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 und sind die gierigsten T rinker. Arten, die  als Wanderer  bekannt  und  fast  immer  auf  dem  
 Fluge  sind,  auch  Blüten mehr  antippen  als  besuchen  (Catopsilia,  Appias,  Prioneris),  trin ken  
 lange  und  ausdauernd  und  oft  in  Massen  beisammen,  und  es  ist  fast  nu r  an  Trinkplätzen  
 an  die  wilden  und  ruhelosen  Flieger  heranzukommen.  Dercas  lycorias  habe  ich  
 an  Blüten  nicht  gesehen,  ihre  orangerote  südliche  Form  (nina  Me ll )  wurde  fast  nur  an  
 Baehrandstellen  in  größerer  Zahl  zusammen  gefunden  und  zwar  meist  an  einem  eng  begrenzten  
 Platze  mehr  Tiere,  als  sonst  im  gleichen Waldgebiete  im  ganzen  Jah re   beobachtet  
 wurden.. Eine  Erscheinung,  die  auch  fü r Pieriden  andrer  Erdteile  gilt,  und  darum  
 in  Trockenlandgebieten Wasserstellen  zu den besten Fangplätzen fü r sie macht. Daß  beim  
 gierigen  Durchspülen  des  Körpers  (Abkühlung?)  dem  trinkenden  Falter Wasser  aus  der  
 Analöffnung tropft (Catopsilia, Terias, Dercas), wurde  einzeln  beobachtet.  Von  den  amerikanischen  
 Catasticta  berichtet  es Dr.  H a h n e l   und fügt hinzu: Werden sie in ihrer Trinkgier  
 zuweilen  von  der  Strömung weggespült,  so  erheben  sie  sich  wieder  aus  dem Wasser,  
 fliegen  zurück  auf  die  vom  Bache  bespülten  Steine  und  saugen weiter. 
 c)  Au s l ö s e n d e r   Be i z   b e i m   Au f s u c h e n   e i ne s   B u h e p l a t z e s   ist  seine  optische  
 Übereinstimmung  mit  der  Flügelunterseite  des  suchenden  Tieres.  Bei  den  auf  der  
 Unterseite  grellbunten Delias  gibt  es  kein  kongruentes Muster  in  der  unbelebten  Umwelt-,'  
 sie  gehen  darum zur Buhe dahin, wo  der Kontrast zwischen  ihrer Buntheit und der Farbe  
 der  Umgebung  aufgehoben  ist.  Das  geschieht  im Dämmern  vom Blattgewirr  des Unterholzdickichts. 
  Hier  sitzen sie auf der Blattunter-,  gelegentlich  auch  auf  der Blattoberseite  
 und  wirken,  da  alle  Farben  zu  Schatten  zusammenfließen,  wie  ein  schwer  abgrenzbarer  
 zusätzlicher  Schatten  (aglaia,  hypärete  auch  das  eine  in  der Buhe  angetroffene Tier  von  
 Prioneris). 
 Alle  ändern  Arten  wählen  zur  Tages-  oder  Nachtruhe  einen  Ort,  dessen  Farbe  mit  
 der  ihrer  Unterseite  harmoniert.  Spezies  mit  grün  gemaserter  Unterseite  (Pontia  dapli-  
 dice,  Synchloe  callidice,  chloridice,  Anthocharis)  haben  es  in  dieser  Hinsicht  leicht,  sie  
 verschwinden  im  Grün-Weiß-Mosaik  von  Blütenständen  und  Endtriehen  fast  aller  Stauden  
 und  zwar  schon  auf  der  Blattoberseite. Das Braunweiß  von Hebomoia  scheint  seinem  
 Träger  erst im Sitz  auf  trockenen Blättern  harmonisch  aufgelöst.  Darum  sitzt  Hebomoia  
 in  der Buhe  auf  der Unterseite  dürrer  oder  stark  fahler  Blätter  am Zweig  oder  auf Fall-  
 laub  am Boden. 
 Gonepteryx  kann  sich  für  kurze  Zeit  auf  der  Oberseite  eines  schon  leicht  gelblich  
 gewordenen  ColcMcum-  oder  sonstigen  Blattes  niederlassen,  fü r  längere  Buhe  ist  sein  
 transparentes  Grüngelb  am  sichersten  auf  der  Blattunterseite  gedeckt.  Auch  Ix ia s  ruht  
 auf der Unterseite von Buschblättern und meist  recht  nahe am Boden. Und  die Findigkeit  
 von  Calias,  auf  der  Oberseite  eines  Pflanzenteiles  sitzend  sich  farblich  der  Umgebung  
 einzusehmiegen,  ist  immer  wieder  erstaunlich. 
 Hoch  entwickelt  ist  das  Gefühl  fü r  feinste Umgehungsharmonie  hei  Pieris,  Leptidea 
 u.  a. Sie ruhen auf  der Oberseite von Pflanzehteilen, und das Drängen von 3—4—5 Tieren  
 um  die  gleichen,  fü r menschliche Augen  nu r wenig von den ändern verschiedenen Blätter  
 oder Blütenköpfe  ist  auffallend. Wahrscheinlich  regt  das  Beispiel  eines  Tieres  zur  Nachahmung  
 an:  Pieris  brassicae  fand  ich  in  meinem  Berliner  Garten  wochenlang  jeden  
 Abend  zu  10—20  Stück  in  einem  Bandgrasdickicht  (Phalaris  arundinacea  picta),  dessen  
 blaß  gestreifte  Blätter  sie  verschwinden  ließen.  In   einem  ändern  Jahre  übernachteten 
 sie  zu  ^ - 2   Stück  in  Magnolienblüten.  Pieris  canidia  sab  ich  oft  auf  den  weißen  Blüten  
 des Wegrandunkrautes  Ageratum  conyzoides  zu  Vieren  und  Fünfen  nebeneinandersitzen  
 oder  auf  den  wenigen  gelblichen  Blättern  andrer  Pflanzen  sich  zusammendrängen  und  
 gegenseitig  bevorzugte  Stellen  streitig  machen. 
