Die für diesen Zweck wichtigste Hilfsmethode war — ganz wie bei den Tieren der Luft — die
Verringerung des E i g e n g e w i c h t s und damit des den Körper herunterziehenden Übergewichts;
solche Erleichterung geschieht vorzugsweise durch F e t t e n tw i c k l u n g , vereinzelt durch
Gallerthüllen (Holopedium, Fig.l c); dazu kommt die zarter werdende Beschaffenheit der Chitinhülle
und der Körpergewebe.
Von weit geringerer Bedeutung für den Schwebeprozeß der Schwimmkrebse ist endlich diejenige
Methode, die bisher auch bei den Cladoceren als die wichtigste hingestellt wurde (weil sie bei
passiv schwebenden, pflanzlichen Planktonorganismen in der Tat besonders wichtig ist). Ich
meine die Vermehrung des R e i b u n g s w i d e r s t a u d e s gegen das Absinken. Bekanntlich
erfolgt das Sinken eines Körpers von gegebenem Übergewicht im Wasser um so langsamer, je größer
die entstehende Reibung ist, je mehr Oberfläche also bei gleichem Volum entfaltet wird und je
größer die horizontale Flächenentwicklung ist. Außer von relativer Oberfläche und Form des Körpers
hängt das Schweben auch von der inneren Reibung des Wassers ab.
Wo. Os twa ld, der sich ein großes Verdienst um die Behandlung dieser Fragen vom physikalischen
Standpunkt erworben hat, faßte die beim Sinkprozeß in Betracht kommenden Faktoren
in folgende Formel zusammen, wobei er das „Schweben“ mit Recht als ein verlangsamtes (oder aufgehobenes)
Sinken behandelt:
BB| Übergewicht “
„Sinkgeschwindigkeit = ----------------------------------------------------
Formwiderstand X Viskosität des Wassers
Diese Formel gilt aber nur für einen im Wasser bewegungslos suspendierten Körper; es wäre
ganz irreführend, sie ohne weiteres auf s i ch b e we g e n d e Planktozoen zu übertragen (wie es
hier und da geschieht). Bei allen Krebsen z. B. spielt die Eigenbewegung eine viel größere Rolle als
alle die in der Formel genannten Faktoren. Da die Ruderschläge nach allen Seiten gerichtet sein
können, so müssen wir, um ihre Einfügung in obige Formel zu ermöglichen, ihre vertikalen Komponenten
in Rechnung stellen, d. h. diejenigen Kraftquanten, welche auf das Wasser nach unten (Aufwärtsbewegung)
oder nach oben (Abwärtsschwimmen) einwirken. (Im gleichen Sinne wirken hier
und da Wasserbewegungen, deren Wirkung wir mit jenen Komponenten der Eigenbewegung zusammenfassen
können.) Für die Geschwindigkeit, mit welcher aktiv schwimmende Tiere aus einem
Niveau in das andere „sinken“ oder „steigen“, anders ausgedrückt für die Steilheit oder Flachheit
ihrer Schwimmbahnen, sind ferner von großer Bedeutung die steu ern d en Flächen und Kräfte
(vgl. die Höhensteuerung bei Vögeln etc.). Wir erhalten also neben Übergewicht und Bewegung
einen dritten Faktor des „Schwebens“ oder eigentlich besser „Niveau-haltens“ : die Steuerung.
Alle diese Faktoren sind natürlich komplexe Größen, nicht minder komplex als der vierte Faktor,
die Reibung zwischen Körper und Wasser. Da weder die vom Körper noch die vom
Wasser bedingten Reibungswiderstände für aktiv schwimmende Krebse eine besonders große Bedeutung
haben, geht es nicht an, für unsere Formel grade diesen Faktor in seine zwei oder drei
Komponenten zu zerlegen. Diese Formel sieht dann, so kurz wie möglich gefaßt, folgendermaßen aus:
Ü b e r g e w i c h t X Abwärtsbewegung und -Steuerung
Sinkgeschwindigkeit = -----------------------
Reibung X A u I w ä r t s b e w e g u n g u n d -S t e u e r u n g
In dieser Formel, die einigermaßen den b i o 1 o g i s eh e n Faktoren gerecht wird, sind
die für das Niveauhalten wichtigsten und zugleich variabelsten Komponenten (soweit schwimmende
Tiere in Betracht kommen) besonders hervorgehoben.
