auch die gute Ausbildung der Antennen sprechen die geteilten Augen, bei denen neben einem normal
entwickelten Teile eine nach vom gerichtete Partie vorhanden ist, die auffallend verlängerte Facettenglieder
besitzt. Wie Chun nachweist, ist ein solches „Frontauge“ vermöge seines Baues besonders
geeignet, Bewegungen wahrzunehmen. Es setzt das Tier in den Stand, vorüberschwimmende Beuteobjekte
rasch zu bemerken.
Nun verstehen wir auch die Differenzen im Bau des Magens bei Euphausia superba und
Stylocheiron: Euphausia liegt einem ständigen, wenn auch vielleicht nicht übermäßig ergiebigen,
so doch sicheren Nahrungserwerbe ob. Sie lebt gewissermaßen aus der Hand in den Mund. Der
Magen braucht nicht als Nahrungsspeicher für die Zeiten der Not zu dienen. Nur so viel Nahrungssubstanz
braucht er jeweilig aufzunehmen, wie immer verdaut wird. Daher ist er nicht besonders
umfangreich.
Anders bei dem räuberischen Stylocheiron. Nicht immer glückt es ihm wohl, einen Fang zu
machen, und er muß darauf aus sein, eine sich ihm gebende Beute auch ganz auszunutzen und sie,
kann er sie vielleicht auch nicht gleich verdauen, doch aufzuspeichern. Einen anderen Ort dafür als
den Magen hat er nicht. Er befindet sich in derselben Lage, wie so manche anderen pelagisch lebenden
Räuber der großen Wassertiefen. Ich erinnere an die Tiefseefische mit dem gewaltig ausgedehnten
und ausdehnbaren Magen. Über eine entsprechende Anpassung wie sie verfügt er auch. Auch bei
ihm ist der Magen an und für sich schon größer als bei Euphausia und dann hat er jene kapuzenförmige
Vorwölbung nach vorn und oben, durch die sein Lumen noch vermehrt wird.
Auch das Fehlen der kräftigen Zähne, die Stylocheiron im Inneren des Magens besitzt, bei
Euphausia wird erklärlich: Die Nahrung der letzteren braucht nicht noch verkleinert zu werden,
wohl aber die der räuberisch lebenden Form.
Noch andere Euphausiaceengattungen haben ganz ähnliche Einrichtungen, wie Stylocheiron,
und auch bei ihnen können wir auf eine räuberische Lebensweise schließen. Da ist zunächst die
Gattung Nematobrachion Calman. Auch sie hat geteilte Augen, und auch bei ihr ist der dritte
Cormopod als Raubfuß ausgestaltet, wenn er auch nicht so weit spezialisiert ist wie bei Stylocheiron.
Sie hat keine Endschere, besitzt aber einen endständigen Besatz von sehr kräftigen Borsten, die
sie immerhin recht wehrhaft machen. Ganz denselben Bau des Raubfußes weist die Gattung Nema-
toscelis G. 0. Sars auf, nur daß es bei ihr nicht der dritte Cormopod ist, sondern der zweite, der diese
Spezialisierung zeigt. Geteilte Augen kommen ihr auch zu, während wir nach einem Seihapparat
ebenso vergeblich suchen, wie bei Nematobrachion.
Die eben erwähnten Gattungen sind von H o l t und T a t t e r s a l l (1905) in eine Unterfamilie
Nematoscelinae zusammengestellt worden, deren Charakteristicum eben der Besitz von geteilten
Augen und verlängerten Cormopoden ist. Ihr gegenüber steht die Unterfamilie Euphausiinae, die
jene Merkmale nicht haben. In diese zweite Unterfamilie gehören die Gattungen Euphausia,
Thysanopoda, Nyctiphanes, Meganyctiphanes und Pseudeuphausia. Soweit ich Arten dieser Gattungen
untersuchen konnte, zeigte es sich, daß die Anordnung der langen Fiederborsten an den Cormopoden
die gleiche ist, wie bei Euphausia superba, nur standen die Borsten nicht so dicht beieinander. Nach
dieser Anordnung ist eine Wirkung des Apparates als Seihvorrichtung zum Abfiltrieren winziger
Organismen kaum möglich. Wohl aber werden etwas größere Organismen noch zurückgehalten
werden. Der Apparat wirkt offenbar hier etwa wie ein Fangkäscher. Bemühungen an lebenden
Euphausiaceen Klarheit über die Axt des Nahrungserwerbes zu gewinnen hatten kein völlig zufriedenstellendes
Ergebnis. Immerhin ließ sich einiges feststellen:
Von Euphausiinae konnte ich einige erwachsene Tiere der Art Euphausia krohni und Euphausia-
larven wahrscheinlich derselben Art beobachten, und von Nematoscelinae hatte ich lebende Exemplare
der Gattungen Stylocheiron und Nematoscelis. Die Tiere legten ein verschiedenes Gebaren an den
Tag: Die Euphausia war in ständiger Bewegung. Das Abdomen wurde etwas gegen den Thorax
nach oben geknickt gehalten und das Tier schwamm einher, wobei die Bewegungsrichtung ständig
nach der Dorsalseite des Tieres hin von der Geraden ab wich, so daß große senkrechte Kreise entstanden,
oder das Tier bewegte sich in Spiralen;durch das Wasser. Anders Stylocheiron und Nematoscelis.
