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. Diese Auffassung erhält durch das Verhalten bei O r y z o r ic t e s eine wertvolle Bestätigung.
Am Pd3, P4 und Pd4 bei O. t e t r a d a c t y lu s (nach Major, 97, an allen Prämolaren
bei O. h o v a ) ist die Hauptspitze wie bei Potamogale mit einer Nebenspitze in
wechselnder, aber immer schwacher Ausbildung versehen und am M i, undeutlicher am M 2,
findet sich diese kleine Nebenspitze am entsprechenden Punkte der Hauptspitze wieder.
Diese an den Molaren von Oryzorictes nur angedeutete Spitze ist bei Potamogale als hintere
Hauptspitze (2O zur vollen Ausbildung gelangt. Auch in anderer Beziehung treten, wie im
beschreibenden Teile nachgewiesen ist, im Zusammenhang mit der Verlängerung der Zähne,
gleichartige Umänderungen im Gebisse bei Potamogale und Oryzorictes auf.
U r s a c h e d e s Das Moment, das die Verdoppelung der Hauptspitze bei P o tam o g a le verursacht
a b w e i c h e n - ji a ^ j s j- unschwer zu erkennen: die sekundäre Verlängerung der Zahnform ist, wie wir ge-
P01amo'/ale - sehen (pag. 32), eine Anpassung an das Wasserleben; wenn aber ein Zahn sich verlängert
M o la r s . und dabei fortfahrend annähernd gleich starke Ansprüche an seine Funktion gestellt werden,
ist es selbstredend vorteilhaft, wenn sich an ihm neue Elemente ausbilden. Diese Auffassung
wird bestätigt durch das Verhalten bei der ebenfalls dem Wasserleben angepaßten Viverride
C y n o g a le b e n n e t t i, deren Prämolaren, wie wir gesehen, eine auffallende Analogie mit
denen bei Potamogale darbieten: es w e is t n äm lich au ch C y n o g a le , v e r g l i c h e n mit
s e in e n u r s p r ü n g lic h e r e n F am i l ie n g e n o s s e n , e in e V e rm e h r u n g d e r Z a h n sp
itz e n an P4 und an den M o la r en auf.1
Da nun oben die Herkunft des Zahnsystems des Potamogale und Oryzorictes von
dem des Microgale, sowie auch die gleiche Entstehung der Molar teile bei allen hier be-
handelten Tierformen nachgewiesen ist, kann es als völlig gesichert angesehen werden, daß
die fragliche hintere Hauptspitze bei Potamogale und Oryzorictes eine N e u b ild u n g ist.*
Die Es ist bereits oben nachgewieseh worden, daß die am Außenrande, zwischen vorderer
B a s a l s p i t z e n uncj hinterer Basalspitze stehenden Spitzen der oberen Backenzähne Produkte des Cingulums sind.
dukte?de"s A u s den im b e s c h r e ib e n d e n T e i l e g e g e b e n e n D a r s t e l lu n g e n und A b b ild u n g e n
C in g u l u m s . von m eh r e re n P r äm o la r e n e rh e llt a b e r f e rn e r , d aß a lle h ie r a ls B a s a ls p it z e n
b e n a n n te n E lem e n te e b e n f a l ls D if f e r e n z i e r u n g e n des C in g u lum s sind. Der
genetische Zusammenhang der inneren Basalspitze mit dem Cingulum erhellt ganz besonders
deutlich aus den oben (pag. 18) angeführten Befunden von M i und M 2. Nicht minder
überzeugend wirkt das Verhalten des 12 in der Reihe Microgale dobsoni— Limnogale— Potamogale,
wo die Verwendung des Cingulum beim Aufbau der Krone schrittweise nachgewiesen
werden kann. Daß die vordere Basalspitze des Id 2 bei Ericulus ein Differenzierungsprodukt
des Cingulums ist, wurde schon oben nachgewiesen (pag. 20). Überzeugend wirkt auch der Befund
an den Unterkieferzähnen bei Microgale dobsoni: ein inneres Cingulum ist ausgeprägt
an P 2 + 3; an P4 und M 1—3, wo dasselbe zum Aufbau der inneren Basalspitze verwendet
ist, fehlt infolgedessen ein Cingulum als solches.
1 Worin die Ursache zu der übrigens weniger weit gehenden Verlängerung der Backenzahnform bei O r y z o r
i c t e s zu suchen is t , muß einstweilen dahingestellt sein. Jedenfalls haben die Backenzähne auch hier nichts von ihrer
Leistungsfähigkeit eingebüßt, was dagegen der Fall bei H e m i c e n t e t e s , besonders bei H. s e m i s p i n o s u s
Kronenverlängerung und ihre Umbildung zu Schneiden mit einer R ü c k b i l d u n g von Zahnteilen einhergeht.
* Major (97 pag. 534) erwähnt außerdem, daß eine hintere Basalspitze bei P d j von Microgale Vorkommen soll;
hier habe ich sie nicht gefunden.
