
zu schließen, daß der Cristatella-Statoblast zu den ältesten Körpern seiner Art gehört, daß er sich
lange Zeiten hindurch behauptet und in vollkommener Weise den äußeren Lebensbedingungen angepaßt
hat. Gerade deshalb kann seine innere Entwickelung eine ursprüngliche geblieben sein. Wie das
höher organisierte Tier, das in gewissem Sinne auch nur der schützende Mechanismus der Fortpflanzungszellen
ist, in seiner frühen Entwickelung die primitivere Art bewahrt haben kann, ebenso
kann das beim Statoblasten der Fall sein. Ich sehe daher in der komplizierteren Schalenbildung bei
Fig. VI. Gristatella. Fig. V I I . Pe ctinate lla.
Schematische Medianschnitte durch die Statoblasten m it Bezeichnung der organbildenden
Zellbezirke.
A Hauptknospe (Keimscheibe); B Tochterknospe; C Leibeswand (Cystid); c das
zwischeh den beiden ersten Knospen gelegene S tü ck der Leibeswand; L h Leibeshöhle
(Dotterraum);' m m esodermales Ep ith el (äußeres Knospenblatt); ts T entakelscheide von A .
Cristatella keinen Grund,
an der Ursprünglichkeit der
inneren Entwickelung zu
zweifeln. —
Wir haben unser
Augenmerk bisher ganz auf
die äußere Erscheinung der
Knospen und ihrer Entwickelungszustände
gerichtet
und da allerdings eine
bedeutende Verschiedenheit
zwischen der Knospung im
Statoblasten und der im
Stock anerkennen müssen.
Anders stellt sich das Verhältnis, wenn wir die organbildenden Zellgruppen der Knospe lediglich
als solche erfassen und sie nun einerseits in der polypoiden Knospe des Stockes, andererseits in der
Statoblastenwand auf suchen. Wir finden dann, daß alle Zellbezirke der polypoiden
Knospe auch im Statoblasten vertreten sind, und daß sie hier wie
dort innerhalb ihrer Keimschicht die gleichen gegenseitigen Lagebeziehungen
haben, soweit es die veränderte Lage der Keimschicht selbst zuläßt. Was in
der Knospe konkav ist, ist im Statoblasten konvex, was dort innen liegt, liegt
hier außen. Die Knospe entspricht ihrer Form nach einem Polypid, der Stato-
blast einem Cystid. Darum entsteht im Statoblasten das Polypid durch Zusammenziehung
und Einwärtsverlagerung eines Teiles der Wandfläche, aus der
Knospe das Cystid durch Ausbreitung und Vorstülpung eines Teiles der Halsregion.
Bei alledem sind aber im Statoblasten genau dieselben Zellbezirke
vertreten wie in der polypoiden Knospe, nur daß sie auf eine in entgegengesetzter
Richtung gekrümmte Fläche projiziert sind.
Auf S. 109—112 meiner „Untersuchungen“ habe ich auf die Identität
der organbildenden Zellbezirke des Statoblasten und der polypoiden Knospe
schon hingewiesen. Ich habe dort ausgeführt, daß der keimende Statoblast
einer einzelnen Knospe des Stockes oder einem einzelnen Cystid mit dem dazugehörigen
Fig. V I I I . Schematischer
Medianschnitt einer
polypoiden Knosp 3 des
Stockes. A Region des
H auptpolypides; B R e gion
der Tochterknospe,
m it A zur Doppelknospe
ve rbunden; C, c Knospen-
te ile, die in die Cystid-
wand übergehen. Im
übrigen w ieF ig .V I.u .VII.
Polypid gleichwertig ist, daß er also ein vollständiges Individuum repräsentiert. In
diesem Individuum haben aber die Keimschichten der Knospe eine totale Umkehrung erfahren,
so daß die Innenseite der Knospe der Außenseite des Statoblasten entspricht. Die Knospe ist ihrer
Lage nach Darm, der Statoblast, infolge seiner Bestimmung als junger Stock zu fungieren, ist Leibeswand.
