zu bewirken (Fig. 31). Erst beim Übergang zur 4. (Tage s-)Phase macht sich diese Ablenkung be-
merklich und verhindert das Aufsteigen weiterer Tiere über die mit dem Steigen der Sonne immer
tiefer rückende „Dämmerungszone“. Abends rückt diese Zone, in Welcher die Cladoceren-Bewegung
„horizontalisiert“ wird, wieder hinauf: Phase 1.
Das Charakteristische an diesem zweiten ,,Wanderungs“-Rhythmus ist also die 3. Phase: durch
die bloße I n t e n s i v i e r u n g der Ruderschläge, durch die Verkürzung der Schlagpausen werden
die Schwimmbahnen der Nachts in den oberen Wasserschichten horizontal schwimmenden Tiere so
lange nach oben gelenkt, als die Lichtintensität noch nicht den für die A b 1 e n k u n g der Schwimm-
richtung ( Ho r i z o n t a l i s i e r u n g ) erforderlichen Grad besitzt. Bei den Cladoceren mit steilerer
Bewegungsrichtung (D. longispina etc.) führt d i e s e Wirkung der Morgendämmerung deshalb
nicht zu einer Maximum-Bildung an der Oberfläche, weil die Tiere bei Beginn der Dämmerung
schon in größeren Tiefen verstreut sind. Ehe sie, infolge der beginnenden Lichtreize hinaufgeführt,
Fig. 32. D ie beiden Methoden des „II i n a b w a n d e r n s “ links: durch V erlängerung der Schlagpausen (Bewegungshemmung),
rechts: durch Horizontalisierung der 'Schlagrichtung (Dorsalruder verstärkt). Beide Arten des Absinkens kann man bei B e rührungsreizen
und Lichtreizen beobachten.
sich oben „ansammeln“ könnten, ist die Lichtintensität stark genug geworden, um ihre Schwimmbahnen
horizontal abzulenken. Es wird nötig sein, bei D. longispina diese Verhältnisse genau zu
prüfen (an trüben und hellen Morgen); vielleicht werden sich dann auch in ihrer Vertikalverteilung
Anklänge an die von R u 11 n e r entdeckte Frühwanderung der D. cucullata finden, deren Ursachen
ich nun zu verstehen glaube.
2. Ökologischer Wert der Richtungsorgane von Bosmina gibbera und Daphnia cucullata.
Welchen Nutzen haben nun die besprochenen Besonderheiten der Bewegungsrichtung und
Wanderung für unsere Tiere?
E in wesentlicher Nutzen der Richtungsorgane wurde bereits für a l l e freischwimmenden
Formen, selbst für die zeitweise kriechenden (Chydorus) von uns konstatiert: die Steuer- und Stabilisierungsflächen
sind nötig für g r a d l i n i g e Bewegung dieser schräg zur Längsachse vorwärts
getriebenen Fahrzeuge. Als die charakteristische Leistung der Richtungsorgane von D. cucullata
und B. gibbera erkannten wir aber etwas anderes: die Horizontal isierung der Schwimmbahnen.
Diese wird aber schon bei allen schwimmenden Cladoceren durch L i c h t r e i z e besorgt, warum
bei unseren Tieren außerdem durch Steuerorgane? Wir wollen die damit verbundenen Vorteile
kurz aufzählen:
a) K r a f t e r s p a r n i s .
Während das Niveauhalten der helmlosen Daphnien und • kurzhörnigen Bosminen hauptsächlich durch die Energie der
Eigenbewegung erzielt wird, ermöglichen die Steuerorgane, daß die Energie des beim Vorwärtsschwimmen entstehenden Wasserwiderstandes
und diejenige der Schwerkraft benützt wird, um das Fahrzeug in der Schwebe zu halten oder schräg aufwärts zu
tragen. In ganz ähnlicher Weise n ü tz t ein „Gleitflieger“ (Vogel oder Mensch) die Gravitation und den Luftwiderstand aus,
während andere Flieger vorwiegend durch eigene. Kraft sich heben bezw. Niveau halten müssen.
Dieses Erklärungsprinzip mag seine Bedeutung haben, läß t aber ganz unerklärt, weshalb jene Horizontalisierung der Be wegung
und Kraftersparnis b e id en beiden genannten T ierformen im S om m e r , fast gar nicht im Winter stattfin d e t, während
andere, nicht so extrem umgebildete Formen (Bosmina longirostrisqtc.) gerade umgekehrt im Sommer mehr E igenkraft, im Winter
größere Steuerflächen entwickeln. Allerdings haben wir gesehen, daß es sich bei diesen k l e i n e n Bosminen vorwiegend um
die Erzielung g e r a d 1 i n i g e r Bewegung handelt. Gleichwohl zwingt uns dieser Widerspruch des Verhaltens der beiden
Bosmina-Typen, nach einem zweiten Motiv speziell für die s o m m e r l i c h e Ausbildung von Steuerflächen zu suchen.
b) E r n ä h r u n g .
