Obwohl die Vorderdarmanlage auf den Medianbildern als geräumige Bucht erscheint, ist sie
doch in Wirklichkeit nur ein schmaler Spalt (Kg. 13IT, or), der auch in dieser Beziehung seine Zugehörigkeit
zu der Medianfurche nicht verleugnet. Sie steht damit in einem Gegensatz zum Analschlauch,
dessen Lumen anfangs in der Breitenrichtung der Knospe am ausgedehntesten ist (Kg. 11 n- m, an).
Wir sahen, daß die orale Vertiefung sich in beträchtlicher Entfernung von dem vordersten
Ende des Knospenlumens zu bilden begann, und sie dringt auch nie ganz bis dahin vor. Sie endigt
kurz vor dem äußersten Bande des Zentralkegels, der hier unversehrt bleibt und sich der Furche
als ein querer Wulst vorlagert (Fig. 12, 13Iv, 14, 15: ot). Der Wulst ist die Bildungsstätte der oralen
Tentakeln, welche die ältesten unter ihresgleichen sind. Von hier aus schreitet die Tentakelbildung
am Bande des Lophophors in analer Bichtung fort, bis oberhalb des Afters die jüngsten Tentakeln
den Bing schließen (vgl. Textfig. V, i). Die Medianfurche mitsamt dem Oralschlauch liegt innerhalb
dieses Binges, aber der After liegt außerhalb, so daß vor dem After eine Einbiegung entsteht, in
der die erste Andeutung der Hufeisenform der Tentakelkrone zu finden ist (vgl. Fig. 11*).
Das Stück der Medianfurche, welches zwischen der
oralen Vertiefung und dem After gelegen ist (Fig. 10, 12,
14,15:»), liefert das Nervensystem, also das Hauptganghon
mit seinen Ausläufern. Dasselbe ist schon in Fig. 12 als
eine leichte Einbuchtung kenntlich, und auch auf dem
letzten hier abgebildeten Stadium, Fig. 15, erscheint es noch
so. In Wirklichkeit hegt aber doch ein bedeutender Fortschritt
vor, der nur im Medianschnitt nicht sichtbar ist, weil
er vornehmlich die Seitenteile betrifft. Diese, welche die
Lophophomerven bilden, machen sich schon auf den Stadien
Kg. 14 und 15 als tiefe seitliche Buchten bemerkbar.
Jedenfalls verläuft die Entwickelung so, daß der eingebuchtete
Teil sich in Form einer Blase vom Boden der
Furche abschnürt, worauf dann diese ganze Eegion der
Furche mit dem angelagerten Nervenknoten in den Bereich
des Munddarms einbezogen wird und die anale Wand des
Pharynx bildet. Der definitive Mund umfaßt also die
V. Grundriß des mittleren Hügels (etwa im
Stadium von Fig. 8, Taf. III), m it schematischer
Bezeichnung der organbildenden Zellbezirke, an
Analschlauch; ep E p istom ; le außerhalb, li innerhalb
der Tentakeln gelegene Wand des Lophophors;
n N erven system ; or Oralschlauch; ph
P harynx, Mundregion; t Tentakeln.
Furche beinahe in ihrer ganzen ursprünglichen Ausdehnung bis zum After, und ein großer Teil
des Zentralkegels wird sekundär in den Darm verlegt. Dieser sekundäre Munddarm entspricht dem
Pharynx, der primäre Oralschlauch anscheinend dem Oesophagus. Zu allerletzt, lange nachdem die
ersten Tentakeln sichtbar geworden sind, entsteht oberhalb des Mundes der Munddeckel, von dem die
Phylactolämengruppe ihren Namen hat. Er erhebt sich als eine breite, zungenförmige Ausstülpung
des ehemaligen Furchenbodens zwischen der Stelle, wo das Ganglion abgeschnürt wurde, und den
Anlagen der analen Tentakeln (Textfig. V, ep).