 Einer  der  wenigen  Tagfalter,  bei  dem  Ober-  und  Unterseite  gleich  gefärbt  und  gezeichnet  
 und  beide  fast rein weiß sind,  ist Aporia crataegi. E r  übernachtet auf den Blütenköpfen  
 von  Scabiosa,  von  Knautia  und  ändern  zur  Flüssigkeitsgewinnung  aufgesuchten  
 Favoritblüten.  Der  Kontrast  seiner  Flügelfarbe  mit  der  der  Umgebung  scheint  für  ihn  
 dadurch  aufgehoben,  daß  sich  mehrere  Tiere  zu  einer  A rt  Traube  Zusammenhängen. 
 d)  D ie   g e s c h l e c h t l i c h e   An z i e h u n g   wi r d   d u r c h   di e  G r u n d f a r b e   d e r   
 A r t   a u s g e l ö s t :   weiße  tote  Pieris  werden  auch  von  ändern  Pieris,  auch  von  Anthocharis  
 angeflogen, gelbe tote Gonepteryx auch von  TeriäS,  Catopsilia, Colias. Auch  Papiernachahmungen  
 hatten  den  gleichen  Erfolg.  Der  Anflug  Von  Pieris  napi  an  die  runden  
 weißen  Fruchtstände  von  Taraxacum  ist  wohl  auch  als  Guschlechtsanflug  zu  deuten. 
 N a e h w i r k e n   e in e s   F ä r b  r e i z  es.  Die  Notizen  über  BlütenbesUch  wurden  an  
 Orten  gemacht,  an  denen  Blüten  aller  ändern  Farben  reichlich  vorhanden  waren,  also  
 keine  Not-  oder  Verlegenheitswahl  getroffen  wurde.  Das  Nachwirken  eines  Farbreizes,  
 also  das  schneller  Apperzipieren  einer  Plusreaktion,  war  deutlich  (eine  P.  napi  besuchte  
 42mal  hintereinander  Primula  farinosa,  ehe  sie auf  eine andre Blütenfarbe  überging,  bei  
 P.  brassicae  wurden  65  Anflüge  als  Höchstbesuch  der  gleichen  Blütenfarbe  (Scabiosa-  
 Stachys)  festgestellt.  Geographische  oder  lokale  Unterschiede  im  Blütenbesuch  wurden  
 nicht  beobachtet. 
 Ein  Hebomoia-9  hatte  sich  soeben  (17  Uhr)  auf  einem  Büschel  trockener  Sterculia-  
 Blätter  in  3  m Höhe  am Wahlrunde  niedergelassen. Bei meiner Annäherung p rallt  sie  ab  
 und  schießt  suchend,  doch  viel  langsamer  als  sonst,  über  4— 6 m  vom Ort  entfernte Äste  
 des  Waldrandes.  Sie  beflattert  auch  einzelne  Blätter  so  nahe,  daß  ich  trotz  der  späten  
 Stunde an ein Tier bei  der Eiablage denke. Nach  6 Minuten  schießt  sie  aus  etwa  £0-10  m  
 Entfernung  in  einem  Hui  auf  die  Sterculia  zurück  und  fällt mit einem  plötzlichen Bucke  
 —  sodaß  ich  glaube,  die  Flügel  klappen  gehört  zu  haben I -   auf  dem  gleichen  Bündel  
 trockener  Blätter  ein,  von  dem  ich  sie  aufgescheucht  hatte.  Sie  ha t  also  trotz  des  Halbkreises, 
   den  sie  im  Fluge  geschlagen  hat,  nicht  nur  eineiikinästhetische  Erinnerung  ihres  
 Weges,  sondern  auch  eine  über  6 Minuten  naehwirkende Apperzeption  einer  im  Zustand  
 der Buhebedürftigkeit sympathische F ä rb u n gH - Tabelle S.  26. 
 Pieriden  sind  also  hinsichtlieh  ihrer  Nährungswahl  ausgesprochen  uniform.  Eine  
 Ar t ,   die monophag  für  eine Pflanzenspezies  oder  auch eine Pflanzengattung wäre,  ist bisher  
 nicht  bekannt.  Ja ,  sogar  Monophagie  für  eine  Pflanzenfamilie  i s tE -   abgesehen  von  
 Aporia  crataegi,  die  trotz  mancher  xenopbagen  Aussehläge  bei  Zimmerzuchten  als  Spezialist  
 für holzige Rosaceae Pruneae und Pomeae anzusehen ist — nicht spezifisch,  sondern  
 die  Spezialisation  fü r  eine  Pflanzenfamilie  ist  unter  Pieriden  Gattungsmerkmal  (Aporia:  
 Berberidaceae;  Delias:  Loranthus-Loranthaceae,  weniger  oft  Santalaceae;  Gonepteryx:  
 Rhamnus  bzw.  Rhamnaceae  u.  a.).  Noch  häufiger  ist  der  Fall,  daß  mehrere  Genera  von  
 Pieriden  sich  von  Pflanzen  des  gleichen  Genus  oder  der  gleichen  Familie  (Loranthus:  5 ,  
 Cruciferae:  6,  Capparisi  11,  Capparidaceae:  13 Genera)  ernähren. 
 Diese Unspezialisiertheit  in  der Nahrungswahl  zeigt  sieh  auch  darin,  daß  ehemotek-  
 tische  Aussehläge  einer  Spezies  nicht  spezifische  Sonderreaktionen  sind,  sondern  in  das 
 Zoologien, Heft 100.