Wichtigere ist, in Ba hnen, die v o r w i e g e n d h o r i z o n t a l o de r we ni g gegen
di e H o r i z o n t a l e gen ei g t zu sein pflegen.
Davon kann man sich sowohl in einem größeren Aquarium überzeugen, in dem die Tiere bei
diffusem Oberlicht in völliger Ruhe und bei ausreichenden Nahrungs- und Atmungsbedingungen sich
befinden, als auch im Experiment bei Lichtreizen von oben oder unten. Hier zeigt der Vergleich mit
Bosmina longirostris, daß letztere in v i e l s t e i l e r e n B a h n e n der Lichtquelle züschwimmen.
Sobald wir aber bei B. coregoni die Antennen größtenteils entfernen (so daß nur noch das Sich-
überschlagen des Körpers verhindert wird, (Fig. 23 b, Amputation bis a), sehen wir auch diese Tiere
bei entsprechenden Lichtreizen1) fast senkrecht hinauf oder hinunter eilen, während im gleichen
Gefäß und Versuch die nicht operierten Tiere in viel flacheren Spiral- und Zickzackbahnen und viel
langsamer auf- oder absteigen. Die operierten Tiere scheinen übrigens nur durch beschleunigte
Bewegung gradlinig schwimmen zu können, am leichtesten und sichersten sieht ihre Bewegung aus,
wenn sie steil aufwärts (g unter b) schwimmen.
Die Bewegungen dieser eupelagischen großen Bosminen sind demnach im Somme r jedenfalls
durch ihre Langsamkeit (gegenüber den kleinen Formen) und durch die F l a c h h e i t de r
S c hw immb a h n e n ausgezeichnet. Wenn keine Licht- oder sonstigen Reize den Mechanismus
der Bewegung beeinflussen (Nachts und im freien Wasser), ist die F a h r t r i c h t u n g d u r c h s
c h n i t t l i c h 2) e ine h o r i z o n t a l e .
S a i s o n v a r i a t i o n . Nun beginnt auch, meine ich, verständlich zu werden, daß die
Saisonvariation d i e s e r Bosminen in so schroffem Gegensatz zu den früher besprochenen ihrer
kleinen Verwandten steht (Fig. 24):
Im W i n t e r haben sie Hörner von genügender (ursprünglicher) Länge, um den jetzt kurz-
rückigen Körper gradlinig bewegen zu können. Ihre Hörner sind zu dieser Zeit durchschnittlich
etwa so lang wie die der winterlichen Kleinbosminen, d. h. bei einigen Rassen sind sie etwas länger,
bei ändern etwas kürzer, niemals aber sehr lang oder sehr kurz.
Im Somme r muß die Hörnerlänge mit zunehmender Rückenhöhe wachsen, welch letztere
vielleicht zuerst durch gesteigerte Eiproduktion, vielleicht auch zugleich als „Schwebanpassung“
verursacht wurde, dann aber zusammen mit ihrem dynamischen Äquivalent, der Antennenlänge,
eine sehr wichtige Nebenwirkung bekam: d ie S c hwimmb a h n e n a b z u f l a c h e n . Auf
den Nu t zw e r t dieses Effekts, welcher uns die extremen Verlängerungen der beiden Steuerflächen
erst verständlich macht, kommen wir noch zu sprechen.
Dagegen wollen wir der Versuchung widerstehen, eine Analyse all der so unendlich verschiedenen Hörner-, Mucro- und
Rückenformen zu geben, die nun wohl durchzuführen ist. Ich glaube, daß wir gegenüber diesem früher ganz unverständlichen
Formenwirrwarr in der D y n a m i k d e r V o r w ä r t s b e w e g u n g ein auch in allen Einzelheiten anwendbares Erklärungsprinzip
besitzen, dessen Richtigkeit in jedem' Falle durch Beobachtung (am Lebenden!) und Experiment geprüft werden kann.
Nur auf einen P unkt möchte ich kurz hinweisen, alles übrige ergibt sich eigentlich von selbst, wenn wir die Tafeln von
L i l l j e b o r g , B u r c k h a r d t , W e s e n b e r g oder R ü h e von dem hier entwickelten Gesichtspunkt aus durchmustern.
Die Hörner von Bosmina coregoni, gibbera usw. pflegen fast parallel zueinander zu stehen, während die von B. longirostris
beträchtlich divergieren; bei den „Formen“ cornuta und curvirostris sind sie nach außen umgebogen.
Das erklärt sich daraus, daß die Medianebene der großen Bosminen in der Rege l senkrecht im Wasser steh t, dann wirkt
auch die das Steuer vordrückende Schwerkraft vo ll auf die beiden vertikal unter dem Körper befindlichen Steuerflächen. Die
v ie l hurtigeren „kleinen“ Bosminen dagegen schwimmen h äufig m it seitlich geneigtem Körper, dann wirkt die Körperlast nur auf
|)i Diese Versuche wurden am dritten Tage nach der Operation angestellt, welche v on den Tieren bei genügender E rnährung
g u t vertragen wird (vgl. Anm. S. 487). Der von der Operation verursachte Reizzustand war überwunden.
