Die Gattung Kerria ist die rein acanthodriline Stammgattung der Unterfam. Ocnerodrüinae. Sie war
bisher lediglich vom tropischen Südamerika und Mittelamerika bekannt, von Buenos Aires-Valparaiso
bis nach Westindien und Nieder-Kalifornien verbreitet. Neben ihr kommen in diesem Gebiet von
Ocnerodrilinen nur die Gattungen Ocnerodrilus und Nematogenia vor.1) Weit mehr als Süd- und
Mittelamerika erschien Afrika als das Hauptquartier der Ocnerodrilinen, kommen hier doch neben
Ocnerodrilus und Nematogenia die großen Gattungen Gordiodrüus2) und Pygmaeodrilus vor, die letztere
ganz auf Afrika beschränkt, die erstere, Gordiodrüus, ostwärts auf Madagaskar und das südliche
Vorderindien übergreifend. Hier in Afrika fanden also die hauptsächlichsten Entwicklungsreihen der
Unterfamilie der Ocnerodrilinen, alle Gattungen mit Ausnahme von Kerria, ihre Vertreter. Um
so verwunderlicher war es, daß gerade die Stammgattung Kerria, von der zweifellos diese Entwicklungsreihen
ihren Ausgang nahmen, hier fehlen sollte. Dieses geographische Mißverhältnis ist nun durch
den Fund einer Kerria in Afrika harmonisch ausgeglichen.
Ein anderer geographisch interessanter Fund ist der des Eudrilinen Chuniodrilus Schom-
burgki n. gen., n. sp. von West-Liberia. Die Unterfamilie Eudrilinae teilt sich bekanntlich mit der
Gattung Dichogaster der Unterfam. Trigastrinae in die Herrschaft im tropischen Afrika. Die Gebiete
dieser beiden hier vorherrschenden Terricolengruppen sind aber nicht kongruent. Das Gebiet von
Dichogaster reicht wenigstens südlich vom Äquator nicht eigentlich bis an den Indischen Ozean.
Es findet seine östliche Grenze im ostafrikanischen Graben und schickt in Deutsch-Ostafrika nur vereinzelte
Posten weiter ostwärts vor, junge Vorstöße von etwas fraglicher Bedeutung, einzelne Arten,
die sehr nahe Verwandte in Formen des ostafrikanischen Grabengebiets besitzen (D. wangaensis Mich,
von Wanga sehr nahe verwandt mit der etwas peregrinen D. Austeni Bedd. von Wanga und dem
Nyassa-Land, und wahrscheinlich wie diese etwas peregrin, ferner D. tdborana n. sp. von Tabora in
Deutsch-Ostafrika, sehr nahe verwandt mit Formen aus dem deutsch-ostafrikanischen Seengebiet,
mit D. ufipana n. sp., D. nyassana n. sp. und D. Frickei Mich.). Das Gebiet von Dichogaster geht
andererseits bis an den Atlantischen Ozean (Französisch-Kongo, Kamerun, Nigeria, Togo, Britisch-
Aschanti, Liberia, Portugiesisch-Wbstafrika und Senegambien) und greift, ihn überspringend, auf
Westindien und Mittelamerika über. Umgekehrt erreicht das Eudrilinen- Gebiet ostwärts in ganzer
Breite den Indischen Ozean (Erythraea, Harar, Benadir, Britisch- und Deutsch-Ostafrika, Mosam-
bique [und Natal ?]). Westwärts geht es aber nicht so weit wie das Dichogaster- Gebiet. In Kamerun
und Britisch-Nigeria hält die Unterfam. Eudrüinae der Gattung Dichogaster noch die Wage, aber
schon in Togo hat Dichogaster das Übergewicht; hier steht ihm nur noch die Eudrilinen-Gattung
Eudrüus mit einigen wenigen endemischen Formen gegenüber. Eine einzige Varietät einer dieser
Eudrüus-Arten fand sich noch bei Accra in Britisch-Aschanti, damit fand das Eudrilinen-Gebiet nach
unserer bisherigen Kenntnis seine westliche Grenze. Der neue Fund von Chuniodrilus, einer der in
Britisch-Nigeria beheimateten Gattung Libyodrüus nahe stehenden Form, in West-Liberia, bedeutet
also einen beträchtlichen Vorstoß der Eudrilinen westwärts. Chuniodrilus Schomburgki ist ein isolierter
Vorposten, ähnlich wie im Süden Nemertodrüus Kellneri Mich, von der Oranje-Kolonie, also mitten
im Gebiete der südafrikanischen Glossoscoleciden und Chilotaceen.
Zu den allgemeineren geographischen Neuheiten ist noch der Fund eines Monopylephorus
(M. africanus n. sp.) in Transvaal zu rechnen, der Fund des ersten Tubificiden im äthiopischen Gebiet,
*) Von der Fundortsangabe „Westindien, Dominica“ für Gordiodrüus dominicensis Bedd. sehe ich ab, da sie durch die
Kew gardens übermittelt, also sehr unsicher ist.
