Von den 23 Gruppen, die T a l b o t in seiner Monographie der Gattung unterscheidet,
ist die belladonna-Gruppe die am meisten ursprüngliche. Sie ist zugleich die einzige mit
Bindung an die zentralasiatischen Bandgebirge und vor allem an die westchinesische Ost-
himalayana (Yunnan 6 == 75 v. H., Szechwan 5 = 62,5 v. H., Sikkim 4 9 50 v. H. der
8 Spezies), in den Mittelgebirgen von Nordkuangtung (belladonna) und im höheren NW-
Fukien (lativitta) findet sich nur noch je 1 Art, Zentralformosa bewohnen 2 Spezies (lati-
vitta und die vermutlich von subnubila abgesproßte wilemani). Vertikalareal von Tieren
der belladonna-Gruppe in N-Indien und West-China zwischen 1500—2850 m. Der Ausbreitungsradius
von D. belladonna, der am meisten euryöken und am meisten euryhypsen
Art der Gruppe (Tiefengrenze in N-Kuangtung 500 m, bei Wanderungen in der kühltrockenen
Zeit bis auf Meeresniveau) liegt südöstlich, und sie ist die einzige der Verwandtschaft,
die sich auch in Inselindien findet und zwar in Höhen über 2000 m in Sumatra
und — soweit bisher bekannt als Unikum unter Lepidopteren mit Bindung an die Ost-
himalayana — in Celebes (NW)! Celebes hat weiter seine formenschöpferische Kraft (cf.
S t r e s e m a n n , 25 a) auch bezüglich belladonna erwiesen, und in Zentral-Celebes hat sich
benasu M a r t , als eigene A rt von ihr abgespalten"0).
Alle übrigen paläarktischen Arten sind ohne jede Beziehung zur Tropis. Von der am
meisten primitiven Gattung unter asiatischen Pieriden, Aporia, sind die Tiere des Subgenus
Metaporia wiederum die stammesgeschichtlich ältesten (a) nach Größe, b) ausgeprägterer
Schwärzung, c) zweispitzigem ünkus, d) stets deutlicher medianer Lochgrube in der
Valve). Ih r westöstlich gerichtetes Areal ist durch das Gebiet der meridionalen Stromfurchen
zerrissen worden, war also vor deren Aufrichtung kontinuierlich, reichte bis Formosa
(agathon) oder bis zum Pazifik (largeteaui) und lag wie das der stammesgeschichL
lieh ältesten Delias der belladonna-Gruppe im allgemeinen in Mittelgebirgshöhen bis
etwa 2600 m {agathon bis 2700 m) aufwärts. Von ihnen sind die Tiere der jüngeren beiden
Subgenera (Aporia, Mesapia: a) kleiner, b) Melanisierung meist stark rückgebildet, c) Un-
kus stets einfach, d) mediane Lochgrube in der Valve nicht immer deutlich) abgesproßt,
und ihr Entstehungs- und Ausbreitungszentrum ist das Gebiet der Stromfurchen. Sie sind
Hochgebirgstiere (untere Vertikalgrenze etwa 2600 m; Palpus behaarter, Flügel runder;
Flug im „Windschatten“, im ganzen mehr in Bodennähe). Hinsichtlich der Unterdrückung
des Melanins ihnen am meisten angenähert ist von der Metaporia-Gruppe delavayi O b e r t h .
Sie ist auch die Metaporia, die im Gebiet der Stromfurchen häufig ist und von 1980 bis
4200 m angetroffen wird.
Der Lebensraum von Aporia (s. 1.) umfaßt (nach K ö p p e n [15]) a) das Gebiet trockenwinterkalten
Klimas, nämlich den Tienshan, Hindukusch, Pamir, W- und O-Himalaya,
S- und O-Tibet, Westchina, Tsinlingshan und eine nordwestlich gerichtete Zone bis Peking
einschließlich, sowie das Ussuri-Amurgebiet; b) das Gebiet warmen, wintertrockenen Klimas,
nämlich N-Indien, W-China (einschließlich Kueichow), N-Kuangtung, Fukien, die
höheren Mittelgebirge von Chekiang, soweit deren Wintertemperaturen wenn auch nur
wenig — unter Null liegen. Nur Aporia crataegi, die einzige riesenräumige Art der Gattung,
hat sich an feuchtwinterkaltes (Westsibirien, O- und Mitteleuropa), feuchttemperiertes
(Westeuropa) und warmes, sommertrockenes Klima (Mittelmeergebiet) anzupassen vermocht.
50) Von hyparete in Celebes rosenbergi.
