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 Kap.  III.  I Jber  die  Herkunft  einiger  Riclitungsorgane  bei  Cladoceren. 
 Die Frage, die uns in diesem und dem folgenden Abschnitt beschäftigen soll, ist eine historische,  
 „phylogenetische“,  doch  glaube  ich,  daß  wir  sie  in  mehr  befriedigender Weise  behandeln  können,  
 als  das  sonst möglich zu sein pflegt.  Fast allen Anpassungen gegenüber sind wir ja, wenn wir ihre  
 Herkunft  erforschen wollen,  darauf  angewiesen,  die Vorstadien  aus Ontogenie,  vergleichender Morphologie  
 oder Paläontologie zu  e r s c h l i e ß e n ;  und gar wenn wir ihre Kausalität ergründen wollen,  
 bleibt  es  ganz  der Hypothese und  beinahe  dem  Geschmack  überlassen,  den Anteil  der  Mutation,  
 der  direkten Milieuwirkung und  der Selektion  an  diesen  Organbildungen  abzuschätzen. 
 In  der gleichen Lage  sind wir,  wenn wir  etwa  die Geschichte  des  langgestreckten Leptodora-  
 Körpers,  des  Bythotrephes-Abdomens,  die Rückenverlängerung  von Evadne  aufklären  wollen:  auch  
 hier  können wir  bezüglich  der  Vorstadien  nur  Vermutungen  auf stellen.  Anders  liegt  dagegen  die  
 Sache,  wenn wir  die  pelagischen Besonderheiten  des Bosmina-  oder Daphnia-Körpers  untersuchen:  
 hier finden wir  selbst bei  den  zuzeiten  extrem  veränderten Biotypen noch heute zu ändern Zeiten  
 des  Jahres  oder  unter  anderen  Milieubedingungen  alle Vorstadien  v e r w i r k l i c h t ,   und  zwar  
 ebenfalls  bei fertigen Tieren,  die n a c h  Ma ß g a b e   i h r e r  R e a k t i o n s n o rm   bald  so  bald  
 so. aussehen. 
 Diese Vorstadien gehen  entweder nur bis  zu  einer bereits pelagischen x)  aber primitiven und  
 vielen  extremen  Biotypen  gemeinsamen  Urform  zurück  (Bosmina),  oder  sie  lassen  sich  sogar  bis  
 zu den nicht-pelagischen Anfängen zurückverfolgen (Daphnia), und zwar bei  a u s g e w a c h s e n e n   
 T i e r e n   des   g l e i c h e n  Bi o t y p us .   Im  letzteren  Falle  (Daphnien-Helm  etc.)  können wir  
 den  mit  dem Übergang  zur  pelagischen  Lebensweise  verbundenen  Funktionswechsel,  können wir  
 ferner Milieubedingtheit und  Selektionswert der  einzelnen Merkmalstufen,  also  die K a u s a l i t ä t   
 dieser Bildungen, kontrollieren.  Daraus entnehme ich die Berechtigung, auf diese Dinge hier einigermaßen  
 ausführlich  einzugehen. 
 Bosmina. 
 Zunächst wenige Sätze über die Bosmma-Charaktere, soweit sie auf normbedingten Reaktionen  
 beruhen,  also zwischen Extrem und Urform  gesetzmäßig variieren.  Es handelt sich, wenn wir diese  
 Tiere  etwa  mit  den  Chydoriden  vergleichen,  um  drei  pelagische  Errungenschaften  (vergl. S. 502  
 und  505  ff.,  Fig.  18—24): 
 1. V o r d e r a n t e n n e n   (Steuer-  und Stabilisationsorgane), 
 2.  Rückenverlängerung (Schwerpunktsverschiebung, später Steuerung und Stabilisierung), 
 3.  M u c r o ne n   (Stabilisations-  und  Steuerorgane). 
 a d  1:  Die starren Hörner2), welche wir als „festgelegte Steuer“ im vorigen Abschnitt kennen  
 lernten,  zeigen  bei  einigen  Biotypen  deutlich  genug  ihre  Herkunft  aus  den  stiftförmigen,  oft  mit 
 r)  Als p elagisch wollen w ir  auch weiterhin solche Tiere bezeichnen, welche im Wasser frei  schwimmen oder schweben, ohne I .   je  den  Boden „freiwillig“   zu berühren.  D ie  Bewohner größerer  freier W assermassen  (Seen)werden  als  eupelagisch unterschieden. 
