Nach Oka (1. C., 8., 132 f.) öffnet ¿oh der Statoblast bereits auf einem Stadium, wo noch keinerlei
Veränderungen des ¿halte stattgefunden haben, und der Autor nimmt an, daß das Aufspringen
der Schalen eher äußeren Einflüssen als dem inneren Druck zuzuschreiben sei. Am Rande, Wo das
Wasser den Inhalt des geöffneten Statoblasten umspült, verdickt sich nach Oka das Epithel, und
von hier schreitet die Verdickung weiter, so daß sie in der Mitte der Schalenfläche am spätesten
auftritt. An einer Stelle des verdickten Randes erscheint nun die erste Knospe, die sich von vornherein
genau so entwickelt wie die Knospen des Stockes.
In allen diesen Punkten stehen Oka’s Befunde in einem unbedingten Gegensatz zu meinen
Feststellungen, sowohl bei Cristatella als auch bei' Pectinatefla magnifica.
Oka selbst, dem nach Abschluß seines Manuskriptes meine auf Cristatella bezügliche Mitteilung
vom Jahre 1889 zu Gesicht kam, betont in einer Anmerkung, daß meine Angaben „m many fundamental
points“ von den seinigen abweichen, und er schließt daraus, „that very considerable Variation
of development obtains among different species of Polyzoa“.
Das mochte gelten, solange es sich um die Vertreter zweier verschiedener Gattungen handelte,
die in der Regel sogar in verschiedenen Familien untergebracht werden. Nachdem aber die Untersuchung
von Pectinatefla magnifica eine weitgehende Übereinstimmung mit den Befunden bei Cristatella
ergeben hat, fällt es mir schwer, an einen schroffen Kontrast innerhalb einer und derselben Gattung,
bei Pectinatefla magnifica und gelatinosa, zu glauben. Ich muß annöhmen, daß entweder meine
odeT Oka’s Ermittelungen größtenteils unrichtig sind.
3. Verhältnis zwischen Cristatella und Pectinatella.
Uber die einzelnen Differenzen in der Entwickelung ist schon bei der Beschreibung der betreffenden
Vorgänge bei Pectinatefla gesprochen worden. Es bleibt also nur noch übrig, das Einzelne in
ein Gesamturteil zusammenzufassen.
In allem Wesentlichen, allem, was die Bildung des ersten Polypides des Statoblasten besonders
auffällig kennzeichnet und von der Polypidbildung im Stock unterscheidet, namentlich also in der
Existenz einer flächenhaft ausgebreiteten und allmählich nach innen verlegten Keimscheibe, verhalten
sich Cristatella und Pectinatella gleich.
Auch die Entstehung der ersten Tochterknospe stimmt insofern bei beiden überein, als diese
Knospe sich n e b e n der polypoiden älteren, statt wie später a n und a u s ihr, entwickelt.
Bei alledem ist aber nicht zu verkennen, daß die Entwickelung bei Pectinatella der normalen
Knospung näher steht als bei Cristatella: nach der Zusammenziehung der Keimscheibe lenkt die
Polypidbildung bei Pectinatella rascher in die normalen Bahnen ein, und die zweite Knospe entwickelt
sich in so engem Anschluß an die erste, daß auf gewissen Stufen schon die Form einer gewöhnlichen
Doppelknospe zum Ausdruck kommt.
Welcher von beiden Fällen, der bei Cristatella oder bei Pectinatella, wird nun als der ursprüng-
lichere zu betrachten sein?
Eine sichere Antwort darauf kann ich nicht geben. Ich kann nur eine Meinung äußern und
das Material dazu vorlegen.
Es fragt sich zunächst, ob die Knospung im Statoblasten allgemein als eine Wei terbi ldung
der Knospung im Stock, wie sie gegenwärtig bei den Phylactolämen besteht, aufzufassen ist,
oder ob sie auf ältere Knospungsformen zurückgeht. Theoretisch ist das zweite ebenso möglich
wie das erste. Denn da die Knospungsweise der Phylactolämen selbst nichts Ursprüngliches ist,
sondern, wenn auch nur indirekt und durch fehlende Zwischenglieder, aus der Knospung der
Gymnolämeü sich herleitet,\so kann der Statoblast sehr wohl ältere Zustände der Knospung bewahrt
haben, während die Knospung im Stock weitere Modifikationen erfuhr.