Daß das Cingulum ein uraltes Zahnelement ist, geht aus seinem Vorkommen bei den
jurassischen Säugern hervor. Die Annahme, daß die Basalspitzen aus dem Cingulum entstanden
sind, liegt deshalb sehr nahe und ist auch schon von mehreren Forschern gemacht
worden. So betrachtet Mivart (66) die labialen Teile der Molaren einiger Insectivoren als
Produkte des Cingulums, welcher Ansicht sich auch Woodward (96) anschließt. Zittel (91) und
Osborn (97) lassen den „quadrituberkularen“ oberen Molar aus dem „trituberkularen“ durch
Plinzufügung des aus dem Cingulum (Basalwulst) hervorgegangenen „Plypoconus“ entstehen.
Osborn (88) hebt auch hervor, daß bei den Jurasäugern P e r a le s t id a e die inneren Spitzen
der unteren Molaren Produkte des Cingulums sind. In ausführlicherer Weise hat neuerdings
Tims (03) nachzuweisen versucht, daß die Nebenspitzen der Prämolaren aus dem Cingulum
hervorgehen, sowie auch ausdrücklich betont, daß bei den Centetidae an den oberen Prämolaren
„the external cingulum not only does persisi, but it gives rise to well marked cusps“ ,
wogegen er für die Molaren dieser Tiere eine andere Bildungsart annimmt (siehe unten).
Nachdem wir die Entstehung der oberen Molaren bei Centetidae als von Elementen
aufgebaut erkannt haben, welche mit den Zuständen* bei den Prämolaren unmittelbar vergleichbar
sind, haben wir auch einen Ausgangspunkt gewonnen, um zunächst die Beziehungen
festzustellen, welche zwischen den Molaren der Centetidae und den ebenfalls als „trituber-
kular“ beschriebenen Molaren der im Eocän und Oligocän Nordamerikas auftretenden
Insectivorenfamilie L e p t i c t id a e (= I c to p s id a e ) bestehen. Auch bei diesen ist P4 fast
vollständig molariform, und auch hier ermöglicht ein allmählich geschehender Übergang
von Prämolaren zu Molaren mit großer Sicherheit dieselbe Methode für Feststellung
der homologen Elemente wie bei Microgale anzuwenden. Aus dem Oligocän Dakotas besitze
ich in einem I c to p s sp.1 ein brauchbares Material für Entscheidung der vorliegenden
Frage (Fig. 62, 63). Vergleichen wir P j und P4 miteinander, so erkennen wir, daß der
Außenrand bei beiden von homologen Teilen gebildet wird; nur ist bei P4 die Hauptspitze
(2) etwas verkleinert und die hintere Basalspitze (3) vergrößert, so daß dieselben fast gleich
groß sind; auch die vordere Basalspitze (1), welche bèi P 3 nur angedeutet ist, ist stärker
bei P4. Die innere Basalspitze (5) ist bei P_4 viel kräftiger und bildet als konkaves Dreieck
den größten Teil der Kaufläche. ZwischenP4 einer- und M i— M2 anderseits besteht
kaum ein anderer Unterschied, als daß die Spitzen 2 und 3 hier von gleicher Größe sind,
m. a. W. : der schon bei P4 begonnene Egalisierungsprozeß ist bei den Molaren vollendet.
P 4 , M i-f-2 haben an der Außen-, Plinter- und Vorderfläche ein Cingulum.* Die hier gegebene
Deutung wird durch die von Matthew (03) mitgeteilte Beschreibung und Abbildung
des I c to p s a c u t id e n s bestätigt. Hier sind nämlich P3 und P4 weniger verschieden, weshalb
die homologen Teile noch leichter erkennber sind. Für die folgende Darstellung ist
besonders daran zu erinnern, daß die hintere Basalspitze bei P3 + 4 sich geteilt hat.
Aus obiger Untersuchung geht also hervor, d a ß d e r V - fö rm ig e o b e r e M o la r
b e i C e n t e t id a e und L e p t i c t id a e in g an z v e r s c h ie d e n e r W e is e e n t s ta n d en is t,
d u r ch w e lch en Um s tan d e in g e n e t is c h e r Z u sam m e n h a n g z w i s c h e n d ie s e n
F am ilie n v o llk om m e n a u s g e s c h lo s s e n w ird . Denn während bei Centetidae die
1 Ich erhielt die fraglichen Stücke als L e p t i c t i s h a y d e n i bestimmt, was jedenfalls au f einem Irrtum beruht.
* Bei P 3 -ist das äußere Cingulum nur angedeutet ; ob auch an der Innenseite ein solches vorhanden ist, kann
an meinem Exemplar nicht festgestellt werden.
D i e B i l d u n g
d e s M o l a r s
b e i
L e p t i c t i d a e .
D e r A u f b a u
d e s M o l a r s
v e r s c h i e d e n a
r t i g b e i
C e n t e t i d a e
u n d
L e p t i c t i d a e .