Knospen hier distal, dort proximal angeordnet), sondern auch die ganz abweichende Knospenausbildung
sicher aufgefallen wäre und er daher dieser Verhältnisse gedacht hätte.
Nehmen wir aber selbst an, daß Stschelkanowzew die charakteristischen Differenzen in der
allgemeinen Gruppierung und in der speziellen Ausbildung der Knospen bei den von ihm untersuchten
Knospenähren entgangen sein sollten, so müßte trotzdem jeder Versuch einer Identifizierung
der Eurystoma rubiginosum-Knospenähren Stschelkanowzews mit irgend einer dem Typus III ange-
hörigen Cuninen-Knospenähre daran scheitern, daß die anatomischen Verhältnisse des proximalen
Abschnitts der in Frage stehenden Knospenähren Stschelkanowzews nicht bekannt sind (vergl.
hierzu Anm. S. 379).
Die Bedeutung dieses Abschnitts erhellt aus einem Vergleich der zweiten mit der dritten
Generation der Cunina proboscidea Metschnikoff, welchen ich — gestützt auf ein reicheres Material,
als es je einem meiner Vorgänger zur Verfügung stand -— weiter unten behandeln werde. Vorher
möchte ich aber noch auf ein Problem eingehen, welches mit dem soeben angeschnittenen innig
zusammenhängt, d. i. d a s P r o b l e m de r I n f e k t i o n de r Ge r y o n i d e n mi t den
Ke i m e n de r Cu n i n a p a r a s i t i c a M et schni l cof f .
Die Infektion der Geryoniden mit den Cunina parasitica-Keimen.
Uber die bisherigen Versuche, dieses Problem zu lösen, habe ich in meiner vorjährigen Arbeit
im Abschnitt „Ursprung der Knospenähren“ ziemlich ausführlich referiert und Stschelkanowzews
Theorie, nach der sich die Geryonien durch Fressen der zweiten rudimentären, solmaridenähnlichen
Generation von Cunina proboscidea mit den Keimen der dritten Generation (Cunina parasitica vom
Typus I) infizieren sollen, für recht wahrscheinlich erklärt.
Diesen Standpunkt kann ich aber jetzt, nachdem es mir gelungen ist, in der Gastralhöhle
einer Meduse der bereits besprochenen Knospenähre vom Typus III einen Nahrungskörper (in Verdauung
begriffen?) aufzufinden, nicht mehr annehmen (Textfigur 15).
Denn dieser Befund zwingt uns zu der Annahme, daß die Knospenähren vom Typus III (also
vielleicht auch die aboral proliferierenden Medusen der zweiten Generation von Cunina rhododactyla
und der oben erwähnte cunina stolon Bigelows) im Zustand eines Kommensalismus mit ihren Wirtstieren
leben. Und dieser läßt sich doch wohl nur so verstehen, daß die genannten Knospenähren
immun gegen die Verdauungssäfte ihrer Wirtstiere sind.
Dieses Verhältnis scheint mir nun ebenfalls eine ganz erhebliche theoretische Bedeutung zu
besitzen:
1. Einmal gibt uns dieser Fall ein recht anschauliches Bild davon, wie der Wirtswechsel im
Generationswechsel der Cunina parasitica Metschnikoff entstanden sein könnte.
2. Zeigt diese innige Beziehung zwischen Knospenähre und Wirtstier mit großer Deutlichkeit,
daß die Anpassungserscheinungen, die im Kommensalismus einen geradezu klassischen Ausdruck
finden (F. E. Schulze 1875, B. Uljanin 1876, A. A. Tichomiroff 1887, Hanitzsch 1911), viel allgemeiner
und darum bedeutungsvoller sind als gemeinhin angenommen wird.
Ich will nicht unterlassen, hier einzuschalten, daß Vanhoeffen (Narcomedusen Wiss. Ergeb.
D. Tiefsee-Exp. 1908) in dieser Beziehung anderer Ansicht ist als ich.
Vanhoeffen fü h r t z u n ä c h s t alle b ish e r b e k a n n t gewordenen F ä lle an , in welchen Cuninen-Knospen bei T ra ch ym ed u sen
u n d N a rcom edusen b e o b a c h te t w u rd en u n d k om m t zu folgender Auffa ssung:
„ I n a llen F ä llen h a n d e lt e s s ich also um Medusen d e r Hochsee, die wohl allein den ju n g en Na rcomedusen g ü n s tig e L eb en s b
edingungen b ie ten k önnen. Daß d iese E rsch e in u n g a u f Generationswechsel zurü ck zu fü h ren is t, h a lte ich fü r s eh r u nwahrsche inlich.
— D en n d a die a n T ra ch ym ed u sen au ftre te n d e n Knospen sich e r S c h m a r o t z e r sind, k ö n n en w ir wohl au ch p a ra s itis ch e
Lebensweise be i jen en an n ehm en , die vie lle ich t zufällig a n Na rcomedusen Vorkommen (cf. K öllike r [1853], Gegenbaur [1854].
Mc C rad y [1856], Maas,1) Browne4) u. a.).
