
den Winter am Zweige zu halten, auch wenn es von der Verwachsungsstelle gelöst ist.
Das erleichtert den Raupen im nächsten Priihlinge das Wiederauf finden der Nahrungsstoffe,
ja es ermöglicht vielfach überhaupt (Aporia crataegi). Die Raupen von A. agathon
spinnen sich auch zur Verpuppung zu 10—12 unter einem uhrglasartigen dünnen
Gewebe an.
Braun oder gegensätzlich gefärbte Raupen, die nicht im Schatten der Blattunterseite
oder am Zweige ruhen, suchen den Kontrast zwischen ihrer eigenen Farbe und dem Grün
der Blätter dadurch aufzuheben, daß sie sieh mit den aus dem gleichen Eihaufen geschlüpften
Geschwistern zu einem Haufen zusammenballen (Delias). Auch Pieris brassicae tun
das, denn sie wirken trotz ihrer grünen Grundfarbe B - durch den schwarzen Kopf und
die dicht stehenden und vergleichsweise großen schwarzen Tuberkel der Gegend von der
Stigmatalzone bis zur gelben Dorsal^ J l schwärzlich. Haben die Altraupen von brasSicai);-
den Kontakt mit ihren Geschwistern verloren, so schließen sie sich einem Gelege jüngerer,
auch viel jüngerer Raupen an.
Alle ändern Pieridenraupen leben einzeln, im ersten Stadium meist auf der Blattr
Unterseite, dann auf der Oberseite und zwar der Mittelrippe entlang liegend. Noch mehr
als bei ändern Lepidopteren (Papilioniden-, vielen Nymphaliden-, Amathusiiden- und
Satyriden-)Raupen ist bei Pieriden jede Ortsbewegung mit Spinnen gekoppelt. Alle be-
spinnen den Sitzort recht dicht und halten sieh mit den Beinen in diesem Gespinst. Alle
sind langsam und ausgesprochen bewegungsunlustig. Viele (Delias, Anthocharis, Ixias,
Hebomoia, Gonepteryx, Catopsilia u. a.) heben in leichter Alarmierung den Vorder leib vom
Blatt ab und pressen dabei den Kopf leicht nach vorn, manche heben zugleich das Analende.
Delias aglaia u. a. recken bei Erschütterungen des Sitzortes den Thorax etwa recht-
winklig seitwärts.
Eine spezifisch entwickelte und optisch sehr wirksame Abwehrreaktion hat unter südchinesischen
Pieriden nur Hebomoia entwickelt. Beim Auf richten des Vorderleibes preßt
sie den Hinterrand des Kopfes in das Pronotum, sodaß er dreieckig nach vorn steht, zieht
die Brustfüße in ringartig vor quellende Bauch wulste, sodaß sie verschwinden, und preßt
die Knopfwarzen des Subdorsalkiels seitlich vor, sodaß die größeren schwarzgrün und
rot glänzenden Tuberkel des 2. und 3. Segments stark seitlich vorstehen und wie funkelnde
Augen einer wütend hochgereckten zwergigen Kobra erscheinen. Jeder, dem diese Abwehrstellung
von Hebomoia zum erstenmale im Freien entgegentritt, wird vor diesem überraschenden
Bilde einer „zornig erregten Miniaturschlange“ zurückzucken.
Gefaßt, pressen die meisten Pieridenraupen grünen Nahrungsbrei aus der Mundöffnung,
solche auf niederen Pflanzen lassen sich bei Berührungen vielfach fallen.
Die V e r p u p p u n g s f ä r b u n g besteht bei den meisten Arten nur in einem Fahlwerden
der Leibesfarbe. Allein bei Delias hyparete ist sie ein von der Normalfarbe scharf
abgesetztes fahles Chromgelb, bei Aporia agathon ein ebenso plötzlich auftretendes Hellgrün,
in beiden Fällen Antizipationen der Puppenfarbe. Raupen mit Grün als Grundfarbe
verlieren in Verpuppungsnähe ihre Buntheit oder Leuchtkraft und werden fahl hyalin.
Än d e r u n g e n in d e r T a x i s b e im E i n t r e t e n d e r V e r p u p p u n g s f ä r b u n g .
