da R u t t n e r die Wanderung unter einer dicken Eisdecke nachweisen konnte, sobald;dem L i c h t Zutritt gewährt wird. Die
r e i z p h y s i o 1 o g i s c h e Erklärung durch Tropismen („Lichtflucht“ ) genügt aber auch nicht. S ie könnte das Absinken bei
Tage und das Aufsteigen bei Nacht zur N o t erklären, obwohl die Tiere im Experiment vorwiegend „ p o s i t i v phototaktisch“ 1)
sind, d. h . der Lichtquelle zuschwimmen; aber sie versagt völlig, um d as Hinabwandern zu erklären, wenn es bereits 2— 3 Stunden
vor Sonnenaufgang geschieht. ( J u d a y u. a.)
Revisionsbedürftig ist schon die ganze Vorstellung, daß die pelagischen Cüadoceren Abends
mehr oder weniger senkrecht „aufsteigen“, um Morgens in entsprechender Richtung „hinabzu-
wandem“. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Anhäufung in bestimmten Schichten dadurch,
daß die im Dunkeln in verschiedenen Routen, aber meist sehr schräg aufwärts schwimmenden
Tiere (g n a ch dem individuellen Bewegungszustand, der besonders vom Eibildungsstadium abhängt),
tagsüber durch das Licht in einer bestimmten Zone angehalten werden, weil die „ungereizte“
Aufwärtsbewegung, wie meine Versuche zeigen, durch Oberlicht horizontal oder nach unten
abgelenkt wird (S. 498). Abends dagegen ist es die Berührung mit der Oberfläche, Welche diese
aufwärtsschwimmenden Tiere zu horizontaler oder abwärts gerichteter Bewegung zwingt.
Fig. 30. Aufsteigen einer Daphnie durch V e r ä n d e r u n g d e r S c h l a g r i c h t u n g . Links: Das Dorsalruder is t durch
Lichtreize verstärkt, die Kursrichtung daher horizontal (Dämmerungszone bei Tage). Rechts: „Ungereizte“ Schlagrichtung
des gleichen Tiers bewirkt Aufwärtsschwimmen (Abends).
Ein besonderes, kleineres Maximum kann über dem Grunde zu Stande kommen, wo sieb alle
diejenigen Tiere sammeln müssen, deren „ungereizte“ Routen sebräg abwärts führen und die dann
entweder dureb die Berührung des Grundes oder vielleicht auch chemisch durch das kohlensäurereiche
Tiefenwasser Impulse erhalten, die sie ein Stück weit aufwärts führen. So kommen Ansammlungen
über dem Grunde zu Stande (Behrens, Sakrower See im Winter 1911; Gleiches
beobachtete ich im Euresee in 24 m über 25 m), oder (weniger ausgeprägte) Ansammlungen über
jener „toten“ Tiefwasserschicht (Behr ens , Oktober 1911 in 21 m über 33 m).
Der Ausdruck „Ansammlung“ ist wohl meistens cum grano salis zu nehmen; in Wirklichkeit
bleiben nicht dieselben Individuen in der Maximum-Schicht vereinigt, sondern diese Schicht wird
nur l a n g s ame r , d. h. in flacheren Schwimmrouten, m it h ö h e r e n o de r t i e f e r e n
Wa s s e r s c h i c h t e n v e r t a u s c h t . Die Maxima sind also nicht einer Versammlung, sondern
immerhin noch eher einer Verkehrsstockung zu vergleichen, obwohl die Fortbewegung in unserm Fall
nur in bezug auf eine bestimmte Richtung verlangsamt wird. Ob die Bo d e n - Maxima wirkliche
l ) Die p ositive und n egative „P hototaxis“ d ieser Cladoceren im Experiment dürfte eine Folge der maximalen Reizung des
Augenapparats durch ungewohnt starkes Licht sein. Das Auge wird dabei me ist in der Depressionsstellung (Fig. 13 D , S. 495)
fixiert, dann sind die (übrigens sehr b eschleunigten) Ruderschläge stark dorsalwärts gerichtet und so reguliert, daß die Lichtquelle
möglichst rostral und dorsal, also vorn über dem Kopf zu stehen kommt (Pfeil L in Fig. 13). Im horizontalen Lichtgefälle
schwimmen die Tiere gegen das Lichtgefälle, aber nicht horizontal auf die Lichtquelle zu, sondern s c h r ä g a b w ä r t s , so daß
sie möglichst tief unter die Lichtquelle kommen. An der Glaswand angelangt, richten sie den Rücken gegen das Licht. — Bei
einer kleineren Anzahl von Tieren wird das Auge durch den starken Lichtreiz in Elevation fixiert (Fig. 13 E), diese schwimmen
dann v o m L i c h t w e g . Dadurch wird ebenfalls erreicht, daß der „Dunkelpunkt“ des Auges möglichst im Schatten des
Retinapigments liegt. — Die so vie l bearbeiteten Lichtreaktionen der Cladoceren bedürfen dringend neuer Untersuchung.
