
Um den Anschluß an den ersten Teil meiner Arbeit herzustellen und eine übersichtliche
Kenntnis der in Frage stehenden Symbionten und Mycetome zu vermitteln, beginne ich
die Schilderung des Zyklus nicht mit dem befruchteten Ei, das ja den Ausgangspunkt
eines jeden Individualzyklus darstellt, sondern greife noch einmal auf die symhiontischen
Einrichtungen der Muttertiere und auf die Ausstattung der Ovarialeier mit Symbionten
zurück.
Im systematischen Teil wurde an vielen Beispielen gezeigt, wie jedes Ovarialei zur
Zeit seines Wachstums neben Bau- und Reservestoffen zugleich auch eine bestimmte Sym-
biontenmenge aus dem Vorrat des mütterlichen Symbiontenschatzes mitbekommt. Diese
Infektionsmasse wird auf kompliziertem und genau festgelegtem Wege — meist über bestimmte
Follikelzellen des hinteren Eipols, selten von oben her mit dem Nährplasmastrom
— als ein bestimmt geformter Symbiontenballen in das hintere Ende des Eies eingelagert
und setzt sich aus den Vertretern aller derjenigen Symbiontensorten zusammen, die in den
Mycetomen oder im Fettgewebe der betreffenden Zikadenart leben. Die Symbiontenballen
polysymbionter Formen stellen infolgedessen ein Gemisch so vieler Symbiontentypen dar,
als der Wirtsorganismus beherbergt. Davon machen nur diejenigen Fulgoroiden eine Ausnahme,
unter deren Symbiontengarnitur sich Riesensymbionten (im X-Organ) u n d Rek-
talsymbionten (nur beim Weibchen!) befinden, denn dann beträgt die Zahl der Symbiontentypen
im Infektionsballen n—1, wenn n die Zahl der Symbiontensorten in der weiblichen
Imago bedeutet. Stets läßt sich in diesen Fällen nacbweisen, daß hier Vertreter der Riesensymbionten
im Symbiontenballen fehlen, diese also scheinbar nicht weiter vererbt werden,
sondern mit jeder Imago aussterben. Ich habe schon in der Einleitung ausführlich geschildert,
wie B ü c h n e r aus dieser Tatsache und dem Umstand, daß die Rektalorgane stets
nur im weiblichen Geschlecht bei den Arten Vorkommen, die auch X-Organe besitzen, folgert,
daß sich die Riesensymbionten in jedem Embryo aufs neue von Rektalsymbionten
abspalten müssen. Die folgenden Kapitel werden den Beweis für die Richtigkeit dieser
Hypothese erbringen.
Die I n f e k t i o n d e r O v a r i a l e i e r von Fulgora europaea und Cixius nervosus ist
im systematischen Teil schon ausführlich, zum mindesten an nahe verwandten Formen
(Cixius: Cxh) geschildert worden. Hier sei nur übersichtshalber an Hand einiger Abbildungen
noch einmal die Identität der im Symbiontenballen auftretenden Symbiontenfor-
men mit den Infektionsformen in den entsprechenden Mycetomen des Muttertieres und
damit der Symbiontenbestand der beiden Gattungen überhaupt behandelt.
Der S ym b i o n t e n b a l l e n des ablagereifen, von Chorion behäuteten Ovarialeies v o n
F u lg o r a (Abb. 173) ist kugelig und etwas in den Dotter des hinteren Eipoles eingesenkt,
so daß er die Eioberfläche von innen nicht mehr berührt, sondern höchstens auf einem kleinen
Sockel des Keimhautblastems ruht. E r enthält drei Symbiontensorten, die sich leicht
mit den Infektionsformen der Mycetome des Muttertieres identifizieren lassen.
1. Große, dunkle, gedrungene, oft fast ovale Kurzschläuche werden in den Infektionshügeln des paarigen a - O r g a n s
aus den gestreckteren, helleren und meist stärker vakuolisierten Normalformen desselben gebildet (Abb. 171b).
2. Viel kleinere, schlankere, oft gebogene Kurzschläuche mit nur wenig hellerem und lockererem Plasma, in dem bei stärkster
Vergrößerung zarte, eosinophile Punktgranula zu erkennen sind, stammen aus dem R e k t a l o r g a n , wo sie in
den peripheren Schichten der Mycetocyten entstehen und sich zwischen den Epithelien derselben zu kleinen, linsenförmigen
Nestern ansammeln. Sie unterscheiden sich von ihren Stammformen kaum durch etwas dichteres Plasma (Abbildung
171a).
3. Sehr kleine, zarte, bakterienartige Stäbchen finden sich in der gleichen Ausbildung in dem unpaaren m - 0 r g a n
(Abb. 171c).
Vertreter des paarigen X - O r g a n s fehlen im Symbiontenballen.
Die R.- und a-Symbionten sind völlig regellos im Symbiontenballen verteilt, während die Stäbchen im untersten
Teil gehäuft auftreten, offenbar, weil sie schon bei der Follikelinfektion später eingetroffen sind als diese beiden.
