
Besonders verweisen möchte ich an dieser Stelle noch auf die Reihe der Kopfabbildungen
Fig. 8 a—i , die die Steigerung in der Rundung des Rostrums deutlich wiedergibt. Man bemerkt,
daß mit dem Kleinerwerden der Tiere eine Verkürzung des Schnabels und eine Erhöhung des
Kopfes Hand in Hand geht.
Die Varietät pulchella schließt sich auf der anderen Seite eng an die (jaZeoia-Formen an, oder
besser an die Varietäten longispina-gadeata, indem, wie bemerkt, die letzten Glieder der Reihe im
Sommer eine runde Crista aufsetzen. Man vergleiche beispielsweise die in Fig. 6 gezeichnete
D. pulchella mit den Winterformen, die zu longispina-galeota gehören.
Die Sommerformen weichen natürlich sehr ab. Außer der Steigerung der pelagischen Merkmale
ist die Erhöhung der Helme eine mehr oder minder starke. So hohe Helme, wie sie Wesenberg angibt,
habe ich jedoch nie beobachten können, immerhin sind ganz respektable Längenunterschiede gefunden
worden (Fig. 19 und 22).
Nun zu den einzelnen Rassen. Die erste der ^aZeaia-Reihen setzt sich aus Formen zusammen,
die den nähe beieinander gelegenen Wermsdorfer Teichen entstammen. Trotz dieser Nähe sind die
Daphnien doch um ein Geringes voneinander verschieden. Der Einfluß des Milieus, das Erwerben
kleiner Eigenarten ist sichtbar. So differierte zu gleicher Zeit die Kopfhöhe der Daphnien in den
einzelnen Teichen sehr. Am größten war sie immer im Kirchenteich und darnach im Doktorteich,
die die tiefsten sind, während die beiden größten aber sehr flachen Teiche, der Horsts'ee und der Rodaer
See, gleichzeitig Daphnien enthielten, die sehr klein waren und viel niedrigere Köpfe hatten. Im
übrigen stimmen die Rassen gut miteinander überein. (Fig. 16—20.)
Der Torgauer Großteich beherbergt eine D. longispina-galeota, die sehr typisch ist. Sie ist in
zwei Ephippial-Weibchen vom 16. V. 08 in den Figuren 22 a, b abgebildet. Das Rostrum ist spitz,
das ganze Tier von mittlerer Größe, die Helme sind teils rund, teils zugespitzt. Auch die Ephippial- $
und <$ zeigen diese zwei Kopfformen. Es fragt sich jetzt, ob wir es mit zwei Rassen zu tun haben,
oder ob die Rundköpfe in den Variationszyklus gehörten, der mit den Tieren mit gebrochener Crista
endet? Die Altersvariation kann vielleicht auch das doppelte Aussehen verursachen, da sie auf
eine Reduktion der Kopfhöhe hinzielt.
Die Frage, ob zwei nur durch ein geringes quantitatives Merkmal verschiedene Rassen nebeneinander
in einem Teiche existieren können, ist ja außerordentlich wichtig. Ich verarbeitete deshalb
den Fang vom 21. V. 08 in der oben angegebenen Weise variationsstatistisch, leider jedoch ohne den
erwarteten Erfolg. Die Methode versagte bei den sicher nur sehr geringen Unterschieden vollkommen.
Die Rechnung ergab nicht das Vorhandensein zweier Varietäten, da die Kurven je einen, wenn auch
sehr breiten Gipfel besaßen. Hier wird eben nur das Verhalten der Population in Kulturen einen
Aufschluß geben können.
In der Tat hat Prof. Woltereck aus dem Fange durch Kultur zwei Elementarrassen isoliert,
die sich in diesem Punkte unterschieden, eine Daphnia mit schmälerem Kopfe (den Spitzköpfen des
Fanges entsprechend) und eine mit breitem „Kasten“köpf (den Rundköpfen entsprechend).
Wenn man genau und konsequent vorgehen wollte, müßte man die beiden Rassen mit verschiedenen
Namen belegen. Allerdings müßte man dann erst die Daphnien während des ganzen Jahres
in kurzen Intervallen beobachten und jeden Fang in der gleichen Weise bearbeiten. Von großem Wert
für die Systematik scheint mir die Tatsache zu sein, daß die Aufteilung in Rassen schon in der
Population vorhanden ist. Sie lehrt uns, wie sehr man das Beschreiben neuer Varietäten einschränken
muß.
