Zellgrenzen bleiben nicht immer scharf erkennbar, und gegen Ende der Entwicklung werden
kleine Syncytien gebildet.
Im Verlaufe der Larvalentwicklung läßt sich bei Fulgora europaea auch die Anlage der
O v a r i a lmy c e t ome verfolgen, über deren Bau und Bedeutung als verlassene Sym-
biontenwohnstätten im speziellen systematischen Teil bei der Behandlung der Imagines
schon ausführlich gesprochen wurde. — Betrachtet man die jugendlichen Ovariolen einer
III. Larve (Abb. 222), so erkennt man unter den Endkammern, deren Elemente durch dichtes,
dunkles Plasma auffallen, die aber noch nicht in Nähr- und Keimzellen getrennt sind,
eine etwa kubische Zone hellerer, lockerer gebauter Zellen, deren Grenzen nicht scharf ausgebildet
sind und deren rundliche, chromatinärmere Kerne sich peripher in Form einer
Kugelschale anordnen, während das Zentrum merkwürdig zerfasert und aufgelockert erscheint.
Unterhalb dieser Zone, welche nach Lage und Bau zweifellos dem Ovarialmycetom
entspricht, schließt sich mit einer Schaltzone der Eikelch des Ovidukts an. Nicht allein der
Umstand, daß man diese merkwürdigen Zonen in den Ovariolen sonst nicht erklären kann,
beweist ihre Mycetomnatur. Sie besitzen auch gerade in diesem Zustand größte Ähnlichkeit
mit den Ovarialmycetomen der Fulgorinen F¡ und Fulgora confusa, welche die gleiche
Anordnung der Kerne und ebendie Auflockerung des Zentrums zeigen. Nur fehlen eben
die Symbionten! — Im V. Larvenstadium ist die Trennung von Keim- und Nährzellen in
den Endkammern der Ovariolen bereits vollzogen (Abb. 224). Die Nährzellen bilden im
Zentrum eine zusammenhängende Masse und besitzen sehr dichtes, intensiv blauviolett
färbbares Plasma; während sich die Keimzellen an der Peripherie und besonders im unteren
Teil der Nährkammer in ein- bis zweifacher Schicht ausbreiten. Sie vermehren sich
noch mitotisch, und ihr Plasma ist etwas lichter als das der Keimzellen. Unterhalb dieses
Keimzellenlagers befindet sich jeweils das Ovarialmycetom, seitlich schon umgeben von
Keim- und Follikelzellen. Offensichtlich infolge des Ausbleibens der Symbiontenbesiedlung
beginnt nun das Mycetom schon zu degenerieren. Es macht einen schrumpfenden und zusammenfallenden
Eindruck. Die Ordnung der Kerne ist gestört, obwohl die meisten noch
peripher liegen. Einzelne sind lappig und gebuchtet, alle sehr chromatinarm. Das helle,
lockere Plasma ist zu einer einheitlichen von Vakuolen durchsetzten, breiartigen Masse
zusammengeflossen; der zentrale Hohlraum ist verschwunden. So leitet dieser Zustand der
Ovarialmycetome schon deutlich zu dem über, den wir von den imaginalen Ovariolen bereits
kennen, wo dann Kernpyknosen und Plasmazerfall eintreten (Abb. 103). — Wenn sich
auch während der Embryonal- und Larvalentwicklung nirgends Symbionten gefunden haben,
die in jene Ovarialmycetome gehören könnten, so bestätigen die vorstehenden Beobachtungen
aufs neue die Annahme, daß es sich hier um verlassene symbiontische Organe
handelt, die der Wirtsorganismus immer wieder anlegt, obwohl sie gar nicht m ehr von
Symbionten als Wohnstätten benutzt werden.
