Man hat als A r c h i a n n e l i d a zusammengefaßt die Familien der P o l y g o r d i i d a e ,
der P r o t o d r i l i d a e , sodann die den beiden fernerstehenden Di n o p h i l i d a e und endlich
noch die Gattung Histriobdetta (Histriodrilus). Alle zeichnen sich durch die Abwesenheit von Parapodien
und Borsten aus. Während von manchen Autoren, z. B. B e n h a. m, schon die ursprüngliche
Natur der P o l y g o r d i i d a e angezweifelt wird, die sie vielmehr nur als durch Rückbildung
vereinfachte früher komplizierter gebaute A n n e l i d a ansehen möchten, wird dies bei den
D i n o p h i l i d a e in noch stärkerem Maße angenommen, und Histriobdella vollends, durch parasitische
Lebensweise einseitig angepaßt, ist in ihrer systematischen Zugehörigkeit zu den A r c h i a n n
e l i d a ganz zweifelhaft. B e n h a m allerdings hält den einfachen Bau von Dinophilus für
ursprünglicher als den von Polygordius.
Während diese A r c h i a n n e l i d a gewissermaßen den Urtypus der Ringelwürmer überhaupt
repräsentieren sollten, sah man in der einzigen Gattung Saccocirrus einen Vorläufer einer Unterabteilung
der Annelida, nämlich der C h a e t o p o d e n , und schuf für ihn eine besondere Gruppe,
die der P r o t o c h a e t a (A r c h i c h a e t o p o d a von P a r k e r und H a s w e 11).
Leider wissen wir über die Entwicklung von allen diesen verschiedenartigen Formen nur sehr
wenig, mit Ausnahme der von Polygordius, mit der wir durch die bis ins Einzelne gehenden Arbeiten
von Wo l t e r e c k recht genau bekannt gemacht worden sind. Gerade über die Ontogenese von
Protodrüus und Saccocirrus, die beiden in bezug auf ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse interessantesten
Gattungen sind wir noch fast ganz im unklaren.
Allerdings kennen wir wenigstens die Grundzüge von deren Entwicklung durch die Arbeiten
von P i e r a n t o n i (1906 und 1907), der auch feststellen konnte, daß sich in der Entwicklung beider
Formen einige Unterschiede finden. Die genauere Erforschung der Entwicklung und Organanlage
von Protodrüus und Saccocirrus ist vor allem notwendig, denn erst die Kenntnis hiervon wird zusammen
mit der von dem Bau der erwachsenen Tiere die Stellung beider Gattungen im System und den Grad
ihrer Verwandtschaft untereinander, mit Polygordius und anderen Gruppen der Annelida sowie der
Würmer überhaupt entscheiden können.
Es sol l de sha lb im fol genden nur ganz kur z ge ze igt werden, daß
der Bau der in der v or l i e gende n Arbe i t b e h a n d e l t e n E x k r ét ions - und
Ge s c hl e c ht s or gane , und ebenso die Ar t der Bi ldung der Ge s chl e cht s p
r odukt e , be s onde r s der mä nnl i c he n Würmer , eine gewi sse Ähnl i chke i t
e inma l mi t denen der Ol ig o chaet en, l e t z t e r e aber auch mi t denen von
Protodr i lus auf wei sen, so daß h i e r du r c h wohl auf v e r wa n d t s c h a f t l i c h e
Be z i ehungen h i n g e d e u t e t wird.
Die Geschlechtsausführgänge der S a c c o ci r r i d en sind verhältnismäßig einfach gebaut.
Die drüsigen Teile dieser Gänge im männlichen Geschlecht lassen einen Vergleich mit ähnlichen,
nur noch weiter getriebenen Modifikationen der Samengänge bei den Ol i goc hae t en zu. Diese
pflegen nämlich an ihrem Ende mit einem drüsigen Atrium (Prostata der Lumb r i c i d a e ,
„spermiducal glands“ Be d d a r d s ) in Verbindung zu stehen; bei Stylaria lacustris, Nais ba/rbata
und Chaetogaster diaphanus erweitern sie sich direkt zu einem solchen (s. V e j d o v s k y , 1884,
Taf. IV, Fig. 10, Taf. V, Fig. 7). Es ist aber zu bemerken, daß zwischen der Funktion dieser Abschnitte
bei den S a c c o c i r r i d e n und den Ol i g o c h a e t e n insofern nicht direkte Übereinstimmung
herrscht, als in den Atrien der letzteren Spermamassen angestaut werden können, während für diesen
Zweck bei den S a c c o c i r r i d e n besonderè, n i c h t drüsige Vesiculae seminales vorhanden sind.
