in den Kreis seiner Betrachtung zu ziehen. So finden wir bei ihm zum ersten Male die Schilderung
der gesamten inneren Topographie einer Euphausiaceengattung, nämlich von Stylocheiron.
Es erschien mir nun für den Rahmen eines Beitrages zu der vorhegenden Festschrift ganz
besonders geeignet, diese Untersuchungen unseres hochverehrten Jubilars und Lehrers weiter fortzuführen.
Ich wählte die Gattung Euphausia, von der mir reiches Untersuchungsmaterial zur Verfügung
stand: In den mir zur Bearbeitung anvertrauten Schizopoden der Deutschen Südpolarexpedition
war die Art E u p h a u s i a s u p e r b a D a n a so zahlreich vertreten, daß ich ohne
Gewissensbisse eine Anzahl von Exemplaren der anatomischen Zergliederung opfern konnte.
Die Art verdient ihren Namen mit Recht, denn es sind stattliche große Tiere, die eine für
Euphausiaceen beträchtliche Länge von etwa 5—6 cm erreichen. So ist es möglich, auch mit Präpariernadel
und Scalpell an die Untersuchung heranzutreten und das Studium von Mikrotomschnitten
mit einer Prüfung der Organe und Organteile in toto zur wechselseitigen Kontrolle und Ergänzung
zu vereinen. Diesem Vorteil gegenüber fiel der geringe Nachteil nur wenig ins Gewicht, den die Größe
des Tieres dadurch mit sich brachte, daß bei der verminderten Durchsichtigkeit des Körpers eine
Untersuchung bei durchfallendem Lichte keine besonderen Ergebnisse hatte.
Das Material war in Sublimat konserviert und sein Erhaltungszustand nicht schlecht* aber
bei den einzelnen Exemplaren etwas ungleichmäßig. Freilich, für feinere histologische Untersuchungen
reichte er nicht aus. Es hätte sich wohl noch manches Histologische trotzdem herausarbeiten lassen,
doch war zu erwarten, daß man an Euphausiaceenmaterial, das in unseren Breiten ad hoc konserviert
ist, leichter zum Ziel kommt und vor allem sicherere Ergebnisse erhält. Aus diesem Grunde, habe
ich im allgemeinen von histologischen Untersuchungen abgesehen.
Wenn in den folgenden Blättern die einzelnen Organsysteme in etwas bunter Ordnung stehen,
so hat das seinen Grund darin, daß ich beim Beginn meiner Arbeit noch nicht überblicken konnte,
welche Zeit sie erfordern würde, und ob es mir möglich sei, bis zum Abgabetermin alle Organe zu
behandeln. Ich habe darum die einzelnen Systeme in der Reihenfolge vorgenommen, wie sie sich
im Laufe der Untersuchung am bequemsten boten, und sie einzeln mit Text und Zeichnungen druck-
fertig gemacht, ehe ich zum nächsten schritt. Die Zeit hat in der Tat nicht ausgereicht, um alle
Organsysteme mit der gleichen Ausführlichkeit zu behandeln, und das Nervensystem ist etwas zu kurz
gekommen. Um jedoch die Arbeit zu einer gewissen Abrundung zu bringen, habe ich auch von ihm
eine Beschreibung in großen Zügen gegeben.
Im Verlauf der Bearbeitung hatte sich bei mir der Wunsch rege gemacht, manche Verhältnisse
am lebenden Tiere nachzuprüfen und durch Beobachtung der Lebensweise Aufschluß über die Bedeutung
mancher anatomischer Verhältnisse zu bekommen. Auf meine Bitte wurde mir zu diesem
Zwecke von seiner Exzellenz dem Herrn Kultusminister ein Arbeitsplatz an der Zoologischen Station
in Neapel während des Monates März dieses Jahres zur Verfügung gestellt. Leider war die Jahreszeit
wenig geeignet für meine Zwecke: schlechtes Wetter machte Fahrten im Meere außerhalb des
Golfes, wo Euphausiaceen in größerer Zahl zu erwarten waren, unmöglich, so daß mir das Material
nur spärlich floß.
