
Über Funktion, Herkunft und Entstehungsursachen
der sogen. „Schwebe-Fortsätze“
pelagischer Cladoceren.
Parerga III einer experimentellen Bearbeitung derfirtbildungsfaktoren*)
bei Daphnia und Bosmina.
Von R. Woltereck.
Mit 41 Abbildungen.
Einleitung.
In seiner Atlantis (1890) hat Chun zum ersten Male die verschiedenen Schwebeanpassungen
der Crustaceen zusammengestellt, um daran zu zeigen, „in welch unerschöpflich reichen Modifikationen
die natürliche Züchtung Anpassungen an das Schwebvermögen schaffte“.
Chun unterstellte damit einen sehr großen und mannigfaltigen Komplex von typischen
Anpassungen — also Übereinstimmungen zwischen den Erfordernissen des Milieus einerseits und den
Formen bezw. Leistungen der Organismen anderseits — dem S e 1 e k t i o n s p r i n z i p. Er fand
dabei die Zustimmung wohl fast aller Zoologen, denn in der Tat ließen sich die wundersamen „pelagischen“
Umbildungen des Krebskörpers, welche Chun dort beschrieb, auf keine andere Weise verstehen.
All diese bald kugelförmig aufgeblähten, bald flächenhaft verbreiterten, bald stabartig ausgezogenen
Formen konnten in dem Grad und der Feinheit der Anpassung an i h r Milieu nur den berühmtesten
Beispielen von Schutzfärbung und Schutzform etwa bei Insekten an die Seite gestellt werden.__
Als ich selbst, durch C h u n dazu angeregt, mich näher mit pelagischen Krustern, speziell
den am vielseitigsten und weitgehendsten Angepaßten unter ihnen, zu beschäftigen begann, war ich
x) Diese A rbeit stellte sich w ährend der H erstellung einer größeren Publikation über Variation und Vererbung der „Schweb-
1 ortsätze“ von Cladoceren als notwendige Ergänzung meiner Hauptuntersuchung heraus. S ie schließt sich an zwei andere
Nebenarbeiten als hoffentlich le tz te an, zu denen sie auch inhaltlich manche' Beziehungen aufweist. D ie eine davon („V e r-
ä n d e r u n g e n d e r S e x u a l i t ä t 1* 1941 a) behandelt die auch auf die Gestaltung der Körperfortsätze vielfach einwirkende
Sexualtendenz, die andere beschäftigt sich m it einem die Erbanalyse ständig erschwerenden Spezialfall von „somato-
gener“ Vererbung ( „ T r a n s m u t a t i o n u n d P r ä i n d u k t i o n “, 1911 b). — Die vorliegende Arbeit will hauptsächlich
die Funktion und Herkunft jener „pelagischen Fortsätze“ aufklären, wobei eine physiologische Prüfung derjenigen übrigen
Organe unvermeidlich war, welche m it den Fortsätzen zu einer gemeinsamen Leistung, dem „Niveauhalten“, Zusammenarbeiten.
Soviel zur O rientierung des Lesers, für den noch hinzugefügt sei, daß in einer früheren A rbeit über den Stand m einer Hauptuntersuchung
bis 1909 berichtet wurde ( „W e it e r e e x p e r im e n t e l l e U n t e r s u c h u n g e n ü b e r A r t ä n d e r u n g etc .“ ).