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 Nebenflüsse  der  Oder,  in  der  Nähe  des  Gutes  Zedlitz  bei  Breslau  gesammelt,  wo  die  Kolonien  im  
 Mai  und  Juni  des  Jahres  1894  in  reger  geschlechtlicher Thätigkeit  begriffen  waren.  Sie  fanden  sich  
 dort vornehmlich  in den tieferen  Wasserschichten,  an den Wurzeln der Uferbäume,  an  abgestorbenen  
 Ästen,  sowie  an  Phragmites,  oft  vergesellschaftet  mit  Pcdudicella  und  mit  Schwämmen.  Zur  Ergänzung  
 dienten  mir  dann Kolonien,  die ich  im  Juni  bis  August  1906  in  der Havel  sammelte,  nicht  
 weit  von  dem  Restaurant  Saatwinkel  bei  Spandau.  Ein  erst  neuerdings  aufgeschütteter  Treideldamm  
 schneidet  dort  am  Eingang  zum  Tegeler  See  zwei  Buchten  der  Havel  von  dem  Strome  ab,  
 mit dem sie nur noch  durch  eine schmale Pforte in Verbindung stehen, und an der Strauchschüttung,  
 die  dem  Damme  zu  Grunde  liegt,  hatte  sich  in  der  kleineren,  westlichen  dieser  Buchten  ein  reicher  
 Flor  von  Fredericellen angesiedelt.  Auch  hier war  die  tiefere Region am  ergiebigsten,  und  das  wird  
 überhaupt bei  unserer Art,  der  ja die schwimmenden Statoblasten  fehlen,  als Regel  zu  gelten haben.  
 Fredericella ist eine  Tiefenform.  Erst  die geschlechtlich erzeugten Larven liefern eine auch  die Oberfläche  
 bevölkernde  Generation,  die,  soweit  sie  sich  nicht  an vergänglichen Pflanzentheilen,  sondern  
 an  dauerhaften  Gegenständen  niederläßt,  mittels  der  Statoblasten  ihren  Standort  auch  ferner  
 behaupten  kann. 
 Zur  Conservirung  benutzte  ich,  wie  früher,  concentrirte  wässerige  Sublimatlösung,  die  kalt  
 oder  warm  angewandt  wurde,  daneben  Flemming’sche  Flüssigkeit.  Die  Stöckchen  wurden  dann  
 unter Wasser  in  kleinere  Stücke  zerschnitten  und  allmählich  in  90-procentigen Alkohol  übergeführt,  
 worauf sie in  alkoholischem Karmin (Mayer)  2—4 Stunden lang  gefärbt wurden.  Nach Überführung  
 in Nelken-  oder  Cedernholzöl  wurden  die  Zweigspitzen  durch  Scheerenschnitt  abgetrennt  und  unter  
 dem  Mikroskop  genauer  besichtigt.  In  den  meisten  Fällen  erkennt man  die Knospen und Polypide,  
 sowie  die  Oöcien  deutlich  genug,  um  wenigstens  ungefähr  die  geeigneten  Stadien  auswählen  zu  
 können.  Diese  wurden  dann  stets bei schwacher Vergrösserung mit  dem  Prisma  gezeichnet und  die  
 Skizze  durch  Eintragung  der mit  stärkeren  Systemen gewonnenen Details  nach Möglichkeit  vervollständigt, 
   gleichzeitig  wurde  auch  die  wünschenswerthe  Schnittrichtung  festgestellt.  Durch  Cedernholzöl  
 gelangten  die  Stücke  in  Paraffin,  zuerst in  solches,  das mit  Cedernholzöl  verdünnt  war,  dann  
 in  reines.  In letzterem  blieben sie  bei  einer  Temperatur  von  50— 520 C.  etwa  2  Stunden lang.  Die  
 eingebetteten  Stücke  wurden mit Hülfe  der  vorher  entworfenen  Skizzen  genau  orientirt,  auf  Holz-  
 pflöckchen  festgeschmolzen  und  mit  dem  Quermesser  geschnitten.  Das  Schneiden  ist  wegen  der  
 starken Incrustirung  der  Cuticula  mit  Kieselalgen  und  Steinchen nicht ohne Schwierigkeit,  und man  
 hat  das  Object  jedesmal  so  zu  stellen,  daß  die werthvollsten  Theile  desselben  der  Gefahr  einer Verletzung  
 durch  die  mit  dem  Messer  vorgeschobenen  Fremdkörper  so  viel  als  möglich  entrückt  sind. 
 In  der  A n o r d n u n g   de s   S t o f f e s   werde  ich  mich  natürlich  der  Untersuchung  über  
 Plumatella  (Braem,  ’97),  so  weit  es  geht,  anschließen  und  auf  die  dort  geschilderten  Vorgänge  vergleichend  
 zurückweisen.  Um  aber  der  Darstellung  ihren  objectiven  Charakter  zu  wahren,  werde  
 ich umfangreichere theoretische Erörterungen  vermeiden und erst in einer späteren Arbeit zusammenfassen, 
   die  der  Lebensgeschichte  von  Pectinatella  gelten  soll. 
