c) J a h r e s z e i t l i c h e r We c h s e l de s Ho r i z o n t a l - und V e r t i k a l a r e a l s , in
g e r i n g e r em G r a d e a u c h des Biotops . S t r e i c h e n und Wand e r n . Delias bella-
donna ist — wie schon gesagt — Charaktertier größerer geschlossener Hochwaldparzellen
in Hoch- und höheren Mittelgebirgslagen zwischen 2200 m (Yunnan) und 500 m (Kuang-
tung) hei benachbarten Gipfelhöhen von 5000 m (Yunnan) und 1200 m (Kuangtung). Am
6 . (2 Tiere) und 16. XI. (1 Tier) wurden 3 99 in der Canton-Ebene (Saho, 10 m, benachbarter
Gipfel 375 m, kleiner Dorfwaldrest und Obstplantagen) gefangen. Das sind 100 km
in der horizontalen und 500 m in der Vertikalen vom nächsten bekannten Flugplatz der
Art entfernt (Lofao, Suliugun). Selbst angenommen, daß die Tiere von einem Dorfwald-
rest zum ändern gewandert sind, haben sie 90 km Kulturebene, vielfach trockenes Reis-
feldland mit Gipfelhöhen von höchstens 470 m (lmal) überquert. Am gleichen Orte (Saho)
wurde ein 9 von Dercas verhuelli, einem typischen Unterholzschlüpfer des Regenwaldes,
gefangen, deren nächstes Vorkommen horizontal 90 km, vertikal 300 m entfernt ist (Lofao:
Waschatoui).
Delias aglaia ist sehr häufiger Bewohner von Wald und von Baumbeständen zwischen
400—100 m. Von Anfang November bis März, also in der kühltrockenen Zeit, ist sie in
den Gärten von Canton als Imago und Raupe zahlreicher als sonst und mit größter
Wahrscheinlichkeit als aus Hügel- und Bergland zugewandert zu betrachten.
Pieris canidia, Terias hecabe und blanda sind von Ende Oktober bis April in der
wald- und buscharmen Canton-Ebene die häufigsten Rhopaloceren, Terias herla ist viel
häufiger als sonst, und besonders Dezember bis Mitte März verschwinden andre Spezies
zahlenmäßig fast11) neben ihnen. Von Ende Mai bis August ist ihre Zahl in Ebene und
Kulturland geringer oder viel geringer, und die in Mittelgebirgslandschaften und besonders
in Wald- und Buschlandgebieten hat zugenommen. Der Kulturfolger Pieris canidia,
der von November bis April allbekannter Schädling der Gemüsekulturen ist, dringt dann
auch in und durch den Hochwald und weiß die wildwachsenden und kultivierten Cruci-
feren an und auf den kleinen Rodungen im Wald zu finden. In Westyunnan liegt seine
obere Vertikalgrenze um 2300 m, um die Jahresmitte (VII.—VIII.) wurde er noch auf
2900 m, in Ladak bis 3300 m beobachtet.
81 (55 9, 26 cf) frisch geschlüpfte, gezogene P. canidia wurden am 28. Mai 1917 von
der zweiten Station der Canton-Hankau-Bahn (Shiuping) fliegen gelassen, 80 gefangene
(57 9, 23 cf) und anscheinend alles frische Tiere, dazu 10 aus Raupen vom Lungtaoshan
erhaltene am 4. VII. 1917 von der gleichen Station aus. Alle Tiere waren dadurch gekennzeichnet,
daß mittels einer Schere ein schmales Stück der Zwischenaderfelder herausgeschnitten
war. Von der ersten Serie wurde 1 9 am 4. VI. bei Fungwahn (24,5 n. Br.),
von der zweiten 2 99 am 9. und 10. VII. an den Hängen (700 m) und auf den Höhen des
Lofao (1100 m) wieder gefangen. Das 9 der Maiserie war also 140 km nördlich, die beiden
Julitiere etwa 75 km nordöstlich und 700—1100 m aufwärts gewandert.
Mit Beginn der kühltrockenen Zeit (Anfang XI. in der Canton-Ebene, im Nordgebiet
und in Bergländern schon von Ende IX. an) ziehen also 6 von 7 der genannten Spezies
aus Mittelgebirgslagen von 800—1200 m bis auf Meeresniveau herab und streichen dabei
horizontal bis 150 km weit. Bei der letzten Art, Dercas verhuelli, die als Imago überii)
Nur Mycalesis mineus, Melanitis leda, Precis ulmana und orythia, Zizera, Catochrysops sind annähernd gleich
zahlreich.
wintert, setzt dieser Drang erst zur Zeit der Eiablage ein (März), bleibt aber bei ihr an-
scheinend Ausnahme.
