Kiefermuskeln näher gelegenen Zähne der neuen Leistung -— und wiederum in verschiedenem
Grade je nach ihrer Lage angepaßt werden. Je weniger spezielle Anforderungen an die
einzelnen Zahnregionen gestellt werden, desto weniger ausgeprägt wird der Unterschied
zwischen den Zahnarten, desto allmählicher ist der Übergang zwischen diesen; es existiert
eine Zwischenregion, welche den Übergang zwischen Greif- und Kauzähne vermittelt. In'
Übereinstimmung mit der hier vorgetragenen Auffassung von dem Differenzierungsmodus;
des Gebisses werden wir gerade in diesem Übergangsgebiete bei Vergleichung sowohl -der
verschiedenen Tierarten innerhalb einer natürlichen Gruppe als auch der verschiedenen
Individuen derselben Art die größte Beweglichkeit in der Zahnform antreffen.
Für diese Auffassung finden sich in der vorhergehenden Untersuchung mehrere
Belege.
Hieraus folgt aber auch unmittelbar,
1) daß die verschiedenen Elemente der verschiedenen Zahnarten einander homolog
sein müssen — ganz unabhängig davon, ob man annimmt, daß das „Urgebiß“ einer Tiergruppe
„haplodont“, „trikonodont“ oder „trituberkular“ gewesen Ist;
2) daß in diesem allmählich erfolgenden Umwandlungsprozeß der Zähne von einem
Kieferende zum anderen ein h is to r is c h e r Vorgang vorliegt.
U n d d ie s w ie d e rum g ib t uns das R e c h t und d ie M ö g l i c h k e i t , d u r ch
V e r g le i c h u n g d e r v e r s c h ie d e n e n Z ä h n e d e r Z a h n r e ih e d ie A r t d e r Z a h n a
u s b ild u n g f e s t z u s t e Ile n.
Wenden wir nun die hier vorgetragenen Überlegungen auf unser besonderes Untersuchungsobjekt,
das Centetiden-Gebiß, an, so wird, wie aus den oben dargelegten Untersuchungen
erhellt, die Zahnreihe der kleineren Mi er o g a le -A r te n gekennzeichnet sowohl
dadurch, daß ein allmählicher Übergang der einen Zahnart in die andere .stattfindet, als
auch dadurch, daß keine Rückbildung in der Zahnreihe nachgewiesen ist; falls bei Cente-
tidae ein P i verloren gegangen — was wahrscheinlich, wenn auch nicht erwiesen^ hat dieser
Umstand jedenfalls keinen störenden Einfluß auf das hier zu behandelnde Verhalten aus-
geübt, Eine vergleichende Untersuchung der Backenzahnreihe einer solchen Tierart muß
uns somit Aufschluß über die Entstehung der Molarform geben, wobei wir in diesem Falle
ganz davon absehen können zu entscheiden, ob die mehr prämolarartige oder die mehr
molarartige Form als die historisch ältere anzusehen ist, und dies um so eher, als, wie oben
auseinandergesetzt, eine v o llk om m e n e Homodontie wenigstens bei dem nicht rückgebildeten
Säugetiergebiß jedenfalls niemals vorhanden gewesen ist.
Wir berücksichtigen zunächst die o b e r e n Molaren.
Gehen wir von P2 bei einem der kleineren Mi er oga le-A rten (Fig. 59, 60) aus, "sö
erkennen wir ohne weiteres, wie dieser Zahn von denselben Elementen wie ’C und I zusammengesetzt
ist: vordere Basalspitze (i)1, Hauptspitze (2) und hintere Basalspitze (3); alle
liegen sie wie bei _C und £ fast in der Sagittalebene, nur ist zu beachten, ’ daß ¿ich das
an der labialen Seite der hinteren Basalspitze ausgehende Cingulum etwas von der Fläche
abgehoben hat. Letztgenannte Andeutung einer Differenzierung hat sich am P 3 2 stärker
1 Die Ziffern entsprechen denen au f den Abbildungen.
* F ü r andere Einzelheiten dieses und der nachfolgenden Befunde sei auf die im vorigen Kapitel gegebenen Beschreibungen
und Abbildungen d er fraglichen Zähne verwiesen.