Meine Beobachtungen konnte ich darum nicht zum Abschluß bringen und muß nochmals die
Gelegenheit eines Aufenthaltes in Neapel zu günstigerer Zeit suchen. Ich will in den folgenden Zeilen
nur dort einiges mitteilen, wo es die Gelegenheit erfordert,
I. Das Gefäss-System.
Cl aus (1884) gibt in seiner Abhandlung über die Kreislauforgane der Schizopoden und
Decapoden zwar eine sehr ausführliche Schilderung der Verhältnisse bei den Mysidaceen, behandelt
aber die Euphausiaceen nur äußerst kurz. Er beschränkt sich darauf, eine knappe Beschreibung
des Herzens zu geben und den Ursprung der großen Gefäßstämme festzustellen, ohne diese in ihrem
Verlaufe weiter zu verfolgen.
Er findet, daß sich das Euphausiidenherz im Gegensatz zum Herz der Mysidaceen infolge
seines gedrungenen Baues dem Decapodentypus nähert, dem es schon durch die Dreizahl der Ostien
nahe steht. Auch in der Anordnung der großen Gefäße zeigen die Euphausiaceen mehr Verwandtschaft
mit den Decapoden als die Mysidaceen. Neben den drei, am Vorderrande des Herzens entspringenden
Gefäßen, der Aorta cephalica und den beiden Seitenarterien findet er an der Ventralseite des Herzens
eine paarige Leberarterie, eine unpaare Aorta deseendens und eine abdominale Aorta. Dagegen erwähnt
er nichts von den beiden Arteriae laterales posteriores, wie er sie bei den Mysidaceen fand
und bei manchen niederen Decapoden und Decapodenlarven ebenfalls feststellte, obwohl diese
Gefäße auch bei den Euphausiaceen nicht fehlen.
Viel genauer verfolgt Chun den Verlauf der Gefäße bei Stylocheiron.
Auch er stellt fest, daß das Herz nach Decapodentypus gebaut ist und drei Ostien besitzt.
An der Aorta cephalica weist er die Gabelung in die Augenarterien und die Gehirnarterien nach.
Die ersteren verzweigen sich in den Augen zu zahlreichen Capillaren, deren Anordnung er auch bei
anderen Euphausiaceengattungen verfolgt. Eine merkwürdige Erscheinung findet er an der Aorta
cephalica kurz vor ihrer Verzweigung: in der Stirnregion sitzt ihrem Hinterrande eine kugelige, blutgefüllte
Ampulle auf, die mit einem kräftigen Muskelbelage bedeckt ist. Chun faßt sie als ein Stirnherz
auf, das das Blut in die mächtig entwickelten Augen mit ihrem komplizierten Capillarensystem
pumpen soll. Bei den anderen Euphausiaceengattungen, die er auf die entsprechenden Verhältnisse
prüfte, bei Euphausia, Nematoscelis und Thysanoessa suchte er dieses Stirnherz vergeblich.
Die Seitenarterien findet er im Bereich der Mundgliedmaßen gegabelt, wobei der vordere
Ast zu den Antennen verläuft. Die Leberarterien verfolgt er in ihren Verzweigungen bis zwischen
die Ovarien und Leberläppchen. An der Aorta deseendens weist er eine Gabelung nach, deren Äste
das Bauchmark durchdringen und in die Sternalarterien übergehen.
Wenn ich im folgenden versuche, den Bau der Kreislauf organe bei Euphausia mit den erwähnten
Verhältnissen zu vergleichen und die einzelnen Gefäße womöglich noch weiter zu verfolgen, so bin ich
mir bewußt, daß mir dies nur sehr unvollkommen gelungen ist. Zum Studium der feinsten Verzweigungen
reichte die Konservierung nicht aus. Es erwies sich überhaupt als sehr schwierig, feinere
Gefäße auf einer längeren Schnittserie zu verfolgen. Sie neigten sehr dazu, zu kollabieren, so daß sie
im Präparate als feiner Strich erschienen, der sich noch dazu zwischen die anderen Gewebe einklemmte
und dann kaum mehr festzustellen war. Die Schwierigkeiten wurden noch dadurch erhöht, daß die
Verzweigungen oft rechts und links nicht symmetrisch waren und auch bei verschiedenen Exemplaren
verschieden verliefen, so daß sich die Verfolgung eines Gefäßes, dessen Verlauf man im einen Präparate
oder auf der einen Seite verloren hatte, durch Vergleich der anderen Seite oder an einem anderen
Exemplare auch nicht immer machen ließ.
Ein Versuch, über die Septen des Körpers und damit das venöse Lakunensystem an der Hand
der Schnittserien Klarheit zu gewinnen, zeigte sich auch bald als aussichtslos. All diese Feinheiten