- 34 —
er zuerst von allen Molaren und zwar beim ganz alten Tiere ausfälltt • Ob wir es hier
mit einem Neuerwerb oder mit einem Erbstück zu tun haben, muß bis auf weiteres unentschieden
bleiben. Mir scheint die erste Alternative die wahrscheinlichere zu sein.
Das Zahnsystem hat sich bei H em ic e n te te s (Fig. 39— 45) in einer Weise umgewandelt,
welche auf eine von den übrigen Centetidae abweichende Ernährung1 und auf
einen abweichenden Gebrauch des Zahnsystems hinweist. In der Form der vorderen Kieferteile
sowie in dem allgemeinen Habitus der diesem Teile angehörenden Zähne spricht sich eine
auffallende Analogie mit den Befunden bei dem ebenfalls madagassischen und ebenfalls
ganz einseitig umgeformten Viverriden E u p le r e s aus. Die hakenförmigen Kronen der oberen
S:chneidezähne, der Eckzähne und der P2, die Verlängerung und Verschmälerung der
übrigen Prämolaren und der Molaren, welche Vorgänge von Rückbildung von Zahnteilen
begleitet werden, sind für Plemicentetes mit seinen in ihrer Gesamtheit stark verlängerten
Kiefern kennzeichnend. Die Beschaffenheit der Molaren deutet auf verminderte Kau-
tätigkeit hin. Diese Auffassung wird durch die geringe Ausdehnung der Mundspalte bestätigt,
welche hier etwa halbwegs zwischen Unterkieferspitze und Auge reicht, während sie sieh
bei Centetes bis unter das Auge erstreckt. Immerhin, sind die nahen Beziehungen zwischen
dem Zahnsystem dieser Gattung und der Orizorictinae nicht zu verkennen; besonders bieten
einige der Prämolaren mit den in analoger Weise umgebildeten Zähnen von Oryzorictes eine
bemerkenswerte Übereinstimmung dar.
Die beiden Plemicentetes-Ärten stellen zwei verschiedene Differenzierungsstufen dar
und zwar ist die Differenzierung respv Rückbildung des Gebisses weiter fortgeschritten bei
PI, s em isp in ö su s als bei H. n ig r ic e p s , welcher letzterer also der Ausgangsform, dem
Oryzorictinen-Stadium, am nächsten steht. In Übereinstimmung mit dem schwächeren Kiefer
sind besonders die Backenzähne bei PI. semispinosus schwächer und kleiner als bei H. nigriceps.
Daß in der Tat letzterer die ursprünglichere Form ist, geht auch aus dem oben
pag. 16 mitgeteilten Befunde eines Exemplares von semispinosus hervor, bei dem, ohne daß
es sonst von den anderen derselben Art abweicht, P 3 größere Übereinstimmung mit dem
Verhalten bei PI. nigriceps als mit den Artgenossen aufweist (Textfig. XLII).
Von prinzipiellem Interesse ist ferner der Umstand, daß innerhalb dieser Gattung
an ein u n d d em s e lb e n Zahne, nämlich am oberen dritten Prämolar, die Entstehung der
triconodönten Kronenformen aus der trituberkularen nachgewiesen werden kann. Wir finden
nämlich, daß dieser Zahn im Milchgebiß von nigriceps eine rein trituberkulare Form hat,
welche unter Vermittelung des Ersatzzahnes bei derselben Art und des Milchzahnes von
semispinosus in den beinahe typisch triconodonten Ersatzzahn ()P 3) der letzteren Art übergeht
(Textfig. XXXIX— XLI). Da, wie wir gesehen, kein Zweifel darüber bestehen kann,
daß bei nigriceps die ursprünglicheren Zustände erhalten sind, ergibt sich somit, daß h ie r
die triconodonte Form von der trituberkularen abstammt. Offenbar wäre es vollkommen
unberechtigt, diese Tatsache als Waffe für oder gegen die Trituberkulartheorie verwenden
zu wollen, da es sich ja hier um eine Differenzierung handelt, welche in gewisser Beziehung
einer Rückbildung gleichkommt. Es ist eben nur ein weiterer Beleg für die auch durch
andere Tatsachen gestützte Auffassung, daß überall, wo wir — wenigstens bei den modernen
Über die Nahrung von Hemicentetes siehe im Folgenden.