Der vollendete S y m b i o n t e n b a 11 e n der Ovarialeier v o n C ix iu s n e r v o s u s ist im
Verhältnis zum Gesamtumfang des Eies bedeutend größer als der von Fulgora europaea. Das
liegt vermutlich hauptsächlich daran, daß die dritte Symbiontensorte hier massiger ist als
dort. E r liegt der Oberfläche des Eies von innen her eng an (Abb. 176) und ist auch meist
nicht völlig kugelrund, sondern etwas in der Längsrichtung des Eies zusammengedrückt
und enthält ebenfalls drei Symbiontensorten, deren Ursprung in den mütterlichen Mycetomen
leicht zu finden ist.
1. Große, dunkle, gedrungene, meist ± ovale Kurzschläuche entstammen dem weiblichen R e k t a l o r g a n , in dem sie
auf die gleiche Weise wie bei Fulgora europaea entstehen; nur zeigen die Normalformen helleres Plasma und
schlankere Gestalt (Abb. 172 a).
2. Fast ebenso große, aber sehr blasse ebenfalls gedrungen schlauchförmige bis ovale Typen finden sich in der gleichen
Ausbildung im Epithel und an der Peripherie des paarigen b - O r g a n s, von dessen Stammformen sie sich kaum unterscheiden
(Abb. 172 c).
3. Kleine, helle Kugeln werden in den vier Infektionshügeln des paarigen a - O r g a n s aus kurzschlauchförmigen, aber
ebenfalls relativ kleinen Normalformen in sehr großer Zahl erzeugt (Abb. 172 b).
Abkömmlinge des paarigen, zweiteiligen X-O r g a n s , die als Infektionsstadien der Riesensymbionten anzusehen
wären, fehlen auch hier.
Die Sortierung der Symbionten ist hier noch viel auffälliger und ähnelt den Verhältnissen bei Stenocranus und
Kelisia. Die obere Hälfte des Symbiontenballens wird von einem ziemlich gleichmäßigen Gemisch der Rektal- und b-Sym-
bionten, die untere dagegen von den viel zahlreicher vertretenen Abkömmlingen des a-Organs eingenommen. Die Grenze
ist indessen nie scharf ausgebildet, vor allem sind oft Rektalsymbionten und einzelne b-Formen in der a-Symbiontenzone
anzutreffen, wie überhaupt diese proembryonale Sonderung durchaus nicht bei allen Cmws-Arten durchgeführt ist; sie fehlt
z. B. bei der von mir im systematischen Teil geschilderten brasilianischen Cmits-Art Cxh und anderen Arten, wurde dagegen
von B ü c h n e r bei C. pilosus und C. cunicularis schon früher beschrieben. Ihr Zustandekommen habe ich an ähnlich
gelagerten Fällen von Stenocranus und Kelisia ausführlich zu analysieren versucht und verweise daher hier nur auf diese
Kapitel (S. 96).
Um Verwechslungen zu vermeiden, sei außerdem noch einmal betont, daß auch die Form und Größe der drei verschiedenen
Cmws-Symbionten bei den einzelnen Arten sehr verschieden ist; so sind z. B. bei Cxh, deren Ovarialeiinfektion
im systematischen Teil eingehend als Typus einer Cmws-Eiinfektion behandelt wurde, die a-Symbionten viel größer als
bei nervosus und die Rektalsymbionten die kleinsten Formen im Symbiontenballen.
Die ruhenden Symbiontenballen sind von einer dünnen, aber sehr festen plasmatischen
Membran umspannt, deren Konsistenz am eindrucksvollsten bei der Präparation
lebender Ovarialeier zu Tage tritt. Hat man nämlich den Symbiontenballen aus dem Dotter
des geöffneten Eies herausgelöst, so gehört ein sehr erheblicher Druck (Deckglasdruck)
dazu, um diese Hülle zum Aufplatzen zu bringen, ja in einigen Fällen mußte sie mit feinen
Nadeln zerrissen werden, damit die Symbionten frei wurden.
a) Embryonalentwicklung.
Obwohl die Embryonalentwicklung der Zikaden, besonders hinsichtlich der histologischen Einzelheiten, nur sehr
mangelhaft bekannt ist, kann ich mich in den folgenden Kapiteln nur insoweit mit ihr befassen, als zur Darstellung der
symbiontischen Einrichtungen unbedingt notwendig ist. Die ausführliche Schilderung der übrigen Probleme muß einer
späteren Darstellung Vorbehalten bleiben.
1. Furchung.
Die Entwicklung des Eies beginnt sofort nach der Ablage und Befruchtung, zwei Vorgängen,
die vermutlich ziemlich gleichzeitig erfolgen. Wenige Stunden danach fixierte Eier
zeigen schon späte Anaphasen der ersten Furchungsteilung (Fig. 17 a) des befruchteten Eikerns,
der etwas unterhalb des geometrischen Mittelpunktes des Eies zu liegen pflegt. Die
weiteren Teilungen laufen in verhältnismäßig rascher Folge ab, und nach wenigen Tagen
Zoologica, Hoft 98.