Die Rückwanderung nach Norden und in höhere Mittelgebirgslagen wurde für die
Art, deren Jugendstadien mit Leichtigkeit zu erhalten waren, Pieris canidia, nachgewiesen.
Nordwärtswanderungen bei Beginn der Vormonsunperiode (IV.) erfolgen anscheinend bei
beiden chinesischen Appias und vielleicht wandern sie in Kuangtung alljährlich im April
von Süden her ein, machen eine Brut hier durch und wandern im Ju n i — später wurde
kein Tier mehr gesehen Ä wieder ab1' * In der heißen Zeit wandert anscheinend in
Kuangtung Catopsilia crocale ein. Sie tritt dann plötzlich in einiger Zahl und für Tage
an Orten auf, an denen sie sonst fehlt, und vor allem — überraschend für ein Tropen-
tier — i i Mittel- und Hochgebirgslagen (N-Kuangtung: Mahn tsi shan 24. VIII., 800 m,
N-Fukien: Kwangte 2, 17. VIII., 500 m, W-Yunnan: Atuntse-Batang, 2800—3800 m,
10 Cf Cf, 10 . und ;2 1 . VI.). Außerhalb Chinas sind Appias sowohl wie Catopsilia als Massenwanderer
bekannt.
K l e i n [13] gibt auf Grund experimenteller Untersuchungen für Pieris brassicae an,
daß bei Temperaturen über _t_25 C keine Eiproduktion mehr stattfindet und bei +28° C
ohne Unterschied in der Luftfeuchtigkeit die Eiablage aufhört. Aus Nordindien (Gh o s s ,
Ma ck in n o n , BELLp|st gemeldet, daß P. brassicae in den kühleren Monaten des Jahres
in die Tiefländer am Fuße des Himalaya — und bis etwa 180 km von den Bergen entfernt
nach Süden — streicht und dort mehrere Generationen durchmaeht. Bei Temperaturen
von 25 0 aufwärts wandern die Imagines wieder in höhere Mittelgebirgslagen am Hange
des Himalaya zurück.
Bei Pieris canidia Spa r rm . erfolgt in der Canton-Ebene eine Verminderung der In dividuenzahl
und ein Ab wandern in Gebirgslandschaften, und nach Norden von Ende
Mai an, das heißt in einer Zeit, in der Temperaturen unter 28° C nicht häufig oder nur
Ausnahmen sind13).
Das bedeutet, daß Pieris brassicae und canidia bei Temperaturen, die — wie die Hemmungen
in Entwicklung und Ablage der Eier zeigen — ein Pejus darstellen, abwandern.
Und zwar in der kühltroekenen Zeit nach Süden und abwärts, in der heißen Zeit nach
Norden und aufwärts, also nach Gebieten, die der Ausübung der Geschlechtsfunktion
günstiger sind. Damit ist die Ursache der gerichteten jahreszeitlichen Wanderung für
diese beiden Arten gezeigt, und diese Deutung kann ohne Bedenken nicht nur auf die
ändern streichenden Pieriden, sondern auch auf alle streichenden und wandernden Lepi-
dopteren im Untersuchnngsgebiet übertragen werden.
Diese hochgradige Empfindlichkeit und Feinfühligkeit der Imago, also der Ge-
sehlechtsphase, gegenüber einer bestimmten meteorologischen Kombination, und die aus
ihr entstandene Reaktion, den Schädigungen der Sexualsphäre durch Abwandern auszuweichen,
ist bei keiner Lepidopteren-Familie so verbreitet wie bei Pieriden und Danaiden14!
Dieses Ausweichen durch Streichen und W andern ist außer von den oben genann-
1-) Mackinnon und Nickville 'berichten, daß um Mussoarie Appias lalage gleichfalls nur IV .—V. auftritt und stets
von Osten nach Westen fliegt.
13) Minima etwa -(- 250 C.
w) Unter 28 Pieriden des Gebiets bei 10 = 35,7 v.' H., unter 14 Danaiden bei 3 = 21,7, unter 85 Nymphaliden bei
9 = 10,5, unter 89 Sphingiden bei 9 - 10,1, unter 69. Lycaeniden bei 4 = 5,8 v. H. bekannt geworden. Die vor allem unter
Pieriden und Danaiden außerordentlich hohen Zahlen kennzeichnen das Grenzareal (unter 963 Pieriden-Ppezies aller Erdteile
streichen und wandern 69 = 7,2 v.H.).