35
Säugern — Trikonodontie antreffen, diese als aus einem trituberkularähnlichen Stadium hervorgegangen
aufzufassen ist.
E r ic u lu s nimmt innerhalb der Familie der Centetidae dieselbe Stellung ein wie
E r in a c e u s unter den Erinaceidae oder m. a. W. die besagten beiden Gattungen sind im
höchsten Grade auffallende Konvergenzerscheinungen. Diese Konvergenz offenbart sich nämlich
nicht nur im Besitze eines Stachelkleides, welches sie von ihren Familiengenossen unterscheidet,
sondern tritt uns auch im Zahnsystem entgegen. Indem ich bezüglich des Integuments
und dessen Muskulatur auf die nachfolgenden Abschnitte verweise, sei hier hervorgehoben,
daß das Gebiß bei Ericulus durch einen Differenzierungsvorgang demjenigen
analog, welchen ich für das Erinaceus-Gebiß früher1 mit Hilfe eines reichhaltigen historischen
Materials habe nachweisen können, entstanden ist, und zwar ist diese Konvergenz am
vollständigsten bei der am meisten differenzierten Ericulus-Art (telfairi).
Des Näheren gestalten sich diese Konvergenzerscheinungen bei Ericulus und Erinaceus,
welche .|#i dem letzteren historisch, bei dem ersteren nur vergleichend-anatomisch erschlossen
werden können, folgendermaßen:
1) Bei beiden sind unter gleichzeitiger Verkürzung der Kiefer minderwertige Zähne
verschwunden.
2) Bei Eric, telfairi entstehen wie bei den meisten Erinaceus-Arten zwei Kraftpunkte,
der eine in der Schneidezahn-, der andere in der Prämolarenreihe, während bei Eric, setosus
ebenso wie bei Erinaceus europaeus ein dritter Kraftpunkt durch die Ausbildung eines mehr
oder weniger typisch eckzahnartigen C hinzukommen kann.
3) Durch Rückbildung des M| ist die Molarenreihe verkürzt.
4) Bei Eric., telfairi wie bei Erinaceus sind die vordersten Zähne im Unterkiefer einander
ähnlich geworden und haben dieselbe geneigte Lage erhalten.
5) Bei Eric, setosus (wie sich Eric, telfairi in dieser Beziehung verhält, ist nicht bekannt)
besteht derselbe Unterschied im Bau des P3 und Pd 3 wie bei Erinaceus.2
Ist somit eine demselben physiologischen Bedürfnisse entspringende und deshalb
gleichartige Umbildung des Gebisses bei Ericulus und Erinaceus unverkennbar, so läßt sich
anderseits und dies ist von prinzipiellem Gesichtspunkte bedeutsam — nachweisen, daß die
Entwicklungsfaktoren hier mit einem vom Hause aus etwas verschiedenen Materiale zu arbeiten
gehabt haben, da die allgemeine Ähnlichkeit durch zum Teil verschiedene Mittel erreicht
worden ist. Die Entwicklungsprodukte: das heutige Ericulus- und Erinaceus-Gebiß, sind
physiologisch vollkommen, aber morphologisch nur teilweise gleichwertig (Textfig. LII).
So werden die beiden erwähnten Kraftpunkte hergestellt
K o n v e r g e n z
zwischen
E r i c u l u s u n d
E r in a c e u s .
bei Ericulus durch I— und P-—.
,, Erinaceus durch I— und P—. 2 4
Dieser Unterschied ist ein notwendiges Resultat der verschiedenen historischen Entwicklung:
P4 ist nicht nur bei allen Erinaceidae höher als P3, welcher im Unterkiefer bei
Erinaceus höchst wahrscheinlich fehlt, sondern läßt auch bei den Verfahren der Gattung
1 02 pag. 32—34.
* Vergleiche Le che 02, Fig. 26, 27.