Wohl schwammen auch sie gelegentlich herum, meist standen sie aber regungslos im Wasser
und zwar senkrecht, den Kopf nach oben, an die Wand des Aquariums gelehnt. Das entspricht vollkommen
den oben angedeuteten Vermutungen: Während Stylocheiron und Nematoscelis auf Beutetiere
lauern, macht sich Euphausia fortwährend Bewegung, um zufällig ihm in den Weg kommende
kleine Organismen mit seinem Käscher zu fangen. Wir könnten Euphausia etwa mit einem Fischer
vergleichen, der ständig mit dem Hamen das Wasser durchzieht und alles das mitnimmt, was ihm
gerade in den Wurf kommt, während die beiden anderen Gattungen dem Manne vergleichbar sind,
der lauernd im Kahne steht, um mit der stets bereit gehaltenen Gabel nach einem vorüberschwimmenden
Fische zu stechen. Ein wesentlicher Unterschied im Nahrungserwerbe der Euphausia superba und
anderen Euphausiinaearten besteht nicht, ebensowenig wie das Fischen mit einem großmaschigen
Netze und einem Planktonnetze wesentlich voneinander verschieden sind. Nach der Art des
Nahrungserwerbes will ich die Euphausünae als „Fischer“ und die Nematoscelinae als „Räuber“
bezeichnen.
In der Reihe der Gattungen sind bisher zwei nicht erwähnt, Rhoda (Boreophausia) aus der
Unterfamilie Euphausiinae und Thysanoessa aus der Unterfamilie Nematoscelinae. Die Untersuchungen
eines reichen Materials von Euphausiaceen haben den dänischen Gelehrten H. J. H a n s e n
1911 gerade bei diesen beiden Gattungen zu einem bemerkenswerten und höchst überraschenden
Ergebnis geführt: Er konnte nachweisen, daß die Formen Rhoda inermis Kr. und Thysanoessa neglecta
Kr. zu einer Art gehören, daß die Namen also synonym sind. Dabei haben typische Exemplare
der Form Thysanoessa neglecta eine starke Verlängerung des zweiten Cormopoden, während Rhoda
inermis in ihrer typischen Ausbildung normal gestaltete Füße besitzt. Aber Hansen fand alle Übergänge
in der Entwicklung des Cormopoden, so daß bei der sonstigen Übereinstimmung der beiden
Formen nicht an ihrer Artidentität gezweifelt werden kann. Es ist freilich dort, wo der Cormopod
verlängert ist, doch eine Differenz gegen die oben erwähnten Gattungen der Nematoscelinae vorhanden:
Während bei ihnen der Propodit ganz unbewehrt und der kurze Dactylopodit nur mit Endborsten
besetzt ist, hat Thysanoessa sowohl an Propodit und Dactylopodit, der immer einige Länge zeigt,
Randborsten. Auch das Auge zeigt etwas verschwommene Verhältnisse: Bei jnngp.n Exemplaren
von Thysanoessa neglecta ist eine deutliche Einschnürung vorhanden, das Zeichen einer inneren
Zweiteilung, während bei alten Tieren die Äugen ohne Einschnürung ausgebildet sind; bei Rhoda
inermis ist das Auge nie ganz kugelig, sondern nach oben zu verengert und häufig macht sich eine
Einschnürung bemerkbar. Das letztere war- mir bei der Bearbeitung der Schizopoden für die Fauna
Arctica (1904) auch schon auf gef allen. Rhoda inermis ist viel häufiger als Thysanoessa neglecta,
d. h. also die meisten Exemplare der Art, Thysanoessa inermis, wie sie heißen muß, sind nach dem
Rhodatypus gebaut und seltener ist die Varietät neglecta, die den Thysanoessatypus auf weist. Das
Ergebnis ist, daß die Gattung Rhoda zugunsten von Thysanoessa eingezogen werden muß. Ein
ähnlicher Dimorphismus ist bei den anderen Arten der Gattungen nicht bekannt. Die Mehrzahl der