Trägt man jetzt diese Zahlen in ein Ordinatensystem ein, auf dessen Abszisse die Monate
abgemessen, und dessen Ordinate die Kopfhöhe darstellt, dann erhält man dreigipfelige Variationskurven,
die in Fig 7 dargestellt sind. Wie ist dieser auffällige Unterschied zu erklären? Die unter
den Kurven stehende Übersicht über die Abundanz und die Geschlechtstierfunde vermag uns Aufschluß
zu geben. Auch hier finden wir drei Maxima. Anfang Mai schlüpfen die Daphnien aus den
Ephippien. Etwa am 10. des Monats beginnt die Population rapid an Zahl zuzunehmen. Um diese
Zeit nämlich kommen die Anfang Mai ausgekrochenen Ex-ephippio-Weibchen und die nächstfolgenden
Generationen in das Optimum der Parthenogenese. Hohe Eisätze von 50 Stück und mehr sind dann
nicht selten. Ende Mai wird das erste Abundanz-Maximum erreicht, das einige Tage anhält. Zu
dieser Zeit nimmt aber die Anzahl der parthenogenetischen Eier ab! Es treten Männchen und darnach
Ephippien-Weibchen auf. Damit ist der
erste Zyklus abgeschlossen, und man sollte
das vollkommene Verschwinden der Kolonie
erwarten. Das ist jedoch nicht der Fall, nur
eine Abnahme der Quantität ist zu konstatieren.
Es rührt dies einesteils daher,
daß das Auftreten der Ex-ephippio-Weibchen
nicht mit einem Schlage erfolgt, daß also
die zuerst geschlüpften Weibchen und deren
Nachkommen schon in geschlechtlicher Fortpflanzung
sich befinden, während spätere
noch parthenogenetisch sind, und ferner
daher, daß nicht alle Weibchen nach Ablage
der Ephippien absterben, sondern von
neuem p a rth en o g en e tis ch werden.
Anfang Juli nimmt die Individuenzahl erneut
zu, ein neues Maximum wird erreicht,
dem Auftreten von Geschlechtsstieren und
Abnahme der Zahl auf dem Fuße folgt. Die
Frequenz kurven für die Variation der Kopfhöhe und Schalenlänge gleiche Erscheinung wiederholt sich im
der Daphnia des Kospudner Mühlteichs. August noch einmal. Im September liegt
I. Kopfhöhe : Schalenlänge ¿ a s große Herbstmaximum und darnach bell.
Kopfhöhe : Kopfbasis . . . , , , T. , , , , , • III. Kopfbasis : Schalenlänge ginnt die lange Wintergeschlechtsperiode,
die mit dem Aussterben der Kolonie endet.
Die Population hat also v i e r Sexualitätszyklen; dies steht für mich vollkommen fest, nachdem
ich den Teich während 5 Sommern beobachtet habe. Aus den gegebenen Zahlen geht dies allerdings
weniger anschaulich hervor. Die erste Periode ist wohl deutlich sichtbar, nicht aber die folgenden.
Auch dieses ist einfach zu erklären. Wie schon erwähnt, erstreckt sich die Ephippienablage über eine
längere Zeit. Die Dauereier der ersten Ablage brauchen eine gewisse Zeit der Ruhe, ehe sie sich entwickeln;
sie schlüpfen also noch weniger als die des Winters zu gleicher Zeit aus. Da nun der zweite
Zyklus außer den Ex-ephippio-Weibchen der ersten Periode noch durch überdauernde Weibchen,
die nach der Ephippiumablage wieder zur Parthenogenese übergegangen sind, eingeleitet wird, so
ist wohl ohne weiteres verständlich, daß der 2. und 3. Zyklus undeutlich im Bilde der Kurve abgesetzt
erscheint. Wir bekommen, mathematisch zu reden, an Stelle der reinen Schwingung eine „gedämpfte“.
Erst die letzte Periode im Jahre vor Einbruch des Winters ist wieder durchgreifend, eben weil sie
sich über eine längere Zeit erstreckt, und weil sie obligatorisch für alle Weibchen wird. Ein Überleben
von Ephippien-Weibchen hört auf.