*) Mit Gordiodrüus vereine ich die ebenfalls - afrikanischen Gattungen Nannodrilus und Diaphorodrilus; siehe unten 1
in Afrika südlich von der Sahara. Im übrigen hat dieser Fund der weltweit verbreiteten Gattung
Monopylephorus nur geringe Bedeutung.
Geographisch bedeutungsvoller sind einige speziellere Feststellungen, zumal Gebietserweiterungen
gewisser Eudrilinen-Gattungen der Eminoscolex-Polytoreutus- Gruppe. Die Gattungen dieser
Gruppe haben die geographische Eigenheit, daß sie im Gebiet des ostafrikanischen Grabens Zusammenkommen,
sich aber, soweit es Gattungen größeren Umfanges sind, nur einseitig von hier aus verbreiten,
und zwar die verschiedenen Gattungen strahlenförmig nach verschiedenen Seiten.1) Die hierher
gehörige Gattung Eupolytoreutus war bisher nur aus dem Gebiet des ostafrikanischen Grabens und
seiner nächsten Umgebung bekannt, vom westlichsten Distrikt Deutsch-Ostafrikas, Ruanda, und
vom Distrikt eben westlich vom Nordende des Tanganjikas. Dieses kleine Gebiet wird nun durch
den Nachweis eines Eupolytoreutus (Eu. armatus n. sp.) in Britisch-Nigeria quer über die Masse des
afrikanischen Kontinents westwärts gedehnt, hat jetzt also eine ähnliche Erstreckung, wie das der
Stammgattung dieser Gruppe, Eminoscolex, die in vielen Arten im Gebiet des Ruwenzori und des
Weißen Nils (das sie ostwärts nur um wenige Kilometer überschreitet) auftritt und andererseits einige
wenige Arten in Kamerun und im Mündungsgebiet des Kongo aufweist. Eine Erweiterung innerhalb
des Bereiches des ostafrikanischen Grabens erfährt die ebenfalls zu dieser Gruppe gehörige Gattung
Neumannidla, deren Gebiet sich vom Ruwenzori über Kaffa und Schoa, die Wasserscheide zum Weißen
Nil westwärts nur um wenige Kilometer überschreitend, bis nach Erythräa am Roten Meer hinzieht.
Eine Neumanniella-Ait (N. Frommi n. sp.) von Ufipana am Südende des Tanganjika zeigt, daß diese
Gattung sich im Bereich des ostafrikanischen Grabens viel weiter südwärts hinzieht, als früher
angenommen werden konnte.
Eine bedeutende Gebietserweiterung erfährt ferner auch die Eudrilinen-Gattung Platydrilus,
von Britisch- und Deutsch-Ostafrika sowie vom Mündungsgebiet des Kongo bekannt, durch den
Fund von PL Agnes n. sp. am mittleren Sambesi, sowie die ebendort nachgewiesene Glossoscoleciden
Gattung Alma, die bisher nicht südlich von Deutsch-Ostafrika und vom Kongo bekannt war.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß auch die Gattung Alluroides, die einzige Gattung der
Familie Älluroididae, eine Gebietserweiterung erfährt. Es sind zwei Arten dieser Gattung bekannt
A. Pordagei Bedd. von Britisch-Ostafrika und A. Tanganyikae Bedd. vom Tanganjika. Diese letztere
Art fand ich neuerdings bei Witpoort in Transvaal im Quellfluß des Krokodilflusses. Sie hat also
wie viele limnische Oligochäten eine ziemlich weite Verbreitung.
Systematik.
Fam. Tubificidae.
Gen. Monopylephorus Lev.
1884. Monopylephorus, Levinsen, Systematisk-geografisk Oversigt över de nordiske Annulata, Gephyrea, Chaetognathi og
Balanoglossi, Anden Halvdel. In: Vid. Medd. nat. For. Kjöbenhavn 1883, p. 223.
1892. Vermiculus, Goodrich, Note on a new Oligochaete. In: Zool. Anz. XV, Nr. 408, p. 476. (Nom. Vermiculus praeocc.
1853 Dalyell [Nemertini\).
1900. Rhizodrilus, Fr. Smith, Notes on Species of North American Oligochaeta. III. List o f Species found in Illinois, and
Descriptions of Illinois Tubificidae. In: Bull. 111. Lab. V, p. 444.
1900. Vermiculus, Rhizodrilus, Michaelsen, Oligochaeta. In: Tierreich X, p. 40, 522.
1904. Monopylephorus (part. ?), Ditlevsen, Studien an Oligochäten. In: Zeitschr. wiss. Zool. LX X V II, p. 426. ■
') Vergl. W. Michaelsen, Die Oligochäten des inneren Ostafrikas und ihre geographischen Beziehungen. In: Wiss. Erg.
Deutsch. Zentral-Afrika-Exp. 1907—1908, III, Zool. I, p. 12 u. f., Kartensk. B.