h e it eines assimilierenden Körpers von der Ar t und Weise des Assimilationsvorgangs abhängt, so werden wir kaum fehlgreifen,
wenn wir die Gene als konstant-assimilierende und inkonstant- oder inexakt-assimilierende unterscheiden; es dürfte praktisch
sein, das Wesentliche der beiden Assimilationsweisen durch die Ausdrücke „R e - a s s i m i 1 a t i o n “ (für die unveränderte Wie derbildung
der g leichen Substanz) und „ P a r - a s s i m i 1 a t i o n “ (für die quantitativ oder qualitativ veränderte W iederbildung)
hervorzuheben.
A ls d r itte Frage ergibt sich ferner: Was is t das Gemeinsame an den drei als normgemäß bezeichneten Gen-Veränderungen
(Oszillation, Periodizität und Sensibilität)?
Daß die Lokalisierung diesen drei Arten von Variabilität gemeinsam sein kann, und daß sie alle d ie Assimilation der Gene
betreffen dürften, wurde schon g esagt. Im übrigen aber scheint es sich zunächst um ziemlich heterogene Erscheinungen zu handeln.
Doch ergibt eine vergleichende Prüfung, daß es sich in allen drei Fällen um eine — ‘anderen Genen nicht in diesem Maß zukommende
— Abhängigkeit der Gen-Assimilation v on den jeweilig herrschenden Assimilationsbedingungen handelt.
Bei den Oszillationen sind es die unkontrollierbaren Verschiedenh eiten, die i n d e n e i n z e l n e n Z e i l e n herrschen,
bei der Periodizität scheint es sich um eine Sensibilität gegenüber ähnlichen „ a u t o k a t a l y t i s c h e n “ S t o f f e n zu handeln,
w ie sie b ei jeder Ontogenese (Wachstumskurven!) zuerst d ie Vorgänge intensivieren und später paralysieren. Auch.bei der
Metagenese der cyklischen Cladoceren scheinen derartige Stoffe, die dann m it dem Sexualakt b e se itigt werden, eine wichtige
Rolle zu spielen. Bei der Milieu-Sensibilität endlich, zumal wenn sie sich in der Präinduktion der Keimzellen dokumentiert,
ze:gen sich die Einflüsse der jeweiligen Assimilationsbedingungen auf die Gen-Beschaffenheit am deutlichsten.
E in e le tz te , v ie r te Frage is t vielle icht die wichtigste: Wodurch u nterscheidet sich die normgemäße v on der normwidrigen
Assimilationsänderung, welch letztere eine Blastovariation darstellt und eine Transmutation des bisherigen Typus einleitet?
E s h a t den Anschein, daß d ie Blastovariation auf einer t i e f g r e i f e n d e n Änderung des G en s*) beruht, während die
normgemäße Genänderung nur solche periphere oder akzessorische T eile (Produkte?) dieses Gebildes oder d ieses komplexen Faktors
betrifft, welche im weiteren Verlauf der Assimilationsvorgänge von einer (unveränderten) Zentralsubstanz oder einem Hauptfaktor
aus in der ursprünglichen Form ersetzt werden. Das alles is t einstweilen w e it m ehr Be- und Umschreibung als Erklärung.
Schon je tz t aber is t klar, daß eine a b s o l u t e Verschiedenheit der chemischen V orgänge, die einerseits normgemäße, anderse
its normwidrige Parassimilation bedingen, schwer vorstellbar ist. Zwischen jenen oberflächlicheren und diesen tiefgreifenden
Gen-Änderungen sind denn auch w i r k l i c h e Ü b e r g ä n g e 2) zu finden, über die ich a. a. 0 . berichten werde.
3. Die artändernde Bedeutung der lokalisierten Labilität im Zusammenhang mit
Milieuwirkung und Selektion.
Die Konstatierung, daß einige bestimmte Zellbezirke des Daphnienkörpers in ihren Anlagen
labil sind, im Gegensatz zu der Konstanz der ändern, kommt unsern früheren Darlegungen über den
Einfluß von Milieu und Selektion auf die Artänderung sehr zu Hilfe. Wir können uns nun einigermaßen
eine Vorstellung von dem ganzen Prozeß machen, der von den gelegentlichen B 1 a s t o-
v a r i a n t e n bis zu solchen k o n s t a n t e n Ar tme r kma l e n führt, wie wir sie gewöhnlich
im Sinn haben, wenn wir von Artcharakteren sprechen.
Nach meinen Beobachtungen zerfällt dieser Prozeß bei den Cladoceren in drei Akte, die sich
sämtlich vor unsem Augen beständig abspielen und die so charakteristische Unterschiede in den
determinierenden Vorgängen oder Reaktionen zeigen, daß es sich wohl lohnt, sie einzeln zu betrachten.
Den ersten Akt („S p o n t a n r e a k t i o nen“) bilden die nun genug besprochenen, durch
spezifische Labilität einerseits und Milieueinfluß anderseits hervorgerufenen Blastovarianten. Sie
entstehen, sobald die Milieubedingungen günstig sind, hier und da, ohne daß man sie mit Sicherheit
Voraussagen oder synthetisch darstellen könnte. Die zugrundeliegende Parassimilation der betreffenden
Gene stellt jedesmal eine spontane, irreguläre Reaktion dar, die in der Nachkommenschaft oft
durch einen neuen spontanen Akt rückgängig gemacht wird.
