fe; und welches die Bauwerke sind, aus denen wir vorzüglich einen
practischen Nutzen ziehen können. In Rücksicht dessen werden dann
zugleich einige der wesentlichsten Theorien durch Beobachtungen geprüft
; und wo möglich neue Theorien aufgestellt. Nach diesem Plane
möchte ich dieses W e rk also beurtheilt wissen, und ich gebe es keines-
weges für ein solches aus, worin alle Fälle, die in Praxis Vorkommen,
nach allgemeinen Theorien berechnet sind. Diese werden auch so lange
wohl nicht erreichbar seyn, bis wir die Geheimnisse der Natur, deren
Resultate uns zwar vor Augen liegen, wenn wir es-der Mühe werth
achten, sie kennen zu lernen, nicht entschleiern können. Bis dahin
bleiben so manche Theorien, die einen direeten practischen Nutzen gewähren
sollen , nur wünschenswerth aber unerreichbar. Manche Theorie
ist eine liebliche Gestalt, die dem Gelehrten wohlgefällt, die auch
die Wissenschaft weiter bringen kann; wiewohl sie leider von den
practischen Anwendungen nur in ein Schattenbild umgewandelt wird.
Eine ächte Theorie mufs aber mit der Erfahrung bestehn und kann sie
das nicht ; kann man mit ihrer H ü lfe t nicht einmahl näherungsweise j
die Wirkungen der anzulegenden Maschinen und derer Werke die zur
Leitung der Gewässer dienen, berechnen, so verdient sie nicht den Nahmen
efner Theorie : also nur derer in Praxis anwendbaren Theorien
habe ich mich bedienen dürfen. W ie geringe ist aber ihre Zahl, ohn-
geachtet aller der Bemühungen grofser Mathematiker!, die gewifs glücklicher
"cwesen seyn würden, hätten sie eine gröfsere Summe von Beobachtungen
vor sich gehabt und z. B. die fliefsenden Gewässer entweder
nicht als solches Wasser betrachtet, dasaus Oeffnungen in Gefäfsen fliefst
oder als solches das in Gerinnen läuft, die sich frey in der Luft enden;
mithin einen äufserst geringen Widerstand bey der Ausflufsöffnung finden
! welches doch beydes auf fliefsende Gewässer , die entweder in
Flüssen fortlauffen, oder sich in Seen enden, nicht anwendbar ist. So
lange wir also die verwickelten Wirkungen der Natur nicht mit einiger
Genauigkeit berechnen können, werden w ir, in Praxis, nur zu einzelnen
Beobachtungen und Messungen und nicht zu allgemein geltenden
Theorien unsre Zuflucht nehmen müssen. W ie hängt nämlich, bey dem
Lauf der Flüsse, die Geschwindigkeit von der Neigung oder auch von dem
Abhange ab? W e r getrauet sich die Beantwortung dieser Frage einer Vergleichung
mitMessungen zu unterwerfen? Und doch haben wir viele Theorien
die uns die Auflösung so bestimmt geben wollen. Immerhin mag
man fortfahren diese Theorien zu lehren, und nur Beobachtungen lau empfehlen,
ich will und darf mir nicht schmeicheln, dafs ich die mangelhaften
Theorien verdrängen werde, so lange noch bey Abfassung der Compen-
dien und W erke der Art, nicht auf practischen Nutzen, sondern aufForr
mein, die keiner Anwendung fähig sind, gesehn wird. Mir sey es nur
erlaubt: in diesem Werke darzuthun, dafs wir bis jetzt noch keine in der
Ausübung anwendbare Theorien, überden Lauf der fliefsenden Gewässer
und der mehresten vom Wasser getriebenen Maschinen haben. Wem
also ächte Theorien und Ausübung am Herzen liegt, der versäume nicht
in derjenigen Wissenschaft, die man nach dem Sprachgebrauch Wasserbaukunst
nennt, Beobachtungen und Erfahrungen zu sammlen , zu befördern
, und bekannt zu machen.
Als ich diese Ueberzeugung gewonnen hatte, und die erste Idee zu
der Bearbeitung einer Wasserbaukunst fafste, da war mir der grofseNutzen
den die Belidorsche Wasserbaukunst (Architecture hydraulique) gestiftet
hat, gegenwärtig; wie derselbe lediglich aus denen darin enthaltenen Beschreibungen
ausgeführter Wasserbauwerke und einiger Beobachtungen
entstehe , und nicht aus ihren schon längst verdrängten Theorien. Diese
wandelbaren Theorien, die durch neue Beobachtungen erschüttert und umgeworfen
sind, waren es also nicht, welche dem ßelidorschen Werke seinen
classischen Werth gegeben haben, der immer noch grofs genug ist, um
als ein Probierstein von den jetzt lebenden Schriftstellern so ofte citirt zu
werden. In dieser Ueberzeugung schien mir nichts natürlich zu seyn: als
derjenige Plan, den ich hier, so wie in der Vorrede des 2ten Bandes , entwickelt
habe-, und der in diesem Werke befolgt ist. Dabey hatte ich frey-
lich in mehr als einer Hinsicht einen schweren Kampf zu bestehn : die wichtigsten
Bauwerke raisonnirend zü beschreiben, Vorschläge zu ihrer Verbesserung
zu machen, und die bekannten Theorien durch Beobachtungen
zu prüfen, das war allerdings ein Unternehmen, dessen Ausführung mit
grofsen Schwierigkeiten verknüpft war. Man gedenke sich einen Augenblick,
wie mannigfaltig und weitläuftig die Wasserbauwerke in Europa
sind, wie viele Data dazu gehören, um nur die Construction und W ir kung
eines einzigen , das in einem fremden Lande angelegt ist, zu erfahren ,
und man wird eingestehn, dafs mein Plan nicht gewöhnliche Anstrengung
und Mühe mit sich führt. W ie manche kostspielige Reise habe
ich nicht unternehmen, wie manche Ausgabe machen müssen, um
meinen Zweck zu erreichen! In der That standen meinem Vorhaben zwo
wichtige Rücksichten entgegen; erstlich mufste ich, wie gesagt, kostbare
Reisen unternehmen, und dann die Werke lebender Hydrotecten beur-
theilen. Vielleicht hätten mich die Folgen dieser letztem Rücksicht von
meinem Vorhaben gänzlich abschrecken sollen, wenn mir nur mäfsige
Beschäftigung und Ruhe lieber, als States, angestrengtes Arbeiten gewesen
wäre! Ich ergreife hier deswegen die Gelegenheit: mich auch wegen
denjenigen Vorschlägen, die ich in diesem Werke bey wirklichen Bauanlagen
mache, näher und bestimmter zu erklären, wiewohl ich esf bereits