Im ersten Falle Würde die Entwickelung bei PeetimteUa die ursprünglichere sein, da sie der
gewöhnlichen Knospung am nächsten steht, und die stärker abweichenden Vorgänge bei Cristatella
würden die jüngere Form der Entwickelung darsteflen. Diese Ansicht hat aber für mich wenig Wahrscheinlichkeit,
Weil, wenn einmal der bei Pectinatefla herrschende Zustand erreicht war, keine Grunde
zu finden sind, die das bei Cristatella bestehende Verhältnis notwendig oder auch nur wünschenswert
machen konnten. Vielleicht könnte man sagen, daß die weite Entfernung der beiden ersten Knospen
bei Cristatella von Vorteil war, weil sie der definitiven Stellung derPolypide nahe kommt. Aber
dieser Vorteil ist weder groß genug, um die Abänderung zu erklären, noch überhaupt einleuchtend.
Als das Ziel der Entwickelung wird ja doch der im St öck herrschende Knospungsmodus zu betrachten
sein, und der Weg dahin wäre beim Übergang von Pectinatella zu Cristatella nicht verkürzt und
vereinfacht, sondern im Gegenteil kompliziert und verlängert, denn der Abstand zwischen der
Knospung im Cristatelk-Stätoblasten und der Knospung im Stock ist der allergrößte, ■ ■ ■
Anders liegen die Dinge, wenn wir den zweiten Fall annehmen und die Knospung im Statoblasten
der Form nach für älter halten als die Knospung im Stock. Dann würde die Entwickelung
im Statoblasten von Cristatella die ursprüngliche sein, und bei Pectinatella würde sich schon eine
Annäherung an die gewöhnliche Kr.ospungsweise vollzogen haben.
Für diese Auffassung sprechen die tatsächflchenÜbereinstimmungen, die zwischen der Knospung
im Statoblasten und der Knospung der Gymnolämen zu finden sind. Beide repräsentieren die .
.Knospung mit voraneilendem Cystid‘* p i t s c h e ) , d. h. das Polypid tritt in einem zum voraus
fertiggesteflten Cystid auf, während bei den Phylactolämen im allgemeinen zuerst das Polypid und
dann das zugehörige Cystid angelegt wird. Ferner stimmt die Funicularbildung überem: sie vollzieht
sich im Statoblasten durch Anlehnung des Knospenbodens an die gegenüberliegende Leibeswand,
d. i. genau so, wie bei der Süßwasser-Ctenostome PafaÄceBo. -
Sodann ist auch der Entwickelungsverlauf leichter verständlich, wenn man von Cnstatefla
ausgeht und von da über Pectinatefla zur gewöhnlichen Knospung fortschreitet, als Wenn man den
umgekehrten Weg einschlägt. Bei Cristatella sind alle Teile des Knospenkomplexes AB weit auseinandergezogen
und über den größten Teil der Statoblastenwand aUSgebreitet. Es bedarf starker
Veränderungen innerhalb dieses Bezirkes, um auf den gewöhnlichen Weg der Knospung zu gelangen.
Weniger schwierig ist das bei Pectinatefla geworden. Hier liegen prinzipiell gleiche, aber zu Gunsten
einer abgekürzten Entwickelung modifizierte Verhältnisse M die Teile der Knospen sind naher zusammengerückt
und fügen sich leichter und schneller in die Form der normalen Ausbildung des Stockes.
Dieser Auffassung scheint nur e i n Umstand entgegenzustehen, nämlich der Bau der Ghitm-
schale. Was die Einrichtung der Schale b e trifft,« ,» d e r Statoblast von Cristatella bei weitem das
künstlichere, stärker modifizierte Gebilde, er ist der künstlichste unter allen Statoblasten überhaupt,
Aber es wäre doch wohl verfehlt, nach dem Bau der schützenden Hüllen die Entwickelupgsvorgange
zu beurteilen, die sich im Innern vollziehen. Aus der hochgradigen Umformung der Schale ist nur