2) Das heißt bei einem Durchschnitt zwischen den (je nach Eibildungsstadium) l e i c h t e r e n und s c h w e r e r e n ,
schnelleren und langsameren Individuen.
d a s e i n e u n t e r d e i n K ö r p e r l i e g e n d e Steuer, während das andere um so weniger den Kopf n a c h u n t e n
lenkend wirkt, je weiter es von der Vertikalstellung abweicht.
Bei Ckydorus, der auch o ft halb in Seitenlage schwimmt, w irkt bald die eine, bald die andere Seite d es b r e i t e n R ostrum-
Steuers am meisten.
d) Dap h n i a cucul l at a („H y al o da p hni a“).
Wir haben nun noch die im Wasser „hüpfenden“ Cladoceren zu besprechen, von denen mich
seit Jahren besonders die (halbpelagischen und eupelagischen) Da p h n i e n interessieren. Ich gestehe
aber offen, daß ich zu einem befriedigenden Verständnis ihrer Bewegung und ihrer Körperanhänge
erst gelangt bin, seit ich meine Versuche an Bosminen wieder aufgenommen habe. Die Bewegung der
Daphnien, so einfach sie scheint, ist nämlich noch um eine Instanz komplizierter als diejenige der
Bosminen, wenigstens soweit die resultierenden Bewegungs r i c h t u n g e n in Betracht kommen.
Doch sind auch bei ihnen die Faktoren der Ortsveränderung wohl zu verstehen. Wir können uns an Ste lle des Krebses
ein im Wasser suspendiertes Fahrzeug denken, wobei wir die Abweichungen der Bewegung unserer Tiere aus der Medianebene
(also nach rechts und links) vernachlässigen wollen, da solche in der T a t bei den eupelagischen Formen keine nennenswerte ökologische
R olle spielen. Wenn w ir so nur die i n e i n e r v e r t i k a l e n E b e n e sich vollziehenden Bewegungen zu analysieren
Fig. 25. Achsenverschiebung während der Bewegung einer jungen
Daphnia, b Ansatzpunkt der Bewegung, B Richtung des durch
den Ruderschlag erteilten Vorstoßes. Bo und B x seine Wirkung
auf das Vorder- -und Hinterende der Längsachse. G-, und Gy
Wirkung der Schwerkraft auf die Stellung der Längsachse.
Fig. 26. Kurzköpfiges Weibchen von Hyalodaphnia
eu eu lia ta in „Normalstellung“ während ein neuer
Rüderschlag erfolgt.
B Schlagrichtung G Gravitation, BG Vortrieb.
brauchen, können wir uns das Fahrzeug auch in eine horizontale Ebene übertragen denken, wo die Fahrtrichtung nach rechts und
links an Stelle der Daphnienbewegung nach oben und unten tritt; für letztere gewinnen wir also ein bequemes Vergleichsobjekt in
der Bewegung eines Schiffs auf dem Wasserspiegel.
Da die Bewegungen der D aphnien nicht auf einem kontinuierlich wirkenden sondern auf intermittierendem A ntrieb beruhen,
so w erden w ir besser als ein M otor- oder Segelschiff ein R u d e r b o o t zum V ergleich heranziehen, wobei w ir aber E ines zu berücksichtigen
haben. Bei Motor- wie Ruderbooten pflegt Antriebrichtung und Längsachse (Kielrichtung) übereinzustimmen,
die bewegende Kraft treibt das Wasser grade nach hinten, das Fahrzeug grade vorwärts. Bei den Cladoceren dagegen bildet die
S chlagrichtung des Ruderns ste ts einen Winkel zur Längsachse des Körpers, das Wasser wird s c h r ä g nach hinten, der Körper
schräg nach vorn getrieben. Wir dürfen diese Tiere daher nur mit einem Boot vergleichen, das e i n s e i t i g (nur r echts oder nur
links, bezw. auf einer Seite stärker als auf der ändern) gerudert wird, ähnlich wie von Daphnia — bei normaler Bewegung — das
„Dorsalruder“ (vgl. S. 500) kräftiger als das ventrale, bei Bosmina umgekehrt das Ventralruder kräftiger als das dorsale gebraucht
wird. — Ich erinnere daran, daß bei einem rechts stärker geruderten Boot d as Steuer nach rechts g estellt ist, wenn die Fahrt grade-
aus gehen soll, daß bei Daphnia dementsprechend die Spina dorsalwärts, beiRos/wmaHörner und Mueronen ventralwärts gerichtet sind.
S c o u r f i e l d hat bereits gezeigt, daß die Fortbewegung bei Daphnia aus dem Zusammenwirken
der Schwerkraft und der schräg nach vorn und ventralwärts gerichteten Eigenbewegung
zustande kommt (Fig. 26). Er erkannte auch, daß die Tiere entsprechend der beständigen
Abweichung der Eigenbewegung von der Körper-Längsachse eigentlich in Kreisen schwimmen müßten.