Anders verhielt sich die Daphnia des Sakrower Sees. An und für sich fällt die Form des Tieres
auf. Der Kopf ist breit bei verschiedener Höhe. Das Rostrum variiert zwischen spitz und mehr
abgestutzt, die Stirnlinie zwischen gerade bis leicht konvex und konkav. Bei den behelmten Daphnien
ist die Spitze teilweise hinter der Mediane, teils vor der Mediane gelegen. Zwischen beiden Extremen
existieren Übergänge. Die Reihe (25) der abgebildeten Weibchen zeigt die Formen. Auffällig ist, daß
die vorgeneigten Helme zu konkaven Profilen, schmalem Kopfe und stumpfem Rostrum gehören.
Die Daphnien mit rückwärts geneigtem Scheitel haben gerade Stirnlinien und spitze Rostra. Möglicherweise
sind im Sakrower See mehrere Rassen zu Hause; sicher ist die Population nicht einheitlich,
da die Frequenzkurven für die prozentuale Kopfhöhe zwei große Gipfel aufweisen, von denen einer
zu den unbehelmten Formen mit geradem Profil gehört, während der andere den hochhelmigen
Tieren entspricht.
Die nächsten Figuren (Fig. 23, 24) sind Abbildungen von Daphnien aus den Lausitzer Teichen
bei Kamenz und den Moritzburger Teichen. Die Daphnien stehen sich nahe infolge des spitzen, langen
Rostrums, der verhältnismäßig großen Körperlänge und der Neigung des Kopfes, nicht des Helmes.
Das Gesamtbild der Tiere wird dadurch wesentlich beeinflußt. Die Bärnsdorfer Daphnie besitzt einen
hohen, runden Helm und wird Tieren ähnlich, die Wesenberg abgebildet hat und die man mit
gracilis Hellich oder vielleicht auch leucocephala Sars bezeichnen könnte.
Besondere Beachtung verdient schließlich die Daphnia des Süßen Sees bei Oberröblingen.
Dieser See hat einen Salzgehalt von 0,3 Prozent ebenso wie der Mansfelder See, der ihm benachbart liegt
und dessen Fauna durch Ladenburger und Zacharias lange bekannt ist. Mir war aus den Sammlungen
des Zoologischen Institutes Material aus dem Mai 1883 zugänglich, das die Frühjahrsformen in Mengen
enthielt, eine typische longispina. Die Sommertiere entfernen sich jedoch weit von diesen. Fast
rundes Rostrum, geringe Größe, Meiner, wenig breiter behelmter Kopf und ein winziger Augenfleck,
der mitunter kaum nachzuweisen ist, bringt die Daphnie der Spezies cucidlata sehr nahe. In
Fig. 21a—d sind verschiedene Saisonformen und in Textfig. 8 g der Kopf eines Juliweibchens abgebildet
. Über die V ariationen der Daphnia cucidlata ist nur wenig zu sagen, da diese wiederholt
Bearbeiter gefunden haben. Die abgebildeten Weibchen zeigen den Saisonpolymorphismus nur an
Beispielen aus verschiedenen Gewässern. Es kommt mir wenig darauf an. Erwähnt sei nur, daß
auch bei cucullata die erste Frühjahrsgeneration die größte ist. Selbst in Kulturen findet sich der
Unterschied (wie dies Fig. 29 a beweist).
Die Leipziger Stadtteiche und einige zum Gebiet der Pleiße gehörige Gewässer beherbergen
eine schon erwähnte cucidlata ohne ZyMomorphose. Die Tiere haben das ganze Jahr hindurch niedere
Köpfe ohne Helm. Die Population des Mühlteiches von Kospuden beobachte ich jetzt schon das
vierte Jahr und habe während dieser Zeit nur das in Fig. 26 a dargestellte $ mit spitzem Kopf
gefunden. Die Kospudner cucidlata (26 a—d) ist auch sonst recht interessant. Sie tritt sehr spät
im Jahre auf; im August wurden 1910 die ersten $ gefunden!
Hingewiesen sei ferner auf die Borsdorfer cucidlata, Fig. 29 a—fl, die vom 14. V. 08 stammen.
Aus diesen wurden die Weibchen mit Nebenauge gezogen.
Im allgemeinen ist die Richtung der Spina zu beachten, die stark variiert. Recht abweichend
vom gewohnten Typus ist das Ephippial-Weibchen in Abb. 26 d. Ein derartiges Aussehen hatten
die meisten der zu gleicher Zeit in Kospuden gefangenen Daphnien. Der „Hungerknick“ der
Spätherbstformen ist an Fig. 31c deutlich zu sehen. ,