Den Nutzen oder sogar die Notwendigkeit dieses Verhaltens erkennen wir, glaube ich, sobald
wir die Ernährungsweise der eupelagischen Bosminen und Daphniden berücksichtigen. Wie
ich 1908 nachwies, bilden nur die kleinsten pelagischen Organismen, das sogenannte „Nanno-
plankton“ (Lohmann) oder Zentrifugenplankton die Nahrung unserer Tiere, die das durchschwommene
Wasser beständig mit ihren reusenartigen Beinanhängen durchseihen.
Neuere Untersuchungen, die auf Veranlassung des Leipziger Zoologischen Instituts an einigen
Seen (Zuger See und Mansfelder See) zurzeit vorgenommen werden, zeigen nun, daß einige jener
Organismen i mSo mme r e ine d e u t l i c h e z o n a r e S c h i c h t u n g aufweisen, während
sie im Winter gleichmäßiger verteilt sind. Das entspricht ganz den Temperaturverhältnissen.
E t w a im Mai , we n n di e S c h i c h t u n g des Was s e r s s i c h a u s b i l d e t und
e ine S p r u n g s c h i c h t e n t s t e h t , b e g i n n t a u c h d i e s e S c h i c h t u n g der
Nä h r a l g e n im See; zugleich erfahren diese mit zunehmender Wasserwärme eine gewaltige
Vermehrung innerhalb ihrer „Wohnschicht“.
Zu gleicher Zeit wird auch, und zwar (wie bekanntlich W e s en b e r g - L u n d nach wies) ,-
in sehr kurzer Zeit, die Form derjenigen Organismen, die sich von diesen Zwergalgen nähren, vollständig
verändert: die Daphnien bekommen hohe Helme, die Bosminen hohe Rücken und lange
Hörner usw.
Gleichzeitig konstatieren wir, und zwar wie oben dargelegt infolge jener Formänderungen,
das vorwiegend horizontale Schwimmen und das Wandern in flachen Bahnen, und weiter als Folge
davon die zonar beschränkte Verbreitung der genannten Krusterx). Und zwar hat es den Anschein,
als ob die Cladoceren in Schichten sich aufhalten, in welchen bestimmte Kleinalgen suspendiert sind.
Genauere Untersuchungen über diese Verhältnisse sind jetzt im Gange; was uns dabei unter anderem
noch fehlt, ist eine genauere Kenntnis der einzelnen für jedeCladocerenart wichtigsten Nährorganismen.
Jene Bewegungsregelung hat also — ganz allgemein gesprochen — den Effekt, d a ß d ie
T i e r e s t ä n d i g in i h r e r „ N a h r u n g s s c h i c h t “ bl ei ben.
Nun haben die erwähnten Seeuntersuchungen weiter ergeben, daß jedenfalls viele (pflanzliche)
Angehörige des Zentrifugenplanktons tägliche Wanderungen ausführen, die ja auch bei der bekannten
Lichtreizbarkeit der Flagellaten, Sporen etc. zu erwarten waren. Sogar in Teichen wurden regelmäßige
Niveau-Verschiebungen der Maxima dieser Zwergalgen konstatiert. Demnach können wir
v i e l l e i c h t die Besonderheiten der Cladoceren-Wanderungen, wie meine Schüler Di e f f en-
!) Im Winter pflegen die Cladoceren gleichmäßiger im Wasser ver teilt zu Sein (im Zuger See 0—180 m gegenüber
0—25 m im Sommer), nur über dem Grunde fand B e h r e n s (1. c.) ein sehr ausgesprochenes Maximum, welches nach meinen
Beobachtungen an Kulturen wahrscheinlich darauf beruht, daß im kalten Wasser die Schwimmbahnen häufig abwärts führen.
„Dieses Tiofenmaximum läßt sich bis in den Mai verfolgen, wo es langsam abnimmt. Gleichzeitig is t in den obersten Schichten
eine starke Zunahme zu konstatieren. Besonders auffällig is t, d aß die Daphniden aut die obersten Schichten über der Sprungschicht
beschränkt sind.“ (Behrens S. 542.)
Zoologloa. Heft 67. 66