Auch die Umwandlung des letzten Abschnittes der männlichen Geschlechtsausführgänge
in ein Kopulatiönsorgan haben nicht wenige O l i g o c h a e t e n mit den S a c c o c i r r i d e n
gemein. Nach V e j d o v s k y (1884) sind diese Organe bei den T u b i f i c i dae und bei Branchi-
obdella sehr kompliziert gebaut, bei den E n c h y t r a e i d a e und einigen L u m b r i c u l i d a e
aber nur als kurze, wenig starre Penisröhren ausgebildet.
Die O l i g o c h a e t e n besitzen gewöhnlich nur eine sehr beschränkte Anzahl von Samen-
taschen-(Receptacula-)Paaren, während die S a c c o c i r r i d e n in jedem der überaus zahlreichen
Geschlechtssegmente je zwei Receptacula aufweisen. Es deuten aber gewisse Umstände bei den
Oligochaeten darauf hin, daß die Vorfahren dieser Anneliden ursprünglich auch einen größeren Reichtum
an solchen Samentaschen besessen haben mögen. So finden sich bei Lumbrictdus variegatus,
Allolobophora chlorotica, Perichaeta hoidleti und Urochaeta je drei Paar, bei Perichaeta cingulata,
posthuma und affinis je vier Paar, bei Lumbricus gigas endlich, wie V e j d o v s k y angibt, nach
D u j e s bald vier, bald s i e b e n Paar derartiger Organe. Die Samentaschen der Oligochaeten
treten im allgemeinen lediglich als von außen in die Körperwand eingestülpte Blindsäcke auf. Wir
sahen, daß jedes Receptaculum von Sacc. major im Gegensatz hierzu nur einen Teil eines umfassenderen
Organes, wohl eines ursprünglichen Nephridiums repräsentiert. Bei Saccocirrus papülocercus scheint
der vorderste Teil dieses Exkretionsorganes, das Nephrostom, bereits rückgebildet zu sein. Es ließe
sich nun denken, daß bei fortschreitender Reduzierung des ganzen Organs schließlich nur noch der
blasenförmig erweiterte Teil mit seiner Funktion als Samentasche übrig bleibt. Tatsächlich nimmt
man ja für die phylogenetische Entstehung der Oligochaeten-Receptacula eine solche allmähliche
Rückbildung eines früher vorhanden gewesenen Kanalsystems (Exkretions- resp. Geschlechtsausführ-
kanals) an.
Daß die Geschlechtsausführgänge von Saccocirrus wahrscheinlich als ehemalige Exkretionsorgane
anzusehen sind, wurde bereits früher (S. 274 ff.) erörtert.
Schon Wil l ia m s (1858) und Cl ap a r ed e (1861) stellten eine Theorie auf, nach der die
jugendlichen Nephridien der Oligochaeten beim Nahen von deren Geschlechtsreife in die Form der
Geschlechtsausführgänge verwandelt würden. L a n k e s t e r (1864—66) erweiterte dann diese
Theorie dahin, daß er ursprünglich wenigstens bei den terricolen Oligochaeten in jedem Geschlechtssegment
zwei Paare von Exkretionsorganen vorhanden sein läßt, von denen nur das eine seine exkre-
torische Funktion beibehalten, das andere aber zum Ausführungsorgan der Geschlechtsprodukte
werden sollte. Wir haben gesehen, daß sich tatsächlich Oligochaeten finden, deren Segmente mehr
als ein Paar von Exkretionsorganen beherbergen.
B e d d a r d behandelt in seiner Oligochaeten-Monographie (1895) das gleiche Problem wieder
in etwas anderer Weise und beschreibt z. B. von Octochaetus multiporus die Bildung der betreffenden
Organe folgendermaßen: „The only positive evidence as to a connexion between the nephridia and
the genital-ducts has been brought forward by myself. In Octochaetus multiporus the genital-ducts
appear to be formed out of a part of the pronephridia, thus confirming the suggestion of B a l f o u r
(Comp. Embryol. Vol. II, p. 617) that ,in the generative segments of the Oligochaeta the excretory
organs had at first both an excretory and a generative function, and that as a secondary result of
this double function each of them has become split into two parts a generative and an excretory4.
The actual facts which I brought forward upon the development of the genital-ducts are the following:
at a comparatively late stage in the development of this worm, after the pronephridia have lost their
distinctive character and have acquired numerous openings on to the exterior, the proximal part of