Die Hodensäckchen erwähnt sowohl Ch'un wie Sars, doch wird über einen medianen
Zusammenhang der Vasa deferentia bei beiden nichts angegeben. Chun bildet sie vielmehr als
getrennt ab. Die Ausbildung des Spermatophorensackes ist bei Stylocheiron die gleiche wie bei
Euphausia. Wir finden bei beiden den verdickten rücklaufenden Abschnitt des Vas deferens, der
dann in den eigentlichen Spermatophorensack übergeht. Von der zweiten Anschwellung des Vas
deferens, dem Spermatophorenlager, erwähnt Chun bei Stylocheiron nichts, wohl aber bildet sie
Sa r s bei Euphausia pellucida ab. Eigentümlicherweise sind, bei Stylocheiron die männlichen
Geschlechtsöffnungen zu einem unpaaren Spalte vereint, der in der Medianen des letzten Thoracal-
sterniten liegt.
Die Umwandlung der beiden ersten Cormopoden des Männchens ist häufig beschrieben worden
und immer sind sie als Kopulationsorgane gedeutet worden. Bald nahm man an, daß sie zur Übertragung
der Spermatophore dienten, die man ja häufig an der weiblichen Genitalöffnung festgeklebt
fand, bald vermutete man, daß sie die Funktion hatten, das Weibchen bei der Begattung festzuhalten,
bald auch teilte man ihnen beide Zwecke zugleich zu, was wohl die größte Wahrscheinlichkeit für sich
hat. Wie der ganze Begattungsvorgang im einzelnen stattfindet, das wird man natürlich nur am
lebenden Objekt feststellen können und auch hier wird die Beobachtung bei der Kleinheit des Objektes
und vor allem der in Frage kommenden Organe sehr schwierig sein. Aber immerhin kann man auch
aus dem Bau einiges herauslesen.
Sind bei einem Männchen von Euphausia superba (wie man das bei den konservierten
Tieren meistens trifft) die Pleopoden nach vorn zu unter den Leib geschlagen, so liegt die Genitalöffnung
etwa über der halben Länge des ersten Pleopodenstammes. Der eigentümliche Apparat
des Endopoditen liegt also weit vor der Genitalöffnung. Man kann daraus wohl den Schluß ziehen,
daß dieser Apparat nicht die Funktion hat, die austretende Spermatophore aufzunehmen. Dieser
Schluß findet noch eine Stütze darin, daß der Apparat auf der Unterseite des Endopoditen liegt', das
heißt also der Bauchfläche des Tieres Und damit der Genitalöffnung abgekehrt ist. Der zweite
Pleopod aber liegt mit der halben Länge seiner Äste unter der Genitalöffnung, auch ist die Kinne
am Endopoditen mit ihrer offenen Seite dem Leibe und damit der Genitalöffnung zugekehrt. Sie
ist also wohl in der Lage die Spermatophore bei ihrem Austritt in Empfang zu nehmen. Freilich sind
hier die ersten Pleopoden im Wege und wir müßten annehmen, daß sie bei dem Vorgänge auseinandergespreizt
werden.
Die Begattung kann bei dem ganzen Bau der Tiere wohl kaum anders stattfinden, als Bauch
gegen Bauch. In dieser Lage aber ist die hohle Seite der Rinne des zweiten männlichen Pleopoden
der Genitalöffnung des Weibchens abgewandt, der Apparat des ersten’Pleopoden hingegen ihr
zugewandt.
Jetzt wird also nicht der zweite sondern der erste Pleopod seine Rolle spielen; Wir könüen
annehmen, daß der zweite Pleopod die übernommene Spermatophore weitergibt. Den Vorgang
kann man sich vielleicht folgendermaßen denken: Die Pleopoden schlagen nach unten und stellen sich
annähernd senkrecht zur Körperachse. Hierbei kommen die Apparate der beiden Pleopodenpaare
aneinander zu liegen. Vielleicht schiebt sich nun die Oberkante der Innenfläche am zweiten Pleopoden
in die Rinne zwischen Lobus interior und Flügel am ersten Pleopoden, erweitert damit diese und damit
die ganze Nische zwischen den drei Lobi, so daß jetzt hier die Spermatophore eingeschoben werden kann.
Selbständig kann sich nämlich der ganze Apparat nur unbeträchtlich öffnen, wie wir ihm
überhaupt nur eine geringe eigene Aktivität zuschreiben dürfen: Er besitzt nur wenig Muskulatui.