Delias aglaia verpuppen sich da, wo sie gefressen haben; bei ihnen treten also in
Verpuppungsnähe keine Änderungen in Photo- oder Geotaxis auf. Von belladonna, habe
ich nur eine größere Raupengesellschaft gefunden, etwa 1,7—2 m über dem Boden. Der
Schluß, den man daraus ziehen könnte, daß bei ihr Raupen- und Puppenbiotop viel tiefer
liegen als der Aktivitätsbiotop der Imago, scheint zweifelhaft: der Aktivitätsbiotop der
Imago ist im allgemeinen der Sexualbiotop, in dem auch die Eiablage erfolgt, die eine
beobachtete Ablage in Erdnähe ist demnach bei der Art wohl Ausnahme. Etwa 20 gesehen
e Raupenkolonien von D. hyparete waren 5— 8 m hoch. Beim Ein tritt der Verpuppungsfärbung
lassen sich die Raupen an Spinnfäden von den Baumkronen herab oder
wandern abwärts und verpuppen sich einzeln etwa 1,50 bis 1 m über dem Grunde an Ästen
oder Blättern. Bei ihnen tritt also mit der Verpuppungsreife ein gegensätzlicher Umschlag
in Photo-, Geotaxis und Geselligkeitsinstinkt ein30).
Ähnliche Verschiedenheiten innerhalb des gleichen Genus zeigen sich bei Aporia
(Metaporia). Von den beiden einander sehr nahestehenden und an der gleichen Berberis
fressenden westchinesischen Arten, largeteaui O b e r t i i . und agathon Gr., sitzt largeteaui
als Raupe auf der Unterseite der großen starren Fiederblätter und verpuppt sich auch
dort, M. agathon Gr. geht (teste M a c k i n n o n ) zur Verpuppung an den Boden, also etwa
2 m und mehr abwärts und spinnt sich dort im Fallaub am Fuße der Nährpfianze an.
Man könnte geneigt sein, anzunehmen, daß die fahlg'elbe Verpuppungsfärbung von
Delias hyparete (Normalfarbe lederbraun) von der Raupe als störender Kontrast empfunden
und in tieferen und dunkleren Teilen des Baumes gemildert wird und darum das
Heruntergehen in bodennähere Räume erfolgt. Aber bei Aporia agathon ist die Verpup-
pungsfärbung grün (Normalfarbe braun), und die Raupe verläßt doch die harmonisch
gefärbten grünen Blätter und geht in eine konstrastierende Umgebung — braunes Fall-
laub. Bei ihr ist also kein optischer Reiz, sondern die Kombination von positiver Geotaxis
und Heliophobie der bewirkende Faktor, und das gleiche läßt sich auch für die genannte
Delias als sehr wahrscheinlich annehmen. Das Verhalten von agathon ist der einzige bisher
gemeldete Fall eines Gegensatzes: zwischen. plötzlich entstandener kontrastierender
Vorpuppen- und Puppenfarbe und gewähltem Verpuppungsort.
Bei ändern Spezies, die an Holzgewächsen fressen, wie Hebomoia oder Ixias, wirken
sich diese positive Geotaxis und Heliophobie gleichfalls aus, wenn auch weniger ausgeprägt.
Bei Pieridenraupen wärmerer Gegenden, die an immergrünen Stauden leben (Pieris cani-
dia in Südchina), verpuppen sich in der Regel am Fraßplatz, solche an nicht holzigen
Gewächsen temperierter oder kalter Räume, die als Puppe überwintern (Pieris, Synchloe,
Anthocharis) werden in der Verpuppungsreife negativ geotaktisch und gehen an holzigen
Körpern an Stein und Mauerwerk aufwärts („weil“ die Nährpflanzen im Winter oberirdisch
absterben und unterm Schnee verfaulen). Ausbleiben oder Eintreten einer entgegengesetzten
Geotaxis und Heliophobie stehen also in Beziehung zu klimatischen E rfordernissen.
Als das Ursprüngliche dürfte Gleichbleiben der Taxis oder Eintreten positiver
Geotaxis anzusehen sein (Eucheira, Metaporia-Aporia, Delias). Das Eintreten einer
negativen Geotaxis bei Pieris ist wohl, entstanden aus der Unfähigkeit, sich bei einer durch
Verpuppungsnähe u n d verminderter Temperatur entstandenen Schrumpfung und Starre
der Raupenfüße an weichen und glattwandigen Oberflächen zu halten. So geraten sie infolge
ihrer Schwere auf den Boden, auf den sie auch sonst oft gelangt waren (sie lassen
30) Infolge dieser stark ausgeprägten Geotaxis geraten die verpuppungsreifen Scharen der hyparete-Raupen augenfällig
in menschliche Sicht, und so ist hyparete nicht nur eine der wenigen Delias, deren Raupen bekannt geworden sind,
sondern sie ist m. W. das einzige Lepidopieron, von dessen Raupe bisher überhaupt allein die Verpuppungsfarbe bekannt
war: Die neun Autoren (s. Fußnote S. 91), die bisher Angaben über die hyparete-R&xipe machten, beschrieben alle die
Verpuppungsfarbe als Normalfärbung.