ausgeprägt: die Hauptspitze (2) ist etwas lingualwärts gerückt und im Zusammenhänge hiermit
hat die Cingulumleiste — im vorigen Kapitel als labiale Leiste beschrieben — sich
schärfer abgehoben und endigt nach vorne mit einer starken Spitze (4). Zugleich bildet sich
die hintere Peripherie der Hauptspitze (2) in ein schwach konkaviertes Dreieck um, dessen
zwei Seiten von den Rändern der Plauptspitze und die dritte von der hinteren Basalspitze
(3), sowie von der Cingulumleiste mit ihrer Spitze (4) begrenzt wird. Die Art der Bildung
des fraglichen Dreiecks macht es verständlich, daß die vordere Basalspitze (1) hier wie bei
den folgenden Zähnen ganz von der Begrenzung des Dreiecks ausgeschlossen sein muß, ein
Umstand, welcher für das Verständnis der im Folgenden dargelegten Vergleichungen von Bedeutung
ist. Außerdem ist, verglichen mit P2, eine weitere Komplizierung durch das Auftreten
eines kleinen Innenhöckers (5) erfolgt. — P4 unterscheidet sich von P 3 außer durch bedeutendere
Größe dadurch, daß die Plauptspitze (2) sich etwas mehr nach innen geneigt hat
und somit niedriger geworden ist, was zur Folge hat, daß das an seiner hinteren Peripherie
liegende Dreieck etwas größer geworden und zugleich etwas mehr horizontal zu liegen kommt.
Die Cingulumleiste hat sich noch weiter nach vorne ausgedehnt und die vordere Basalspitze
(1) erreicht, so daß der labiale Kronenrand (|^die Außenwand) von der Cingulumleiste und
drei Spitzen, nämlich vordere Basal-, Cingulum- und hintere Basalspitze gebildet wird. —
M t wiederum unterscheidet sich von P4 nur durch einfe morphologisch geringfügige Umbildung,
und zwar hauptsächlich dadurch, daß sich die Plauptspitze (2) noch weiter nach
innen geneigt oder umgelegt hat, somit selbst, ebenso wie das von ihr getragene Dreieck
noch mehr horizontal als bei P4 zu liegen kommt; es ist mit änderen Worten das typische
„Trigon“ entstanden. ¡M2 verhält sich wie Mi.
Wie aus den Beschreibungen der einzelnen Zähne im vorigen Kapitel hervorgeht,
können sich aus der Cingulumleiste bei P4, M i und M2 bei manchen Arten statt
einer mehrere Spitzen entwickeln (vergl. Textfig. XXXIII) ; der Innenhöcker kann verschieden
gestaltet sein; das Dreieck kann durch eine in verschiedener Richtung erfolgte Neigung
oder . Streckung ' der Hauptspitze etwas verschiedene Form und Größe annehmen. Selbstredend
wird durch diese und ähnliche Verschiedenheiten die hier gegebene morphologische
Deutung in keiner Weise alteriert. Der Bau der oberen Molaren ist sich in seinen Hauptzügen
bei allen Oryzorictinae und Centetinae gleich..
Von größerer Bedeutung sind die abweichenden Befunde bei P o tam o g a le (Fig. 61). Mo
Schon oben ist die über den genetischen Zusammenhang von Microgale und Potamogale Po
auf klärende Tatsache erörtert, daß sich bei der letzteren die oberen Molaren ganz ebenso
zu den Prämolaren verhalten wie bei der letzteren, d. h. daß die Außenwand des Zahnes '
ebenfalls von der vorderen Basalspitze ( i i der Cingulum-Leiste mit ihren Spitzen (4) — und
zwar dieselbe Anzahl wie bei Microgale und Oryzorictes — und der hinteren Basalspitzen (3)
gebildet wird, während die Hauptspitze sich allmählich lingualwärts ausdehnt und niedriger
wird. Hier ist aber die Hauptspitze bei Pd4, P4 und M 1 doppelt: eine vordere (2) und
eine hintere (2O. Aber auch bei Pd 3 findet sich an der hinteren Peripherie der Hauptspitze
die Andeutung einer Nebenspitze. Aus diesen Befunden folgt: 1). daß die Außenwand
der Molaren bei Potamogale vollständig derjenigen bei den übrigen Centetidae homolog ist;
2) daß die zweite, die hintere, schon bei den Prämolaren vorgebildete Plauptspitze der Molaren
als ein Differenzierungsprodukt aus der vorderen hervorgegangen ist!