Damit seien die Angaben über die postembryonale Entwicklung der symbiontischen
Einrichtungen von Cixius und Fulgora abgeschlossen. Die Verhältnisse bei den Imagines,
die Bildung von Infektionsformen und die Infektion der Ovarialeier sind im speziellen
systematischen Teil ausführlich dargestellt worden bezw. in dem vorstehenden Kapitel
schon wieder mit einbezogen worden, so daß damit die symbiontischen Zyklen von Fulgora
europaea und Cixius nervosus geschlossen behandelt und somit zwei Beispiele polysym-
bionter Zikadenzyklen in möglichster Ausführlichkeit vorgestellt worden sind (Fig. 29).
Abschließende kritische und zusammenfassende Bemerkungen werden im allgemeinen Teil
zu finden sein.
IV. Allgemeiner Teil.
Nachdem im Vor anstehenden unsere Kenntnisse über die symbiontischen Einrichtungen
der Fulgoroiden und ihren ontogenetischen Werdegang im einzelnen ausführlich zur
Darstellung gelangt sind, muß nun versucht werden, unter zusammenfassenden Gesichtspunkten
die allgemeinen Wesenszüge der Fulgoroidensymbiose aus der verwirrenden Fülle
dieses Tatsachenmaterials herauszuarbeiten, um sie dann vergleichend symbiontologischen,
systematischen und phylogenetischen Betrachtungen unterwerfen zu können. Dabei scheint
es zweckmäßig, zuerst die Verhältnisse bei den erwachsenen Wirtszuständen, später die
Übertragung der Symbionten auf die Nachkommenschaft des Wirtes und zuletzt die Entwicklung
der symbiontischen Einrichtungen während der Entwicklung des Wirtes zu behandeln.
A. Die allgemeinen Grundzüge der Fulgoroidensymbiose.
Meist wird mit der zunehmenden Erweiterung unseres Erfahrungs- und Tatsachenschatzes
die Einordnung der Einzelerscheinungen unter übergreifende Kategorien immer
schwieriger; und nachdem die Zahl der auf symbiontische Verhältnisse geprüften Fulgoroiden
durch die vorliegende Arbeit von 29 auf 186 angestiegen ist, kann es deshalb nicht
wundernehmen, daß die ordnenden und wertenden Aussagen, die B ü c h n e r im allgemeinen
Teil seiner monographischen Bearbeitung (1925) über die Fulgoroidensymbiose machte,
zum Teil der Erweiterung und Berichtigung bedürfen. Deshalb soll hier auch nicht im
ganzen auf sie eingegangen, sondern mit den erweiterten Kenntnissen ein neues Gebäude errichtet
und an den einzelnen Punkten auf den Wandel der Anschauungen hingewiesen
werden.
Die allgemeinste Aussage, die über die symbiontischen Verhältnisse der Fulgoroiden
gemacht werden kann, ist die, daß a l l e 186 b i s h e r u n t e r s u c h t e n A r t e n m i n d
e s t e n s e i n e n s ymb i o n t i s c h e n Mi k r o o r g a n i smu s (eine Hefe oder ein Bakterium)
b e h e r b e r g e n (siehe Tabelle I u .II) und daß die Verhältnisse bei allen Angehörigen
einer Art in konstanter Weise immer wieder auf treten. Da sich unter diesen 186 Fo rmen
Vertreter aus allen 11 Familien und aus 22 der insgesamt 30 Unterfamilien befinden,
ist mit großer Sicherheit anzunehmen, daß überhaupt alle Fulgoroiden wenigstens einen
symbiontischen Mikroben enthalten. Indes ist die Zahl der monosymbiontischen Arten relativ
gering (15), außer der Aphanine Lycorma nur die Mehrzahl der Derbiden, nämlich
jeweils alle Vertreter der B- und C-Gruppen der Derbinen und Meenoplinen (Mysidia,
Dnb, Dne, Dnf, Dng, Dnh, Dnp, Dnr, Dnx, Dnd; Dnc, Dn0 und Paranisia, Nisia atrovenosa).
Die übrigen 171 untersuchten Arten besitzen alle mehr als einen Symbionten, so daß man
die Fulgoroiden als überwiegend polysymbiontische Insekten bezeichnen kann. Unter ihnen
sind 100 disymbiont, also über die Hälfte aller untersuchten Arten, wobei zu beachten ist,