Die Knospe ist ein Individuum „mit voraneilendem Polypid“ und mit sekundärer
Cystidbildung, der Statoblast ist ein Individuum „mit voraneilendem Cystid“ und mit sekundärer
Polypidbildung.
Durch was für Vorgänge diese Gegensätze vermittelt werden und wie die Umkehrung der Keimschichten
im Statoblasten der Knospe gegenüber zustande kommt, habe ich an der zitierten Stelle
ebenfalls klarzulegen versucht. Ich verweise hier auf das dort Gesagte und gebe nur noch im Anschluß
an damals veröffentlichte Figuren drei schematische Bilder, in denen die Hauptregionen des Individuums,
einerseits in der polypoiden Knospe des Stockes (Fig. VIII), andererseits im Statoblasten
von Cristatella und Pectinatella (Fig. VI, VII), ihrer ursprünglichen Lage nach angedeutet sind.
»Allen drei Bildern ist der Medianschnitt zu Grunde gelegt. Würde man die Knospe in Fig. VIII
vollständig umstülpen und dann die Ränder bei * unterhalb des Bodens der Knospe vereinigen, so
würde man den Situationsplan des Statoblasten erhalten.
4. Die Zeitverliältnisse der Entwickelung.
Selbst bei vollkommener Gleichartigkeit in Bezug auf Abstammung und Aufbewahrung bestehen
unter den Statoblasten Verschiedenheiten der individuellen Variation und der Entstehn ngszeit,
denn sobald zahlreiche Statoblasten in einer Kolonie gereift sind, sind auch ihre Altersunterschiede
bedeutend. Die Keimung vollzieht sich daher nie ganz gleichmäßig, und man findet neben weit
entwickelten Knospen in den Statoblasten oft noch die jüngsten Keimscheiben. Mitunter versagt
auch der eine oder andere Statoblast gänzlich, oder er entwickelt sich um Wochen und Monate später
als die übrigen. Solche Fälle lassen sich zwar leicht ausschalten, aber die geringeren Unterschiede
machen die Beurteilung der Zeitverhältnisse schwierig, und es kann sich bei den folgenden Angaben nur
um annäherungsweise gültige Bestimmungen handeln. Alle beziehen sich auf hochgradig keimfähiges
Material und die günstigsten Temperaturlagen, geben also die annäherungsweise kleinsten Zeitmaße.
Das sicherste Mittel, die Statoblasten keimfähig zu machen und zugleich gegen vorzeitige
Keimung zu schützen, ist, sie in einem möglichst kleinen Gefäß unter Ausschluß von Luft fest verkorkt
zu halten. Man hat dann in einigen Monaten ein Material, das in Bezug auf den Grad der Keimfähigkeit
und die Gleichmäßigkeit der Entwickelung dem Optimum nahe kommt und das Jahre lang tauglich
bleibt. Man kann die Statoblasten auch den Winter hindurch offen in einem ungeheizten Zimmer
auf bewahren und etwa vom Februar ab zu Versuchen benutzen; aber die Keimung verläuft dann
weit langsamer, und im März kann schon die beginnende spontane Entwickelung das Bild trüben.
1. Völlig keimfähige Statoblasten von P e c t i n at ei l a sind bei einer Temperatur von
29—30° C. in 2 %—3 Tagen in der Regel so weit entwickelt, daß die Schalen sich öffnen. In 3 Tagen
kann das Primärpolypid schon ausgestreckt sein. In 4 Tagen sind die Kolonien größtenteils ausgeschlüpft,
die meisten hängen noch an den Schalen, einzelne haben sich an der Wand des Gefäßes
angeheftet.
1. Von dieser Zeit kommt ein verhältnismäßig großer Teil auf die vorbereitenden Vorgänge,
die sich im Dotter vollziehen und die sich noch nicht in deutlichen Veränderungen der Wandschicht
ausprägen. Man kann diese Periode als die der latenten Keimung bezeichnen.
Die ersten deutlichen, aber noch nicht scharf begrenzten Keimscheiben nach Art von Fig. 17
(Taf. V) fand ich nach 16 Stunden Keimzeit. In einem anderen Fall, Wo es sich um jüngere, aber