Speziell für die Cladoceren möchte ich zu den drei biologischen Faktoren: 1. Eigenbewegung,
2. Üb e r g e w i c h t und 3. F o rm w i d e r s t a n d (Eeibung) noch folgendes bemerken,
ad 1. (Eigenbewegung.) Die Bewegung erfolgt durchweg durch Nachhintenschlagen
der Ruderantennen, die genauere Richtung der Bewegung ist aber bei den einzelnen Formen recht
verschieden. Bei Ghßorus und Bosmina sah ich, daß der Schlag nach hinten und zugleich ventral-
wärts gerichtet ist — dies ist gewiß die ursprüngliche Richtung aller Gliedmassenbewegungen der
Krebse — bei Daphnia und Simocepluiltis sah Sco u r I i e 1 d (1900), daß die Antennen-Bewegung
nach hinten und d o r s a lwä r t s erfolgt. Das kann ich für Daphnia bestätigen.
Die Bewegungsform ist recht verschieden: außer dem bekannten rhythmischen Hü p f e n
der Daphmden finden wir das bereits erwähnte S c h w i r r e n (ohne Pause zwischen den einzelnen
Schlagen) bei Chyiorus und Bosmina, ferner lange oder kürzere S p r ü n g e bei Diaplmnosoma und
Moma, charakterisiert durch die langen, und zwar ungleich langen Pausen zwischen den einzelnen
Bewegungen. Diaplmnosoma ruht nach jedem Schlag so lange, bis irgend ein neuer Reiz das Tier
trifft. Das langsame Rudern der Leptodoren und die Bewegungen von Polyphemus, Bythotrephes
Podon, Evadne, der Lyncodaphniden usw. bedürfen noch der näheren Analyse Auf die hohe Bedeutung
der Schlagrichtungen kommen wir noch zurück.
Betonen möchte ich noch (gegen O s t w a 1 d), daß aktives Nachuntenschwimmen bei den
■Cladoceren eine beträchtliche Rolle, spielt. Eine Analyse solcher Bewegungen folgt S. 513 f.
ad 2. (Übergewicht.) Hier habe ich, dem gleichen Autor gegenüber, zu notieren, daß
bei jedem Cladoceren-Individuum das spezifische Gewicht sieh beständig und beträchtlich ändert,
je nach Fettgehalt, Eibildung etc.
. Die Verringerung des spezifischen Gewichts beilHaphanosoma und weniger bei Moina geht soweit,
daß die Tiere nach jedem Schlage in scheinbar b eliebiger Lage im Wasser „stehen“ bleiben, meistens
m der Horizontale, da die Sprünge ir, der Regel in dieser Ebene erfolgen. Der Körper wird also
nicht vorzugsweise von den ausgebreiteten Antennen getragen (wie es z. B. Diaptmnus macht), er hat
überhaupt keinerlei Schwebapparate nötig, da sein spezifisches: Gewicht dem des Wassers gleicht.
Irgendwelche Fortsätze oder Verlängerungen, Verbreiterungen des KöTpers f e h l e n d e n n a uc h
g e r a d e d i e s en e i g e n t l i c h e n „ S c hwe b e r n “ u n t e r _den Cl a d o c e r e n
d u r c h a u s , sie s i n d n ur bei den „ Sc hwi mmer n “ v o r h a n d e n .
ad 3. (Formwiderstand.) Letztere Tatsache ist schon allein geeignet, uns etwas mißtrauisch
gegen die überwiegende Bedeutung oder aber gegen die bisherige Deutung der „Schwebfortsätze“ zu
machen,welchedurchErhöhungdesReibungswiderstandes,speziellerVertikalprojektion das Schweben
ermöglichen sollen. Über dièse Funktionsfrage handelt das nächste Kapitel, Hier soll nur ein kurzer
Überblick darüber Platz finden, i n w e 1 c h e r W e i s e der Cladocerenkörper bei den pelagischen
Formen umgestaltet wurde und heute noch weiter umgestältet wird. Denn das ist ja die für kausale
Forschung wertvollste Eigentümlichkeit dieser Tiergruppe, daß einige Arten in der Jetztzeit mitten in
der Umformung darin stehen. Es sind jene-oder sie gehören zu' jenen Arten, die zugleich eine weitgehende
geographische und temporale Verschiedenheit ihrer pelagischen Formbesenderheiten zeigen.
Zoologien. Heft 07. „ .