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zugesetzt wird, so erfolgt die Reaktion, die Zersetzung der H202, an der Oberfläche der wirksamen
Fermentteilchen. Es muß zu diesem Zweck einmal das H20 2 an die Fermentoberfläche herangelangen.
Dort wo die Zersetzung stattfindet, sinkt die Konzentration des H20 2 auf 0, es tritt also ein Konzentrationsgefälle
auf und dementsprechend muß neues H20 2 herandiffundieren. Neben dieser Diffusion
erfolgt nun ein zweiter, chemischer, Vorgang, nämlich die Zersetzung des H20 2. Wenn man
nun die Geschwindigkeit der Reaktion mißt, so fragt es sich, welcher dieser beiden Teilvorgänge
dabei eigentlich verfolgt wird. Nach einer Untersuchung von Nernst und Brunner, welche eine
Reaktion im makroheterogenen System, d. h. bei zwei makroskopisch getrennten Phasen, verfolgten,
nimmt man nun an, daß der e:gentlich gemessene Vorgang in vielen Fällen die Diffusion ist, während
die chemische Reaktion an der Oberfläche der Fermentteilchen mit außerordentlich großer, unmeßbarer
Geschwindigkeit verläuft. Unter diesen Bedingungen ist, wie Nernst und Brunner gezeigt
haben, die gemessene Geschwindigkeit die einer Reaktion I. Ordnung, wenn man nur durch hinreichende
Durchrührung der Flüssigkeit dafür sorgt, daß die Konzentration des reagierenden Stoffes
überall in der Flüssigkeit gleich groß ist. Dieser Mühe ist man für die kolloidalen Lösungen überhoben,
da bei ihnen infolge der sog. Brownschen Molekularbewegungen, die freiwillig erfolgen, die
Fermentteilchen dauernd in neue Gebiete der Lösung hineingelangen und so die Konzentration überall
gleich erhalten wird.
Die Verhältnisse ändern sich aber sofort, wenn das entstehende Reaktionsprodukt, in unserm
Falle der Sauerstoff, die Reaktion beeinflußt. Dies geschieht nach unserer Vorstellung dadurch, daß
der freiwerdende Sauerstoff von den Fermentteilchen adsorbiert wird. Daß kolloidale Lösungen starkes
Adsorptionsvermögen besitzen, ist eine bekannte Erscheinung, in unsrem Falle läßt sich die' Tatsache
leicht nachweisen. Läßt man nämlich die H20 »Zersetzung in einem ruhenden Gefäß vor sich gehen,
so sieht man gar keine oder nur sehr geringfügige Gasentwicklung. Schüttelt man nach Ablauf der Reaktion,
so wird sofort eine große Menge Sauerstoff abgegeben. Diese Menge ist um ein Vielfaches größer,
als die Lösungsfähigkeit des gleichen Volumen destillierten Wassers beträgt, sie muß also durch die
Fermentteilchen entwickelt werden. Dies läßt sich leicht noch genauer beweisen, wenn man das
Reaktionsgefäß mit einer Gasbürette verbindet, in der die Quantität des abgeschiedenen Sauerstoffs
gemessen werden kann. Man sieht dann einmal, daß von dem während der Reaktion freiwerdenden
Sauerstoff bei ruhendem Gefäß nur ein sehr kleiner Teil aus der Lösung entweicht. Z. B. wurden bei
einer Reaktion, die theoretisch 104 ccm 02 liefern mußte, nur 16 ccm von der ruhenden Flüssigkeit
abgegeben. Es tritt also während der Reaktion eine sehr erhebliche Übersättigung der Lösung mit
Sauerstoff ein. Erhöht man nun bei gleichbleibender H20 2Konzentration die Fermentmenge, so
tritt zweierlei ein. Erstens nimmt mit erhöhter Fermentkonzentration die Menge des freiwillig abgegebenen
Sauerstoffs ab. Aus einer Lösung, welche 24 ccm 02 entwickeln mußte, wurden z. B. bei
der Fermentkonzentration 1 1.8 ccm 02 abgegeben, obwohl die Reaktion noch nicht ganz zu Ende
gegangen war, bei der Fermentkonzentration 2 ergaben sich jedoch nach Schluß der Reaktion nur
0,2 ccm 02. Es steigt also die Übersättigung mit der Fermentkonzentration. Rührte man nun zweitens
nach Beendigung der Reaktion das Gemisch intensiv durch, so gelang es bei der Fermentkonzentration 1
allen theoretisch entwickelten Sauerstoff auszutreiben, bei der Fermentkonzentration 2 wurden jedoch
statt 24 ccm nur 8,5 ccm 0 2 erhalten, 15.5 ccm demnach durch die Fermentteilchen festgehalten.
Besonders dieser letzte Punkt und vor allem die Langsamkeit, mit der beim Rühren die Übersättigung
in der kolloidalen Lösung aufgehoben wird, sprechen dafür, daß nicht nur einfache Gasübersättigung
der Lösung, sondern Adsorption an den Fermentteilchen vorliegt.