
Alle diese Erklärungsversuche stimmen vorzüglich, mit experimentellen Befunden überein —
wenigstens scheinbar. Ein Punkt scheint mir jedoch nicht genügend berücksichtigt worden zu sein.
Wesenbergs Daphnien stammen durchweg aus größeren Seen und sind deshalb und infolge
des kurzen Sommers monozyklisch; eine zweite Geschlechtsperiode ist nach Wesenberg höchstens
angedeutet, aber nicht durchgreifend. Nun fand ich in mehreren Teichen DapAma-Populationen,
deren Verhalten mit den angeführten Erklärungen nicht in Einklang zu bringen ist. Die betreffenden
Kolonien hatten zwei Maxima der Abundanz und der Variation, je eins im Herbst und im Frühjahr.
Jedes Maximum war begleitet von dem Auftreten von Geschlechtstieren und gefolgt von einer Abnahme
der Individuenzahl. Die wenigen Tiere, die den Sommer (Juli) bis zum erneuten Ansteigen der
Variationskurve überdauerten, entsprachen nicht den Forderungen der Theorie, sie hatten niederere
Köpfe als die Tiere zur Zeit der Maxima. Die Vermutung lag nahe, die Reduktion der Helmhöhe
mit den Geschlechtsperioden in Verbindung zu bringen.
War dies der Fall, so mußten die Verhältnisse um so klarer an polyzyklischen Populationen,
wie sie mir in kleinen Teichen um Leipzig zur Verfügung standen, zu studieren sein. Die Beobachtung
einer solchen Kolonie lockte mich um so mehr, als bisher immer nur stark variierende Formen großer
Seen Gegenstand statistischer Untersuchungen waren, während die viel weniger variierenden Bewohner
kleinerer Gewässer vernachlässigt wurden. Die gewünschten Resultate erhielt ich in der Tat an
Material aus dem Kospudner Mühlteich, den ich in den Jahren 1907—11 regelmäßig besuchte. Hier
seien die aus einer Fangserie von 1910 gewonnenen Daten mitgeteilt. Die Fänge, 10 an der Zahl,
wurden an folgenden Tagen ausgeführt: 11. V.; 27. V.; 7. VI.; 25. VI.; 9. VII.; 21. VII.; 4. VIII.;
13. VIII.; 25. VIII.; 7. IX.
Von jedem gut durchgeschüttelten Fang wurde eine kleine Portion abgeteilt; alle darin enthaltenen
erwachsenen1) Daphnien wurden unter gleicher Vergrößerung mit dem Zeichenprisma
gezeichnet. Im ganzen waren es 860 Tiere, im Mittel pro Fang also 86. In den Umrißzeichnungen
wurde dann die Rostrumspitze mit dem untern Ansatz des zweiten Antennenmuskels verbunden
(nach der von Wo l t e r e c k eingeführten Meß-Methode). Die Projektion des Scheitels und des
Spinaansatzes auf die in dieser Linie („Kopfbasis“) errichtete Mittelsenkrechte ergeben die „Kopfhöhe“
und die „Schalenlänge“. Dann wurden folgende Indices Berechnet:
1. Kopfhöhe . 1 0 0 . , Q , , ...
— = . Kopmone in P ro z en t der bcnalenlange.
Schalenlänge
2. Kopfhöhe . 1 0 0 . _> ± j v tu ■ ------------------ -— — = J io p ih o h e m P ro z en t der Kopibasis.
Kopfbasis.
3. Kopfbasis . 100 . .
------------------------— Kopfbasis m Prozent der Schalenlänge.
Schalenlänge
Aus den so gewonnenen Zahlen ergaben sich leicht die Variationsmitten der einzelnen Fänge.
Das Nähere ersieht man aus den beistehenden Tabellen. So hatten z. B. am 11. Mai die meisten
Individuen eine Kopfhöhe von 62—62,5 Prozent der Schalenlänge, am 27. Mai eine solche von 67,5
Prozent, am 27. und 25. Juni eine solche von 65—67,5 Prozent usw. Ebenso ermittelt man die Zahlen
für die Indices 2 und 3.
J) d. h. Tiere m it Embryonen, Ephippien oder deutlich ausgebildetem Brutraum.
1. Kopfhöhe . 100
Schalenlänge
30,0 32,5 35,0 37,5 40,0 42,5 45,0 47,
11. V. 2 14*x) 12 7
27. V. 4 27 55* 32 7
7. VI. 3 17 33* 30 19 4
25. VI. . 6 29* 26 9
9. VII. 6 31* 29 ; 2
21. VII. 6 17 19* 10 Ì1
4. VIII. 1 14 36* '25 4
13. VIII. 5 21 51* 29 1 1
25. VIII. 3 19 40* 20 7 1
7. IX. 1 9 52* 47 16
2. Kopfhöhe . 100
Kopfbasis
52,5 ì55,0 57,5 60,0 62,5 65,0 67,5 70,0 72,5 75,1
11. V. 2 1 4 11* 11* 6
27. V. 1 4 10 39 40* 28 1 2
7. VI. 8 20 27* 27* 20 3 1
25. VI. 2 3 23* 23* 16 2 1
9. VII. 5 17 27* 16 3
21. VII. 8 13 17* 8 5 1 1
4. Vili. 1 10 22 25* 18 2 2
13. Vili. 5 16 46* 19 16 5 1
25. Vili. 1 6 14 28* 19 17 4 1
7. IX. 1 8 49* 43 17 5 1
3. Kopfbasis . 100
Schalenlänge
50,0 52,5 55,0 57,5 60,0 62,5 65,0 67,;
11. ~Y. 5 15* 10 4 1
27. V. 2 44 53* 19 6 1
7. VI. 6 29 ; 53* 15 3
25. VI. 10 23 35* 2
9. VII. 5 32* 27 4
21. VII. 1 1 24* 22 5
4. Vili. 2 29 30* 18 1
13. Vili. 1 14 43* 39 10 1
25. Vili. 2 18 44* 24 2
7. IX. 1 33 61* 23 7
1. 30,0 und 47,5. |
2. 52 5 und 75,0. | Variationsextreme des Jahres.
3. 50,0 und 67,5. J
l) D as * bedeutet in dieser Tabelle die jeweiligen Variationsmitten.