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Von den anderen Gattungen verdient Scapholeberis unser Interesse, weil sie mit der Ventralseite
ihrer Schalen unter dem Wasserspiegel hin zu gleiten vermag, und weil sie in Konvergenz zu Bosmina
Mucronen am kaudalen Ende dieser Schalenränder ausgebildet hat (Fig. 3, f.).
Als eine vierte Reihe haben wir endlich die Onychopoden1) zu betrachten, also die
pelagischen Verwandten von Polyphemus: Podon, Evadne, Bythotrephes, Cercopagis etc., sämtlich ohne
eine die Gliedmaßen bedeckende Schale. Hierher gehören einige der abenteuerlichsten Cladoceren -
formen, welche wir kennen. Wir müssen auch hier mehrere Richtungen der Differenzierung unterscheiden.
Bei den von Podon ausgehenden Evadne-Formen bleibt das Abdomen ganz kurz, während
Rücken und Kopf zu monströsen Bildungen auswachsen können. Bei Polyphemus, Bythotrephes,
Cercopagis dagegen wird das Abdomen immer mehr verlängert, bei der letztgenannten Form sogar
zweimal eingeknickt und mit Dornen versehen, um ein Seitensteuer bezw. eine Stabilisationsfläche
gegen seitliche Abweichungen von der Schwimmbahn zu bilden. Bei dieser Form ist auch der den
Brutraum umschließende Rückenteil verlängert und mit einem starken Dorn, ähnlich Evadne
spinifera, versehen. — Polyphemus unternimmt in einigen Seen Vorstöße in die pelagische Region;
das gilt demnach für die Grundformen aller vier Reihen.
Der Übergang vom Litoral zum Plankton, der sich in diesen vier Reihen vollzogen hat, läßt
sieh am besten bei Chydorus sphaericus erkennen, weil dieser Krebs noch in der auch für die
Cladoceren ursprünglichen Weise am Boden oder an Pflanzen kriecht bezw. läuft und nur zeitweise
das Wasser durchschwimmt, wobei er zuweilen in die pelagische Region der Seen vordringt. Die
anderen drei Anfangsformen sind schon mehr differenziert. Sida benützt ihr — Wenn auch sehr
ursprüngliches — dorsales Haftorgan, Polyphemus und Daphnia schwimmen fast stets frei durchs
Wasser, D. pulex obtusa sah ich allerdings auch gelegentlich mit den ventralen Schalenrändern über
den Boden, über Blätter, am Glas oder unter der Oberfläche hingleiten. —
Chydorus sphaericus bewerkstelligt die Eroberung der pelagischen Region dadurch, daß er
seinen schweren Körper mi t t e l s k r ä f t i g e r R u d e r s c h l ä g e d u r c h das Wa s s e r
t r ä g t . Von Zeit zu Zeit ruht er sich an Cyanophyceen-Flocken oder dergl. aus; er schwimmt abwechselnd
in der Bauch- und Rückenlage, oft auch schräg seitlich, mit außerordentlich raschen,
schwirrenden Schlägen der Ruderantennen.
Seine Methode, sich in der pelagischen Zone vor dem Untersinken zu bewahren, ist sicherlich
die ursprünglichste und die auch für die übrigen Cladoceren noch heute wichtigste: die E i g e n bewegung.
Die anderen Methoden sind bei den Krebsen von sekundärer Bedeutung, sie dienen teils
dazu, gradliniges Vorwärtsschwimmen zu ermöglichen — darüber später — teils dazu, Kraft zu sparen.
Es mußte nämlich die Ökonomie des Kraftwechsels so eingerichtet werden, daß ein zeitweises
Ausruhen durch Festhalten oder Anheften, wie wir es bei Chydorus noch beobachten, überflüssig
wurde. Erst dadurch entstanden wirklich „pelagische“ Organismen, d. h. solche, die n i e m a l s
e i n e n S t ü t z p u n k t f i nden, sondern beständig schwimmend oder schwebend im freien
Wasser sich halten.
x) In bezug auf d ie Ernährungsweise g ehört Lepiodora, die w ir als Anhang zu den Sididen aufführten, m it den Onychopoden
zusammen: r ä u b e r i s c h e T i e r e m i t F a n g b e i n e n . Alle übrigen Planktoncladoceren dagegen nähren sich, w ie ich
(1908) für Daphnia gezeigt habe, von kleinsten Planktonalgen („Zentrifugenplankton“ ), das sie m it Hilfe der reusenartigen Beinanhänge
aus dem Wasser aussieben.