 -)  Bei  den Männchen,  d ie  se lten  zu  sein  pflegen  und  besonders  im  Hochsommer m e ist  fehlen,  sind  die  Vorderantennen  
 beweglich  m it  dem Kopfe  verbunden.  Wie  we it  die  Bewegurigsmöglichkeit  g eht  und  ob  sie  etwa  zum S teuern  verwendet  wird,  
 m m f l i f j   .;  weiß  ich  nicht. 
 dem Kopf  verwachsenen Vorderfühlern, wie wir  sie  als Tast-  und Riechorgane  bei  so  vielen  Cladoceren  
 finden.  Wir  können  in  bezug  auf  T a s t - O r g a n e   zwei  Entwicklungsrichtungen  konstatieren: 
   entweder  sind es  die Vorderfühler,  die  mehr  oder weniger  kräftig  als  Taster  entwickelt  
 sind,  dann  ist  das Rostrum  klein oder  es  fehlt  (als  selbständiger Kopffortsatz)  ganz  wie  bei Bosmina. 
   Oder  das  Rostrum  ist  deutlich  ausgeprägt,  in  einzelnen  Fällen  sehr  lang  und  gebogen  
 (Fig.  33  a,  b),  dann  pflegen  die  Vorderfühler  reduziert  zu  sein  und  als  lediglich  „chemische“  
 Sinnesorgane unter  dem  Schutz  des Rostrums  zu liegen. 
 Bosmina  hat  überhaupt  kein  Rostrum  im  eigentlichen  Sinne;  an  seiner  Stelle  dienen  die  
 Vorderantennen  als  Kopfverlängerung.  Ihre,  ursprüngliche  Funktion  dürfte,  wenn  wir  aus  der  
 Verwendung  des  Rostrums  als  des  vikariierenden  Organs zurückschließen dürfen, mit dem Tasten  
 und  dem Wühlen  in Schlamm und Sand Zusammenhängen.  Ähnlich gebraucht z. B. Iliocryptus  seine 
 Fig.  33.  Vergleich  der  1 
 a)  C hydorus  sphaericus  (nach 
 b)  Rhynch olalona  falcala   (nach  K e i  
 S chlammes..  (Bei  der  verwandtei 
 c)  Bosm ina  obtusirostris  (nach  L  i 11 j 
 zem breitem Rostrum.  Vc  
 Rostrum  stark  verlängert,  sch  
 Gattung  Graploleberis  is t  es  als  breite  i  
 bo r g ) .   Ein eigentliches Rostrum  fehlt, 
 r - Entwicklung  der  Bosminiden.  
 'derantennen kurz, m it  terminalen Riechborsten,  
 nal,  dient  als  Taster  und  zum Aufwühlen des  
 c h a u f e l   vorgewölbt.)  
 iie  Vorderantennen wenig über die Riechborsten 
 i  Typische  Bosm ina .  Vo  
 wärtsschwimmens. 
 dera Leblich  verlängert,  ursprünglich  als  Taster,  dann  im  Dienste  des  gradlinigen  Vor- 
 Vorderfühler  noch  heute.  Beim Übergang zur  ausschließlich schwimmenden Lebensweise mußten  
 solche zur Schwimmrichtung fast rechtwinklig gestellte Fortsätze die Bewegungsrichtung beeinflussen;  
 bei Chydorus  und  Bosmina,  deren  Schwimmen  durch  die  ursprüngliche  ventral   gerichtete  
 „Lauf“-Bewegung  der  zweiten  Antennen  geschieht,  wird,  wie  wir  sahen,  ein  gradliniges  Vorwärtskommen  
 durch  die  Steuerwirkung  entweder  des  Rostrums  oder  der,  Vorderantennen  erst  
 möglich;  daraus  konnten  dann  bei  Bosmina  durch  Verlängerung  und  Rückbiegung  der  Hörner  
 die  heutigen  Extreme  sich  weiter  entwickeln.  Vergl.  Fig.  22—23. 
 ad  2:  Die Rückenverlängerung einiger Biotypen von B.  coregoni tritt ebenfalls nur zeitweise  
 (im Sommer)  auf,  während  die  Herbst-  und  Frühjahrstiere  typisch  gerundete  Rücken haben.  Die  
 Verlängerung  bedeutet  zunächst  eine  Vergrößerung  des  Brutraums,  der  nun  anstatt der typischen  
 Zweizahl  von Embryonen  deren viele  (bis  20!)  zu  enthalten vermag.  Sekundär  resultierte  daraus  
 eine wesentliche Verschiebung  des  Schwerpunkts,  weiter  die  Bildung  einer  Steuerfläche,  die  durch  
 eine starke Verlängerung der Vorderfühler überkompensiert wurde.  Auch hier können wir die Vorstadien  
 der  neuen  Eigenschaft  innerhalb  eines  Biotypus  nebeneinander  finden  (Fig.  24).