließen, als sie bei den verwandten Formen besteht, und dies wäre denn wohl der einzige Punkt,
der die Auffassung stützen könnte, daß wir es in Fredericella mit einem primitiven Vertreter der
Gruppe zu thun haben.
Offenbar ist trotz der gleichen äußeren Umstände von den drei Statoblasten zuerst der des
Cystides (A), dann der von (B), zuletzt der voii.(C) gekeimt, d., h. die Altersfolge der Statoblasten
ist für den Eintritt der Keimfähigkeit von Einfluß gewesen. Wir müssen annehmen, daß bei sonst
gleichen Verhältnissen derjenige Statoblast am leichtesten keimt, der die längste Ruhepause hinter
sich hat.
Ferner sei auf die Thatsache hingewiesen, daß die Adventivknospen sich in (A) und (B) genau
an den Stellen entwickelt haben, wo sie für ihre Weiterbildung die freieste Bahn fanden, nämlich da,
wo die alten Cystidröhren noch eine Öffnung darboten. Es muß den Geweben eine feine Empfindung
für gewisse äußere Einwirkungen eigen sein, in unserem Falle wahrscheinlich für den chemotactischen
Reiz des Wassers, das durch die Öffnungen unmittelbaren Zutritt zu den Geweben fand und die
Athmung derselben hier am meisten befördern konnte.
Während bei Plumatella ein Theil der im Frühjahr erzeugten Statoblasten schon im nämlichen
Jahre neue Kolonien hervorbringt, scheint dies bei Fredericella nicht der Fall zu sein. Nie habe ich
im Hochsommer frisch gekeimte Statoblasten von dieser Form angetroffen. Die Entwickelung wäre
demnach eine streng einjährige: Keimung der überwinterten Statoblasten im Frühling, Fortbestehen
der daraus hervorgegangenen Kolonien bis in den Herbst, Auftreten einer geschlechtlich erzeugten
Generation im Juli, Überdauern des Winters mittels der im Sommer gebildeten Statoblasten.
Adventivknospenbildung und Regeneration in älteren Kolonien. Schon mehrfach wurde
erwähnt, daß Fredericella sich mit Vorliebe in der Tiefe unserer Gewässer verbreitet, wie sie ja auch
am Boden der Alpenseen ein beständiges Vorkommnis ist. Damit im Einklang steht das Fehlen
schwimmender Statoblasten, mag dieses nun als Folge der Anpassung an die Tiefe oder als Ursache
derselben gedeutet werden. Eine andere Begleiterscheinung ist, daß Fredericella in kühlem Wasser
sich wohler fühlt als im warmen, wenigstens habe ich immer den Eindruck gehabt, als ob die
Kolonien im Sommer, wenn die Wassertemperatur über 20° C. zeigt, dadurch ungünstig beeinflusst
würden. Von Interesse war mir in dieser Beziehung eine Angabe von Wesenberg-Lund (1906, S. 790),
wonach bei mehr als 16 0 C. die Diatomeen verschwinden und den blaugrünen Algen Platz machen.
Da Fredericella fast ausschließlich von Diatomeen lebt, so könnte die nachtheilige Wirkung hoher
Temperaturen*) also einfach auf Nahrungsmangel zurückzuführen sein.
Jene nachtheilige Wirkung äußert sich in der That zunächst in einer Erscheinung, die auch
bei den hungernden Stöcken im Aquarium stets auffällig hervortrat, nämlich in dem A b s t e r b e n
de r ä l t e r e n P o l y p i d e . Zum Theil wird dasselbe freilich als Alterstod zu deuten sein, aber
nicht in der ganzen Ausdehnung, die es gewinnt, und die auch auf halberwachsene Thiere sich ausdehnt.
Die Polypide, oft noch mit reichlich gefülltem Enddarm, ziehen sich ein und verfallen in der Leibeshöhle
einer allmählichen Auflösung, die zuerst das mesodermale Epithel und die Muskeln, dann die
Tentakelregion, zuletzt den Magen und den Enddarm ergreift. Was aus den im Enddarm angesammelten
Diatomeenschalen wird, weiß ich nicht; wahrscheinlich werden sie mit den unbraucbharen
Gewebsresten durch Abschnürung entfernt. Im Magen findet man bei vorgerückter Entartung eine
gelbe, körnige Masse, deren Natur mir unklar geblieben ist. Bei diesem Verfall wird nun das Polypid
von der Leibesflüssigkeit vollkommen ausgelaugt und gewissermaßen verdaut, und die so gewonnenen
Säfte dienen zur Ernährung der jüngeren Glieder des Stockes, vor allem der Knospen, die, selbst
bei völligem Versiegen der äußeren Nährquellen, sich nicht nur als Individuen weiterentwickeln,
sondern auch neue Knospen hervorbringen. Der Vorgang, dessen Bedeutung ich anfangs verkannt
habe (’90, S. 65), ist von Kraepelin (’87, S. 85) treffend als „Einschmelzung“ bezeichnet worden.
Er tritt überall da ein, wo der Zufluß von außen den inneren Bedarf nicht mehr zu decken vermag,
und zwar nicht bloß bei Fredericella, sondern bei sämtlichen Phylactolämen, ja sämtlichen Bryozoen
überhaupt („braune Körper“ der Seebryozoen). Auch das häufige Absterben der Mutterpolypide
*) In zwischen s in d m ir Zweifel gekommen, ob die se r äu sse re U m s ta n d fü r u n s e re F o rm w irklich von grösse r B ed eu tu n g
i s t . I n dem a b n o rm k a lte n S om m e r 1907 h a b e ich k e ine re ich e re E n tf a ltu n g d e r Kolonien fe stste llen k önnen a ls sonst.
(Anm. be i d. C örre c tur.)
Zoologien. H e f t 02.