Indessen ist es nicht zu verhehlen, daß der ganze westliche Teil des Pazifik, das ganze arktische Gebiet,
sowie z. T. die Antarktis in dieser Beziehung noch unvollkommen erforscht sind. Am genauesten
ist natürlich der Atlantische Ozean erforscht und er ist es auch darum, der die meisten Fundstellen
der V i b i 1 i d e n geliefert hat.
Überblickt man die Verbreitung der V i b i l i d e n im Atlantischen Ozean (Karte I—VI),
so fällt einem zunächst auf, daß in den Warmwassergebieten fast alle Arten meist durchmischt Vorkommen,
während in den arktischen und antarktischen Gebieten dieselben allmählich abnehmen,
bis sie schließlich entweder ganz verschwinden oder nur noch durch eine einzige Art vertreten sind.
Es ist das ganz dieselbe Erscheinung, auf die S c h ü t t (Das Pflanzenleben der Hochsee 1892) bei
der Verteilung der Ceratien-Arten aufmerksam macht. C h u n (11) sagt darüber: ,,Wer die einfache
Gestalt von Ceratium triaos 0. F. Müller aus den kalten Gebieten mit den bizarren Tropenformen
vergleicht, wird sein Erstaunen über die Konstanz und Monotonie im Habitus der nordischen Formen
im Vergleich mit der geradezu ausufernden Variationstendenz der WarmwasserVertreter nicht verhehlen
können.“
Zwischen 50° n. Br. und 40° s. Br. treffen wir durcheinander folgende Arten an: Jeangerardi,
gibbosa, viatrix, Stebbingi, propinqua, australis, armata, pyripes, und cidtripes, während nördlicher davon
nur Kroeyeri und südlicher antárctica und dann an 2 Fundstellen zwischen 40 0 und 50 0 macropis
und an 1 Stelle armata gefunden wurden. Als typische antarktische Form kommt somit nur antárctica
in Betracht. Wie aus der Karte (III) zu ersehen ist, ist diese Art in der Antarktis recht häufig vertreten
und findet sich selbst noch bei einer Breite von nahezu 70 °, also schon jenseits des Südpolarkreises.
Indessen finden wir sie auch noch entlang der südlichen Westküste von Afrika bis zum
Golf von Guinea, was sich ja leicht erklären läßt, da der Benguelastrom gerade hier durch die Kapmulde
über den Walfischrücken bis in die äquatorialen Teile der atlantischen Mulde seine kalten Wasser
ergießt. Überaus interessant ist ferner noch die eine Fundstelle von F. antárctica an der Westküste
von Südamerika, wohin dieselbe jedenfalls auch vom Südpol durch die kalte Strömung hingelangte.
Es stimmt diese Verteilung ganz mit den schon früher für andere Organismen festgestellten Verbreitungsgrenzen
überein. So sagt Chun (11): „Im allgemeinen können wir den 40. südlichen Breitegrad
als Grenze des antarktischen Wassers bezeichnen. Sie wird freilich an zwei Stellen erheblich überschritten,
insofern längs der afrikanischen und südamerikanischen Westküste kalte antarktische
Strömungen bis gegen den Äquator Vordringen.“1)
Nur ganz spärlich sind unsere Kenntnisse über das Vorkommen von Vibiliden in der arktischen
Region. Nur F. Kroeyeri ist bis jetzt daselbst gefunden worden und zwar nach Bovallius’ letztem
Bericht (6) an folgenden Stellen:
Arctic regions
Northern
Atlantic
Davis strait I
1 and Baffins
Bay
Europ.
Arctic Oc.
1 Asiatic. Americ.
I Arctic Oc. Arctic Oc. West Ost
Vibilia Kroeyeri . . X X X
Hierher gehört ev. auch V. Edivardsi sp. Bate, welche dieser Autor „near the Powel Islands“ gefundei
Ob dieselbe Art auch weiter östlich und westlich verbreitet ist, kann man demnach nur vermuten,
nicht aber behaupten.
Die häufigste und kosmopolitisch verbreitete Art ist zweifellos F. armata. Wie die Karte (IV)
zeigt, findet sie sich in sämtlichen daraufhin untersuchten Gebieten, einschließlich des Mittelmeers.
Ähnlich verhält sich propinqua (I), nur geht sie nicht so weit nach Süden und fehlt im Mittelmeer ganz;
Jeangerardi (I) dagegen ist daselbst vertreten, fehlt aber ganz im Pazifik und Indik, so daß dieselbe
demnach als typische Atlantische Form anzusehen ist, die namentlich im nördlichen und nordöstlichen
Teil desselben verbreitet ist. Ebenfalls nur im Atlantik gefunden ist bis jetzt gibbosa (V).
Viatrix (II) ist ähnlich wie propinqua verbreitet, Stebbingi (II) fehlt scheinbar ganz im Indik
und findet sich nur spärlich im Atlantik, häufiger dagegen im Pazifik; dasselbe gilt auch für Chuni (VI).
Als kosmopolitisch, aber nur spärlich, mehr vereinzelt auftretende Arten sind australis (III), pyripes
und cidtripes (VI) anzusehen. Auf den Pazifik beschränkt erscheint bis jetzt longicarpus (VI), deren
korrespondierende Form im Atlantik wohl grandicornis vorstellt. Die Verbreitung der übrigen nur
sehr selten, meist nur ein einziges Mal gefundenen Arten beschränkt sich meist auf den Atlantischen
Ozean: robusta (V), borealis, macropis (V), Bovallii (VI), dentata (II), Alberti (VI). Nur hirsuta (V),
Peroni und affinis gehören dem Indischen Ozean an und longipes endlich dem Atlantik und Pazifik.
Diese leider nur noch spärlichen Angaben über die Verbreitung der V i b i l i d e n zeigen uns
wieder, daß in der Verteilung der Meeresorganismen die Temperatur der maßgebende Faktor ist und
es war deshalb durchaus gerechtfertigt, wenn C h u n 1897 (11) sagte: „Wir würdigen jetzt in vollem
Umfange den Einfluß der Temperatur auf die Verteilung pelagischer Organismen und überzeugen uns,
daß alle anderen Faktoren, wie Belichtung, Salzgehalt, Nähe und Reliefverhältnisse der Küsten erst
in zweiter Linie sich geltend machen.“
Zoologica. Heit 67.