serialer Radula sprechen für diese Meinung. F ü r die höhere Ausbildung der polyserialen
Radula spricht weiter: ihr Auf hau aus zahlreichen Reihen von Zähnen, ihr oft stark entwickelter
Stützapparat, sowie die Entfaltung ihrer Muskeln; der Aufbau der distichen
Radula ist dagegen viel einfacher. F ü r die Entstehung der doppelt pektiniden Radula aus
der polyserialen spricht die Bildung von freien Zähnchen und die darauf folgende Festsetzung
dieser Zähnchen auf einer chitinösen Lamelle bei Proparamenia bivalens N ie r -
s t r a s z . Weil unsere Kenntnisse der Solenogastren-Radula noch sehr lückenhaft sind, will
die Idee N i e r s t r a s z ’ nur zum Ausdruck bringen, wie sich die Solenogastren-Radula möglicherweise
hat ausbilden können. Die Radula befindet sich „in statu naScendi“, ha t sich
dabei aber in verschiedene Richtungen differenziert und zeigt eine progressive Entwicklung.
Auch von der Radula der Chaetodermatidae ist noch so wenig bekannt, daß man
sich keine deutliche Vorstellung der Geschichte dieser Radula machen kann. Vieles spricht
aber dafür, wie N i e r s t r a s z (19, S. 42) hervorgehoben hat, daß sich diese Radula in Regression
befindet und sich aus einer distichen Radula entwickelt hat. Als Neubildung wäre
dabei der kegelförmige Zahn, als Stützapparat, aufgetreten.
Der Mitteldarm setzt sich kraniad fast ausnahmslos in das dorsale Mitteldarmcoecum
fort, während er an seinen lateralen Seiten fast immer seitliche Ausbuchtungen bildet,
sodaß in dieser Weise seine Oberfläche vergrößert wird. Die lateralen Ausbuchtungen können
mehr oder weniger stark und unregelmäßig oder regelmäßig ausgebildet sein. Je mehr
sie sich entfaltet haben und je regelmäßiger sie angeordnet sind, desto höher ist auch die
Entwicklung.
Eine progressive Entwicklung zeigt auch die Mitteldarmdrüse, wenigstens bei den
Chaetodermatidae. N i e r s t r a s z (20, S. 364) fand in Metachaetoderma challengeri (N i e r s
t r a s z ) eine Form, wo die Keulen- und Körnerzellen noch in der Mitteldarmwand liegen.
Bei Prochaetoderma raduliferum (K o w a le v s k y ) ist die Mitteldarmdrüse noch sehr kurz
und sind nur Körnerzellen vorhanden, was beides als primitiv gelten muß mit Rücksicht
auf die Mitteldarmdrüse der übrigen Chaetodermatidae, welche eine völlig entwickelte
Mitteldarmdrüse mit Körner- und Keulenzellen besitzen. Die Mitteldarmdrüse der Chaetodermatidae
ist unpaar und weicht in dieser Hinsicht von der der übrigen Mollusken ab,
wo doch die Mitteldarmdrüse ursprünglich paarig ist. Bei den übrigen Solenogastren liegen
die Keulen- und Körnerzellen im allgemeinen in der Mitteldarmwand zerstreut, was wohl
als der am meisten primitive Zustand gelten mag. F ü r die Ausbildung von paarigen Mitteldarmdrüsen
sind bis jetzt noch keine Anhaltspunkte vorhanden, was aber die Tatsache
nicht ändern kann, daß den Solenogastren eine Mitteldarmdrüse zukommt. — Der Mitteldarm
geht in den kurzen Enddarm über, welcher sich in den Analraum öffnet.
Die Gonaden sind paarig; bei den Chaetodermatidae sind sie sekundär unpaar, was
wahrscheinlich durch Verschmelzung der paarigen Gonaden züstande gekommen ist, weil
die Gonodukte der Chaetodermatidae in der Zweizahl vorhanden sind. Auch sind die Chaetodermatidae
getrennt geschlechtlich (diözisch), während alle übrigen Solenogastren Hermaphroditen
sind. Meines Erachtens ist der Hermaphroditismus primitiv bei den Solenogastren,
weil sie und ihre nächsten Verwandten, die Turbellarien, welche auch Hermaphroditen
sind, auf gemeinsame Vorfahren zurückzubringen sind. Die Gonaden münden mittels
der gono-perikardialen Gänge in das Perikard. Dieses ist nun nicht, wie N i e r s t r a s z ausführlich
erörtert hat (S. 76), als ein Zölom zu deuten, sondern ursprünglich als ein Eiersack,
der durch partielle Verschmelzung von paarigen Gonodukten gebildet worden ist.