Ansammlungen (insbesondere der älteren Tiere) sind, wie es nacb der vorläufigen Prüfung meines
Materials scheint, kann ich noch nicht bestimmt sagen.
Wir müssen nun mit R u t t n e r zweierlei Wanderung unterscheiden: die einfache „N acht -
wa n d e r u n g “ (Tiere Nachts in den obersten Schichten, tagsüber tiefer) und die „ Dämme r u n g s w
a n d e r u n g “ (die Tiere sind während Abend- und Morgendämmerung in großen Mengen an der
Oberfläche, ihre Zahl nimmt hier aber sowohl Übertags als nachts beträchtlich ab). Letztere
Wanderungsform scheint auf die von uns speziell studierten Cladoceren mit Steuerorganen, Daphnia
cucidlata und Bosmina coregoni beschränkt zu sein.
a) D ie drei Ph a s e n der Na chtwa nde r ung.
1. Phase (Ab e n d s): Die Tiere steigen Abends, sobald der die Bewegung „horizontalisierende“
Reiz des Lichts auf hört, unter dem Einfluß ihrer normalen („ungereizten“) Bewegungsrichtung zur
Oberfläche auf (Fig. 30). 2. Phase (Nachts): Hier oben erhalten sie Berührungsreize an der
Oberfläche, welche Abwärtsbewegungen (Fig. 32) verursachen, die zunächst wohl wieder in
Fig. 31. Aufsteigen einer Daphnie durch V e r k ü r z u n g d e r S c h l a g p a u s e n (Intensivierung der Ruderbewegung
durch schwaches Licht: Morgendämmerung).
Aufwärtsbewegung übergehen, die aber doch bei mehrfacher Wiederholung eine dauernde Ansammlung
direkt unter der Oberfläche meistens verhindern. Sobald daher der Nachschub aus tieferen
Schichten aufhört (weil alle ungereizt aufwärts schwimmenden Tiere des Sees die Oberfläche erreicht
haben) vermindert sich die Zahl der hier befindlichen Tiere. Da dieses „Abwandern“ oft schon zwei
Stunden und mehr vor Sonnenaufgang stattfindet, ist eine allgemeine Erklärung der Erscheinung
durch L i c h t einfluß unmöglich. 3. Ph a s e : Tagsüber verhindert der Lichteinfall von oben ein
Aufsteigen dadurch, daß die Schwimmbahnen, sobald die Tiere eine gewisse Dämmerungszone überschreiten,
horizontal abgelenkt werden. In dieser Schicht kann es daher zu einer beträchtlichen
„Ansammlung“ kommen (%—5 m unter der Oberfläche, je nach Lichtdurchlässigkeit).
b) Die vi er Ph a s e n der „D ämmer u n gs wa n d e r u ng “ von Daphni a cucul lata
und Bosmi na gihhera.
1. P h a s e wie bei a, 2. P h a s e desgleichen, doch bleiben die Tiere vermöge ihrer flachen
Schwimmbahnen der Oberfläche nahe. 3. Phase (Morgen): Das beginnende Dämmerlicht wirkt auf
die Ruderbewegung in ten siv ieren d 1), ohne noch eine erhebliche Ablenkung der Schlagrichtung
1) Mäßige diffuse Beleuchtung einer vorher in Dunkel und s e it längerer Zeit, auch w ährend des Versuchs in Ruhe g ehaltenen
Kultur von D . cucullata bewirkte, daß die Zahl der Rüderschläge von anfänglich 49 pro Minute auf 72 stieg. Starke einseitige
Beleuchtung vermag diese Zahl auf ca. 140 zu steigern. Vergl. S. 491.