Eine solcke.ist vorhanden in dem gemeinsamen Basalteil des Endopoditen und in dem Lobus
setiger mitsamt seinem Flügel. Dagegen finden sich im Lobus medius sowohl wie im interior mit
all ihren Processus keine Muskeln. Diese' Teile werden durch die eigene Elastizität in der Lage gehalten
und aus ihr nicht durch selbständige Bewegung, sondern durch Einwirkung anderer Organe oder
Organteile gebracht. Der Apparat mag nun die Spermatophore an das Thelycum des Weibchens
übertragen, wobei das ganze Instrumentarium an Processus, Haken und Lobi teils zum Eesthalten
am Thelycum und den Extremitäten, teils zum Auseinandersperren der Wände des Thelycums und
der. etwa in den Weg kommenden Kiemen und teils'zum Iberführen der Spermatophore An-
Wendung findet.
Fast ohne Ausnahme waren die mir vorliegenden erwachsenen Weibchen begattet und trugen
paarweise die Spermatophoren, wieifeben erwähnt, im Thelycum (Figf-Kt). Die letzteren waren
durchweg sdhpïF entleert ™d hatten die Spermatozoen abgegeben. Bei einem der beiden in Schnittserien
zerlegten Weibchen fand ich die Kammern dbff Thelycums angefüllt mit einer Masse, die aus
kleinen Körpern bestand, deren Größe und Form die gleiche war, wie die der Spermatozoen, denen
aber der Kern fehlte (Fig. 76ji- Es liegt nahe anzunehmeg'idaß ëssich hier um eine quellbäre Masse
handelt, die den Inhalt der Spermatophore ausgetrieben Kat, Ich trage aber gewisses Bedenken
gegen diese Deutung: Bei dem zweiten Weibchen nämlich finde ich das Thelycum gefüllt mit einem
Ballen von Spermatozoen, sehe aber nichts von jenen oben erwähnten Körperchen (Kg. 74). Auch
eine geschnittene Spermatophore- finde ich ganz angefüllt mit Spermatozoen ‘(Fig. 73) und kann
nichts in ihr entdecken, was ich als qiiellbäre Materie zum Austreiben des Inhaltes ansprechen könnte.
Ich vermute daher, daß das Plasma der Spermatozoen selber die Fähigkeit hat zu quellen und dadurch
den Austritt aus der Spermatophore zu bewirken, fénè kernlose Körperchen wären dann einfach
abgestorbene Spermatozoen, die ihre Struktur schon verändert und die Färbbarkeit ihres Kernes
verloren haben. •
Claus schreibt (1868 p. 273) von Euphausia: Es „gelangen die Samenkörper —‘ in einen besonderen
Raum des weiblichen Körpers, über dessen Verbindung mit den Geschlechtswegen ich
leider nicht ins Klare gekommen bin.“ Von einem derartigen Raume finde ich bei einem jungen
daraufhin untersuchten Weibchen nichts. Dagegen liegen die Spermatozoen bei den befruchteten
Weibchen im Innern des Körpers in einer merkwürdigen Anordnung: In großen Massen trifft
man sie hier an, überall in den Lücken zwischen den einzelnen Organen. Ja sie dringen auch in die
Cormopoden des sechsten Paares, selbst in die Wände des Thelycums ein. Sie beschränken sich nicht
darauf, die Hohlräume im sechsten Segmente einzunehmen, sondern dringen auch weiter nach vorn
und hinten im Körper vor, wobei sich unterhalb des Bauchmarkes die Masse besonders weit nach
vorn und hinten schiebt. Irgendwie von einer Wand oder einem Follikel ist diese ganze Masse
nicht eingeschlossen, vielmehr verlaufen Gefäße und Muskeln mitten durch sie hindurch. Es scheint,
daß sie eine ganze der von Septen eingeschlossenen venösen Lakunen einnehmen. Was ihre Struktur anbetrifft
(Fig. 75), so erscheint ihr Plasma stark gequollen und die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen
nicht mehr überall erkennbar. Von der Genitalöffnung aus kann man die Oviducte noch ein Stück Weges
in die Masse hinein verfolgen, dann aber verschwinden sie. Offenbar ist diese durch die Oviducte in
den Körper eingedrungen, und hat dann infolge starker Quellung die Wände der Gänge zerstört.
Ich fand die Verhältnisse sowohl bei den beiden in Schnittserien zerlegten Weibchen, als auch bei
einer Anzahl von zergliederten Tieren. Trotzdem wage ich nicht mit Sicherheit, diese Erscheinung als normal
zu. bezeichnen: Es kann sich immerhin auch um postmortale Quellungen und Zerreißungen handeln.