In welchem Zusammenhänge stehen nun Variations- und Sexualitätszyklen? Die zuerst im
Frühjahr auftretenden Ex-ephippio-Weibchen sind niedrigköpfig. Die Kopfhöhe steigt jedoch in
den folgenden Generationen an, ebenso wie die absolute Körpergröße und die Eizahl. Die ersten
Generationen sind also die größten und übertreffen die folgenden um ein Bedeutendes. Diese Abnahme
geht sehr rasch von statten, und zu einer Zeit, wo die Kopfhöhe weiter zunimmt, wo also dasVerhältnis
von Kopfhöhe zu Kopfbasis und Schale noch anwächst. Den größten Wert erreichen die Indices
Ende Mai bis Anfang Juni bei einem mittleren Eisatz von ungefähr 10. Von nun an wird die Kopfhöhe
und die Embryonenzahl weiter herabgesetzt; es treten Geschlechtstiere auf, die aber nicht die
niedern Indices der ersten Generation erreichen. Der erste Zyklus ist damit abgeschlossen; er wird
durch den ersten Berg in den Kurven graphisch dargestellt.
Hand in Hand mit der Variation des Kopfes geht aber eine zweite, die die Schalenlänge betrifft.
Durch die hohe Eizahl in den ersten Generationen wird jene nämlich vergrößert; sie nimmt später
mit der Zahl der Eier wieder ab. Diese Veränderung muß sich naturgemäß in dem Verhältnis Kopf-
basis zu Schalenlänge widerspiegeln, wie es aus der Kurve auch ersichtlich ist. Anderseits muß diese
Variabilität das Verhältnis von Kopfhöhe zu Schalenlänge wesentlich beeinflussen. Das gleiche
Material hat Behnmg auf die Variation der Beborstung der Beine untersucht. Er ist zu dem
gleichen Resultate gelangt. Die von ihm gegebene Kurve deckt sich vollkommen mit den von
mir berechneten. Die 4 Sexualitätszyklen lassen sieh auch an der Variation der Beinbeborstung
nachweisen.
Ich hoffe, daß die angeführten Zahlen und Kurven meine Meinung genügend belegen. Zu
meinem Bedauern mußte ich erst am Ende der langwierigen und gleichförmigen Arbeit des Auslesens,
Zeichnens und Ausmessens der Tiere bemerken, daß die Höhe der Kurvengipfel sehr zu wünschen
übrig läßt. Ich wußte ja von vornherein, daß die Variation der Rasse sich nur innerhalb sehr enger
Grenzen bewegte, war aber durch die ausgesprochen polyzyklische Fortpflanzung und ferner durch
den Umstand, daß eine stark variierende Daphnia, mich gezwungen hätte, bedeutend größere Mengen
zur Berechnung heranzuziehen, zu dieser Wahl bestimmt worden.
Immerhin glaube ich zu folgenden Schlüssen berechtigt zu sein:
1. Die polyzyklischen Daphnien unserer Teiche zeigen keine eingipfeligen Variationskurven.
2. Die Erhöhung der Temperatur im Sommer und die damit zusammenhängenden physikalischen
Veränderungen des Wassers sind nicht allein ausschlaggebend für die Helmerhöhung.
3. Saisonvariation und Sexualitätszyklen stehen in kausalem Zusammenhänge.
4. Die Zyklomorphosen der Wesenbergschen Daphnien entsprechen nur einem Teil meiner
Variationskurven von Minimum zu Minimum.
Damit ist aber auch das Verhalten der Daphnien in unseren größeren Teichen erklärt. In
Übereinstimmung mit der dizyklischen Fortpflanzung treten zwei Abundanz- und Variationsmaxima
auf. Die in der heißesten Jahreszeit (im Juli) lebenden niedrigköpfigen Tiere sind teils sehr alte
Weibchen, teils solche von hoher Generationszahl, die nach der Geschlechtlichkeit zu mäßiger Parthenogenese
übergegangen sind oder ohne geschlechtlich zu werden, die „Depression“ überdauern.
Beiderlei Tiere können erneut erhöhte Vitalität zeigen (Woltereck). Sie werden dann wieder groß