Obgleich sich diese Behauptung nicht direkt beweisen läßt, spricht die P aarigkeit der gono-
perikardialen Gänge und der Gonodukte doch dafür. E rst später ha t sich an der dorsalen
Wand dieses Sackes, im Zusammenhang mit der Lokalisation der Atmungsorgane im Analraum,
ein Herz ausgebildet. Die paarigen Gänge, welche das Perikard mit dem Analraum
verbinden, sind somit nicht als Zölomodukte zu deuten, sondern als Gonodukte oder, wenn
man will, als Analraumgänge. So betrachtet, muß also die Verbindung von Gonaden mit
Perikard, sowie das Getrenntbleiben der Gonodukte (Schalendrüsen) als primitiv angesehen
werden, während die Gonodukte der Chaetodermatidae (und der übrigen Solenogastren1?)
sekundär die exkretorische Funktion erlangt haben. Die Gonodukte der Solenogastren sind
mit den Nieren der Chitonen homolog, während die Chitonen sekundär eigene Gonodukte
ausgebildet haben. Auch der Zusammenhang zwischen Gonade und Perikard ist bei den
Chitonen verloren gegangen, sodaß die Chitonen in diesen Hinsichten höher entwickelt sind
als die Solenogastren.
Die Ausführungsgänge tragen blasenförmige Anhangsgebilde, welche Sperma enthalten.
Die Frage, ob es sich um Receptacula seminis oder um Vesiculae seminales handelt, ist
sehr schwer zu lösen. Das Vorhandensein von Kopulationsorganen und das Vorkommen von
Kopulation deuten darauf hin, daß Receptacula Seminis nicht fehlen werden. Mit H o f f -
MANN (12, S. 87) ist es vorläufig am besten, ein topographisches Kriterium anzunehmen und
die Blasen an den Übergangsstellen der Gonodukte in die Schalendrüsen als Receptacula
seminis und die, welche in der Nähe des Perikards liegen, als Vesiculae seminales zu deuten.
In der Nähe des Analraumes liegen akzessorische Organe, deren Funktion zwar unbekannt
ist, welche aber doch sehr wahrscheinlich dem Geschlechtsapparat zuzurechnen sind und
der Begattung dienen. T h i e l e (37, S. 292) und N i e r s t r a s z (23 a, S. 248) unterscheiden zwischen
Penisstacheln, Kopulationsstacheln (= Kloakenstacheln nach T h i e l e ) und abdominalen
Hakenbündeln. Weil nun, wie H o f fm a n n (12, S. 89) richtig bemerkt, nichts Tatsächliches
über die Funktion dieser Gebilde bekannt ist, ist es auch nicht erwünscht, eine so
scharfe Trennung durchzuführen. Mit H o f fm a n n (12, S. 89, 90, 91) spreche ich denn
auch von: Kopulationsstacheln mit Drüsen, Kopulationsstacheln ohne Drüsen und von Abdominalstacheln.
Letztere liegen direkt in der Nähe der Analraummündung, während die
beiden ersteren in den Analraum in der Nähe der Schalendrüsenöffnung münden. Über den
Zusammenhang dieser Gebilde läßt sich noch wenig mitteilen. Auch die bei mehreren Arten
vorhandenen drüsigen Analraumdivertikel dürften mit der Kopulation im Zusammenhang
stehen.
Die meisten Autoren betrachten das Herz der Solenogastren als ein in Reduktion begriffenes
Organ. H o f fm a n n (12, S. 95) und N i e r s t r a s z (21, S. 42) nehmen aber auch für-das
Herz eine progressive Entwicklung an. N i e r s t r a s z hat diese Frage an einem umfangreichen
Material ausgearbeitet. Es ist bemerkenswert, wie wenig N i e r s t r a s z ’ geistvolle
Ideen, was die Bildung des Solenogastren-Herzens anlangt, berücksichtigt worden sind.
Handelt es sich doch um eine Vorstellung der phylogenetischen Entwicklung des Molluskenherzens!
Kurz zusammengefaßt stellt N i e r s t r a s z sich folgendes vor: Die medianen
Wände der perikardialen Hörner, ebenso wie die medianen Wände der gono-perikardialen
Gänge stülpen sich ein, im Zusammenhang mit der Lokalisation der Atmungsfunktion in
der Analraumwand und der Zufuhr des Blutes dieser Gegend zum dorsalen Sinus, was der
dorsalen Wand des Perikards entlang stattfand. Die Einstülpungen wurden kontraktil und
dehnten sich auf die dorsale Wand des Perikards aus. Die paarigen ventrikulären Ein