Ob b e s tim m te A rte n d ab e i a u fe in an d e r angewiesen s in d , b le ib t noch zu u n te rsu ch en .
W ah rsch e in lich geh ö ren a b e r die a n T ra ch ym ed u sen ersche inenden Knosp en äh ren an d e ren G a ttu n g en an, a ls die einzeln
v o n N a rcom edusen aufg e am m ten Tiere. D ie m ir v orliegenden Knosp en g ru p p en w a ren noch zu ju n g , um d a rü b e r Aufschluß zu
g e b e n ^ # - E s d ü rfte n d ab e i wo h l n u r die M it Kan ä len a u sg e s ta tte te n Narcomedusen, Aeginiden u n d P e g a n th id e n in B e tr a c h t
kommen, d a die L a rv en d e r Aeginopsiden u n d die d e r G a ttu n g S olma ris a ls freilebend b e k a n n t sind u n d wir d a h e r au ch fü r C unan-
th id en d ire k te E n tw ic k lu n g aus dem E i an n ehm en k ö n n en .“
Vanhoeffen sieht also in den bei Trachymedusen3) und gewissen Narcomedusen (neuerdings
von Bigelow bei Solmundella bitentaculata konstatiert) vorkommenden Ganinen-Knospenstöcken
Parasiten ihrer Wirtstiere.
Diese Ansicht ist — wie aus meiner vorjährigen und der diesjährigen Arbeit hervorgeht -1
durch die Forschung überholt worden. Nicht nur sind die Knospenähren vom Typus I und III als
Kommensalen ihrer Wirtstiere anzusehen, sondern auch, wie ich hier vorausschicken will, die Knospenähren
vom Typus II.
Ich glaube, daß diese durchaus einheitlichen Befunde bei allen drei Typen von Knospenähren
meine oben vorgetragene Auffassung, nach der die Anpassungserscheinungen von Cuninen-Knospen-
ähren an die bisher bekannt gewordenen Wirtstiere recht allgemeiner Natur sind, wohl rechtfertigen
dürften.
' Nur in den seltensten Fällen handelt es sich dabei um Erscheinungen, welche sich durch die
Annahme erklären lassen, daß schon die Embryonalentwicklung in das Gewebe der Wirtstiere (z. B.
bei Geryonia, Liriope) verlegt ist.
Viel häufiger trifft dies aber nicht zu; und trotzdem stehen die Knospenähren imKommensalen-
Verhältnis zu ihren Wirtstieren. Aus der allgemeinen Verbreitung solcher Verhältnisse , glaube ich
nun mit einigem Recht folgern zu dürfen, daß diese letzteren viel älter sind, und der Fall bei Cunina
parasitica eine vereinzelte und jüngere Erscheinung repräsentiert.
Gerade die hypothetischen Elterngenerationen der Cunina parasitica (Cunina proboscidea
Metschnikoff + Eurystoma rubiginosum Köll. ?) zeichnen sich durch eine, für diese relativ primitiven
Tiere immerhin beachtenswerte Brutpflege aus und es ist immerhin denkbar, daß in jenen Zeiten,
in denen sich der verwickelte Generationszyklus der Cunina parasitica herausbildete, die zweite
Generation aus Gründen, die sich heutzutage unserer Kenntnis entziehen, sich ihrer Keimzellen
entledigen4) und die Brutpflege einem anderen Tiere der-Hochsee anvertrauen mußte. Es ist fernerhin
denkbar, daß die letzte Anpassung dieser zweiten Generation bezweckte, ihr kostbares Gut möglichst
sicher zu der neuen Entwicklungsstätte zu transportieren, zu welchem Zweck sie — wenn auch nur
vorübergehend — die dazu geeigneten Wirtstiere aufsuchen mußte.
Auf diese Weise könnte man wenigstens zwei sehr auffällige und a priori rätselhafte Erscheinungen
verstehen; e inma l die hochgradige Anpassung zahlreicher Cuninen-Knospenähren
x) 0 . Maas, Die c ra sp ed o ten Medusen d e r S ib o g a -E x p ed itio n , p. 68. Leyden 1905.
Derselbe, Méduses d ’Amboine R ev u e Suisse d e Zoologie, Tome 14. p . 98. Genf 1906.
a) Browne, Bisc ay an P la n k to n collected d u rin g ä cruise of H. M. S. Re se a rch 1900. P a r t IX . T h e Medusae. T r a n s a c t
of th e L in n e a n S o c ie ty o f London. Vol. X. p. 178. L o ndon 1906.'
3) A g lau ra h em is tom a P é ro n e t Lesueur, R h o p a lo n em a v e la tum (Big., Metsch.), R ho p a lo n em a fu n é ra rium Quoi e t Gai-
m a rd , P an ta ch o g o n ru b rum n. sp . Geryonia, Liriope.
4) In te r e s s a n t is t v o n diesem G e s ich tsp u n k t aus, d aß Metschnikoff wie be i dem M u tte rtie r, so au ch b e i d e r I I . Gen e ra tio n
d e r Cu n in a pro b o sc id e a m a s s en h a fte E iab lag e verfolgen k o n n te (1. c. 1886, p. 120).