Wir haben nun die Vorgänge, die sich im Bereich der Medianfurche abspielen, ziemlich vollständig
behandelt, haben aber die Veränderungen der Gesamtform der Knospe etwas aus dem Auge
verloren. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Furchenbildung. Von dieser wurde bereits
gesagt, daß sie zustande kommt, indem das Gewebe des mittleren Hügels nach Art einer Falte sich
einbiegt. Sie beruht also in der Hauptsache nicht auf lokaler Wucherung und Neubildung von Zellen,
sondern auf der Verlagerung schon vorhandener Schichten, wobei freilich auch Zellteilungen mitFig.
spielen. Infolgedessen vertieft sich die Furche auf Kosten der Ausdehnung des Hügels, speziell seines
Breitendurchmessers. Die ganze Knospe wird schmäler, wie die Vergleichung der Querschnitte
Fig. II1 und 131 (entsprechend den Stadien Fig. 11 und 12) sehr deutlich zeigt. Dasselbe lehrt
der Frontalschnitt Fig. 13, der durch Kombination der Querschnittserie entworfen ist, der die Figuren
13 I_IV entnommen sind (seine Richtung ist in Fig. 12 durch die senkrechte Linie angedeutet). Die
Furche ist hier in ihrer tiefsten Einsenkung getroffen, sie umfaßt in ihrem untersten Abschnitt auch
den Oraldarm. Die Seitenteile des Hügels sind gegenüber den früheren Stadien näher zusammengerückt,
und durch die Faltenbildung hat sich die Mitte gesenkt. Die untere, ehemals einheitliche
Höhlung der Knospenglocke (vgl. Fig. 6, 8n) ist durch die Falte in zwei seitliche Buchten geteilt
(Fig. 13, Ih), welche die Höhlen der beiden Lophophorarme darstellen und sich im Verlauf der Entwickelung
noch weiter vertiefen. In den Medianschnitten von Fig. 11 ab ist die ungefähre Begrenzung
der Lophophorhöhle, wie sie auf seitlichen Schnitten erscheint, durch die punktierte Bogenlinie
bezeichnet; der äußere Umriß der Lophophorarme, der gleich neben der Mediane zu Tage tritt, ist
durch die voll ausgezogene Linie l angedeutet. —
Wir haben das Polypid jetzt bis zur Anlage aller wesentlichen Organe und bis zu einem Stadium
verfolgt, wo es sich von einer normalen Knospe kaum noch unterscheidet. Bezüglich der weiteren
Entwickelung verweise ich auf meine frühere Arbeit, die sich mit Fig. 148 an das Stadium Fig. 15
der vorliegenden Untersuchung anschließt. Zu berichtigen habe ich nur, daß in Fig. 149 auf Taf. XIII
der mit oe bezeichnete Darmteil aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dem Oesophagus entspricht,
sondern bereits dem Magen angehört.
Auch die Ausbildung der j ü n g e r e n K n o s p e n ist dort (S. 104 f.) ausführlich behandelt
worden, und ich habe jenen Angaben nichts hinzuzufügen. Nur sei in Bestätigung derselben hier
nochmals betont, daß der Zellkomplex, aus dem die Sekundärknospen hervorgehen, von vornherein
selbständig neben dem der Primärknospe dasteht (Fig. 10, 15 a: KZ), daß also ein Zusammenhang
beider Anlagen nur durch das embryonale Gewebe des Statoblasten vermittelt wird. Nur in diesem
Sinne und nicht der Form nach kann von einer Doppelknospe die Rede sein. Der Punkt ist von
Wichtigkeit, weil wir bei Pectinatella ein abweichendes Verhalten kennen lernen werden.
2. Pectinatella.
Bildung der Keimscheibe und der bilateralen Knospe.
Taf. V, Fig. 16—23.
Wie bei Cristatella, so treten auch bei Pectinatella magnifica die Anfänge der Polypidbildung
im Zentrum der unteren Schalenhälfte zu Tage. Hier entsteht durch Verdickung der beiden Wandschichten,
von denen die innere sich zu einem geschlossenen Epithel vervollständigt, eine Keimscheibe,
die in allem Wesentlichen der von Cristatella gleicht, aber beträchtlich kleiner ist. Dies
ist aus den Figuren, die fast alle bei gleicher Vergrößerung hergestellt sind, unmittelbar ersichtlich
(vgl. Fig. 17, 18 mit 3—5).
Ein sehr frühes Stadium liegt in Fig. 16 vor. Die Verdickung der Wandschicht ist schon vorhanden,
aber das innere Epithel zeigt noch Lücken, die scheinbar durch Anlagerung neuer, im Dotter
gebildeter Zellen ausgefüllt werden. Im Dotter liegen zahlreiche Vacuolen (t>), die besonders in der