 A.  Die  Geschiechtsproducte. 
 Die  geschlechtliche  Thätigkeit  vollzieht  sich  bei  Fredericella,  ebenso  wie  bei  Plumatella.  
 vorwiegend in der  ersten Hälfte der wärmeren Jahreszeit, im Mai, Juni und Juli.  Der mittlere Monat  
 bezeichnet  den  Höhepunkt. 
 Die Keimung der überwinterten  Statoblasten,  über  die ich am  Schluß  noch  Einiges mittheilen  
 werde,  beginnt bei Fredericella  sehr  früh.  Schon am  19.  März  1897  fand ich bei Breslau neben frisch  
 gekeimten  oder  noch  uneröffneten  Statoblasten  junge  Stöckchen,  deren  Primärpolypide  erwachsen  
 waren  (Taf.  VII,  Fig.  57).  In  ihnen  hatte  auch  bereits  die  Bildung  der  Geschiechtsproducte,  des  
 Samens  sowohl  wie  der  Eier,  ihren Anfang  genommen.  Immerhin  wird  die'Entwickelung um  diese  
 Zeit  nach  Maßgabe  der  Temperatur  eine  langsame  sein,  und  erst  im  April  werden  die  günstigeren  
 Lebensbedingungen  ein  rascheres Wachsthum  eintreten  lassen.  Anfang  Mai  können  schon  ansehn-,  
 liehe Kolonien vorhanden sein,  in denen dann neben der Samen- und Eibildung auch die Entwickelung  
 der  Embryonen  von  statten  geht.  Ende  Juni,  schwerlich  vor Mitte  dieses  Monats,  beginnt  das  
 Ausschwärmen der Larven.  Von  da  ab  tritt die Statoblastenbildung mehr und mehr  in  den Vordergrund, 
   ohne  daß  jedoch  eine  scharfe  zeitliche  Grenze  zwischen  den  beiden  Fortpflanzungsarten  zu  
 ziehen  wäre.  Schon  in  den  geschlechtsreifen  Stöcken  des  Frühjahrs  ist  die  Statoblastenbildung  im  
 G;ange,  und  noch am  1.  September  1888  habe  ich im  Preiler  Teiche  bei  Königsberg in  Pr.  Kolonien  
 gefunden,  die  neben  zahlreichen  Statoblastenanlagen  Hoden  und  Ovarien  enthielten;  in  Kolonien  
 der  Havel  waren  am  31.  August  1906  Geschiechtsproducte  und  Embryonen  verschiedener  Stadien,  
 allerdings  nicht  mehr  zahlreich,  vorhanden. 
 Kraepelin  (’87,  S.  102)  hat  „Sperma  und Eier  im  Anfang Juni,  reifende Embryonen  im  Juli“  
 beobachtet.  Chirica  (1904,  S.  2)  giebt  für  Rumänien  an,  daß  die  Larven  in  der'zweiten Hälfte  des  
 Juli  und  während  des  größten  Theils  des  August  ausschlüpften. 
 Die  Spennatozoen  entwickeln  sich,  ganz  wie  bei  Plumatella,  am  Funiculus,  den  sie  bei  
 erwachsenen  Thieren  in  der  Ausdehnung  von  fast  einem mm  bedecken.  Schon  bei  den  ersten  Individuen, 
   welche  aus  dem  keimenden  Statoblasten  hervorgehen,  sind  Samenzellen  in  beträchtlicher  
 Menge  zu  constatiren  (Taf.  VII,  Fig.  57a und b,  sp).  Das Detail  der Entwickelung habe ich nicht  
 genauer  verfolgt;  soweit meine  Beobachtung  reicht,  herrscht Übereinstimmung mit Plumatella  (vgl.  
 Braem,  ’97,  S.  3 ff.). 
 Auch  die  Bildung  der  Eier  schließt  sich  eng  an  jene  von  Plumatella  an  (1.  c.,  S.  13  ff.). 
 Das  gilt  zunächst  in  Bezug  auf  den  O r t   und  die  R e i h e n f o 1 g e  ihrer  Entstehung. 
 Die  Ovarien  (Fig.  57a  und  b,  Ov)  finden  sich  stets  an  der  oralen *)  Cystidwand  älterer  Individuen, 
   unterhalb  der Duplicaturmuskeln (Fig.  57a, dm)  und  oberhalb  der  jüngsten Tochterknospen  
 (Fig.  57a  und  b,  B l).  Sie  sind  hier  zu  kleinen  Häufchen  vereinigt,  welche  niemals  in  Form  von 
 */  Wie  bei  allen  Bryozoen  sind  sämtliche  Polypide  eines  Zweiges  gleichsinnig  orientirt,  so  daß  Mund-  und  Afterseite  des  
 einen  wie  die  Mund-  und  Afterseite  des  anderen  eingestellt  sind.  Die  vor  der Mundseite  eineis  Polypides  gelegenen  Bildungen  
 liegen  „ora l,“   die  an  der  Afterseite  befindlichen  „anal.“