■Es kann sich dabei nun um Veränderungen der bisherigen Norm handeln, die u n t e r bes
t im m t e n Mi l i e u V e r h ä l t n i s s e n — eben denen, unter welchen sie entstanden — von
J) Uber d ie chemische Beschaffenheit der Gene, welche wahrscheinlich nur bestimmte Teile des lebenden Eiweißmoleküls
sind, können wir nichts weiter aussagen. Ihre drei Zustände, der latente, aktivierfähige und aktivierte (W. 1911 b), können auf
verschiedene Weise zustande kommen.
2) Denen hoffentlich das Schicksal erspart bleibt, als „confusion between phenotypes and genotypes“ ( J o h a n n s e n ,
gebrandmarkt zu werden.
N u t z e n sind. Dann tritt eine Selektionswirkung in Kraft, die zumal deshalb bedeutungsvoll
wird, weil ihr von vornherein disproportional veränderte Individuen zur Verfügung stehen, deren
einseitige Fortsätze auch noch die „Tend®ü#BHin ihren labilen Anlagen ■ haben, sich’immer
weiter zu verändern. So können zeitweise, z. B. im Sommer« e t r a o h t ^ i h e Verlängerungen
oder Verkürzungen einzelner Fortsätze entstehen, die dann einen erheblichen Nutzen im Kampfe
ums Dasein gewähren. Die Folge ist, daß die zu dieser Zeit nicht derart veränderten Individuen
verdrängt werden. (In jedem geschlossenen Gewässer kann nur eine beschränkte Individuenzahl
einer Art leben, die „Verniehtungsziffer" ist zumal bei parthenogeneßscher Vermehrung riesig groß.)
Bei dieser Sachlage werden auch diejenigen „Linien“ ausgerottet, Welche das neue Merkmal
zwar hier und da zeigen, aber nur unregelmäßig :als „Spontanreaktion“, und es bleiben schließlich
nur solch». Linien übrig,, welche die. betreffende'Verlängerung «der Verkürzung r e g e l m ä ß i g
und rech tze itig aufweisen, so oft nämlich die zugehörigen Milieubedingungen vorhanden sind.
Damit ist der zweite Akt begonnen: aus den Spontanreaktionen sind „Normreakt ionen“ geworden.
Die Norm, nach welcher sich z. B. die Helmlänge einer so entsraiideptm llyalodaplmia Basse
richtet, ist einerseits als „Mi l i e a- H o r m“ zu bezeichnen, d. h. als ein konstantes Verhältnis
zwischen Milieustufe (Assimilationsintensität, Blutdruck) und Helmlänge. Damit verknüpft sich aber
noch ein anderes konstantes Verhältnis, das wir „Z e i t - N o f t " genannt haben: Die Beaktions-
könstanteu der Helmlänge ändern sich mit der Zahl der parthenogenetischen Generationen vom
Dauerei an gerechnet.
Aus diesen Norm-Reaktionen können endlich, das würde ein dritter Akt sein, „Zwangs-
Beaktionen“ werden, welche unweigerlich ¡0 Von Milieu und Zeit unabhängig — dasselbe Besultat
geben, Sobald überhaupt eine Determinierung stattfindet..
Solche Beaktionen sind z. B. bei den invariablen Borsten der DaphnidenextremitätenB-lm
Gegensatz zu den benachbarten, von einer Zeitnorm abhängigen variablen Borsten I regelmäßig zu
konstatieren. Und bei einigen Bassen von Hyalodaphnia kann inan, was mir besonders instruktil||u
sein scheint, die Entstehung von Zwangsreaktionen aus Normreaktionen Schritt für Schritt verfolgen.
So gibt es Biotypen, deren Helmlänge schon in der ersten Generation weit beträchtlicher ist.
als gewöhnlich. (Das Übliche sind Bundköpfe in der ersten Generation.)
Bei ändern Linien ist die Tendenz zur Langköpfigkeit in der vierten bis sechsten Generation
so ausgeprägt, daß die betreffenden Tiere selbst bei schlechten Milieubedingungen lange Helme haben,
wiederum ganz im Widerspruch zu der üblichen Abhängigkeit der Helmhöhe (auch in dieser.
Generationen) von einer gewissen Milieu-Intensität. Auf beiden Wegen scheint sich ein allmähliches
Übergehen der nur zeitweise und nur bei besonders günstigen Verhältnissen auftretenden „norm-
gemäßen“ Eigenschaften in Merkmale zu vollziehen, die z w a n g s lä u f i g entstehen, sobald die
Tiere überhaupt leben können.
Wir haben gesehen, daß „pelagische Fortsätze“ und Verlängerungen einzelner Körperregionen
sowohl als „feste Artcharaktere“ (Leptodora, Bythotrephesj als auch in variabler,, milieu- und zeitbedingter
Form (Daphnia, Bosmina) vorhanden sein können. Auf physiologische Unterschiede im
Gebrauch der Bichtungsorgane bei diesen beiden Cladoü|fen-Gruppen haben wir im vorigen Kapitel
hingewiesen. Sie sind vermutlich eine der Ursachen dafür, daß bei vielen Cladoceren die Entwicklung
der neuen Organe auf dem Stadium der „Normreaktionen“ stehen geblieben ist; eine Fixierung
der Langköpfe etc. als Zwangsreaktionen bietet gegenüber dem jetzigen Zustand keinen hinreichenden
Selektions wert.