Von den zwei ostasiatischen Pieris (s. st.) scheint brassieae in China auf Yunnan und
SW-Szechwan und zwar wiederum auf das Gebiet der meridionalen Stromfurchen beschränkt,
ist aber dort in Höhen von über 2600 m häufig, P. naganum geht von Assam,
Oberbirma östlich bis zum Pazifik und wird vermutlich noch in Zentralformosa auf gefunden
werden. Von den 5 in China vorkommenden Synchloe ist extensa ausschließlich westchinesisch,
melete ist himalayanisch-ussurisch (Nordindien über Westchina bis Jap an und
zum Ussurigebiet), rapae geht von Westchina bis zum Amur und südlich bis Fukien, das
Gebiet von napi liegt ähnlich. S. canidia hat zwar gegenwärtig anscheinend ein Häufigkeitszentrum
am Pazifik (Korea bis Kuangtung, geht aber in Höhen zwischen 2000 bis
3000 m über Westchina, die südlichen Randgebiete Tibets bis zum Pamir und nach Turke-
stan. Das Areal von Pontia daplidice liegt ähnlich wie das von Synchloe rapae (in Westchina
vom Süden bis Norden häufig, am Pazifik südlich bis Fukien, nördlich bis zum
Amur).
Von der Gattung Anthocharis ist bieti Hochgebirgsbewohner Westchinas, scolymus
ha t anscheinend in dem alten zentralasiatischen Hochgebirgskeil des Tapaishan sein Häufigkeitszentrum,
ist aber sonst im pazifischen Östasien weit verbreitet und zahlreich, car-
damines geht von Szechwan nordöstlich bis zum Amur, an der Südgrenze des Gattungsareals
hat sich in Mittelgebirgen am Pazifik bambusarum von ihr abgespalten.
Alle drei ostasiatischen Gonepteryx haben ein Häufigkeitszentrum im hochgebirgigen
Westchjna, amintha hat das charakteristische westöstliche Gürtelareal typischer Osthima-
laya-Elemente und geht von W-Yunnan bis Formosa, mahaguru ist im ganzen himalayanisch
ussurisch (geht aber südlich bis in Wasserscheidenberge zwischen Yangtse und Si-
kiang), rhamni ist von Zentralasien aus nach Westen und Osten (und südöstlich bis 24,5°
n. Br.) vorgedrungen und eurasiatisch geworden, hat aber in Ostasien ein Häufigkeitszentrum
in Westyunnan. Die Gattungsheimat von Dercas liegt zu der der ostasiatischen
Gonepteryx ähnlich wie das Entstehungszentrum von Delias zu dem der stammesgeschichtlich
älteren Aporia: südlicher und tiefer. Nur das Areal der nördlichsten Art, lycorias,
ist noch das typische eines Osthimalaya-Tieres (Sikkim, Assam, Westchina bis Fukien),
verhuelli ist indochinesisches (Sikkim-Tonkin-Südkuangtung, südlich bis Siam und An-
nam), gobrias indomalaiisches Bergwaldtier (Malaiische Halbinsel bis Borneo).
Die Gattung Dercas ist in den Bergwäldern der Macromalayana viel weiter östlich
verbreitet als alle anderen Formen mit Beziehung zur Osthimalayana00), hat aber offenbar
ihre physiologische Prägung im gleichen Raum erhalten wie die ihr nächst verwandten
Gonepteryx und ist wie diese einbrütig01) mit sehr lang hingezogener Imaginalperiode.
Die Delias der belladonna-Gruppe, die gegenwärtig etwa das gleiche Areal typischer Ost-
himalayana-Elemente bewohnen wie Dercas lycorias, aber vertikal höher gehen als sie
(etwa 2600 m gegen 2100 m), sind ebenso mehr- oder vielbrütig wie alle spezialisierteren
tropischen Delias. Sie waren also zur Zeit ihrer physiologischen Fixierung horizontal und
vertikal außerhalb der Regionen, in denen Aporia, aus deren Formenkreis Delias abzuleiten
sind, zum unveränderlichen Eingenerationenzyklus gezwungen wurde. Sie haben
infolgedessen die Tropen bis Neu-Guinea und Australien besiedeln können. Aber die positive
Reaktionsbereitschaft gegenüber den meteorologischen Kombinationen in subtropischen
oder temperierten Hochgebirgslandschaften scheint ihnen — latent — erhalten ge-
60) Sie geht wie Papilio agetes, Pantoporia asura, Neptis miah bis Nordborneo.
. 6l) Auch P. agetes ist einbrütig, überdauert aber als Puppe, die ungünstige heiße Zeit.