Alle die angeführten Übereinstimmungen zusammen mit denen, welche von Go od r i c h
und anderen Autoren bereits in Erwägung gezogen wurden, veranlassen mich, in d e n S acco-
c i r r i d e n Wü r m e r zu sehen, di e den Ol i goc hae t en n ä h e r v e rw a n d t
s i nd al s de n P o l y c h a e t e n . Ob sie direkt ursprüngliche Formen repräsentieren, aus denen
die Oligochaeten hervorgegangen sind, kann ohne Kenntnis der Ontogenese dieser Tiere nicht sicher
entschieden werden. Jedenfalls weisen sie in vielen Punkten, so vor allem in der regelmäßigen
segmentalen Wiederkehr der Geschlechtsorgane mit ihren Ausführungsgängen einfachere Verhältnisse
auf als die meisten der Oligochaeten.
Andererseits muß aber hier auch darauf hingewiesen werden, daß die Saccocirriden in manchen
Eigenheiten ihres Baues, besonders wieder in den Geschlechtsorganen und Geschlechtsprodukten, sowie
in dem Vorhandensein einer inneren Befruchtung an die Turbellarien erinnern, so daß man beide
Gruppen vielleicht auf gleiche oder sehr nahe verwandte Vorfahren zurückführen kann.
Es muß der Lage der Sache nach bei den Saccocirriden eine K o p u l a t i o n stattfinden,
da wir einmal eine streng durchgeführte Trennung der Geschlechter konstatieren können, andererseits
aber die Receptacula der reifen Weibchen mit Sperma gefüllt erscheinen. — Eine Begattung mit
Benutzung von Kopulationsorganen findet sich bei Anneliden nicht allzu häufig. Wir e n (1907)
vermutet eine solche bei der Polynoide Macdlicephala violacea. F a u v e 1 (1903) versucht nachzuweisen,
daß die von B e r a n e c k als Otocysten beschriebenen Anhänge der beiden ersten Rumpfsegmente
der Alciopiden Receptacula seminis seien, so daß also auch hier eine Begattung stattfinden
müßte. Nach R a c o v i t z a (1893) besitzt das Männchen von Micronereis variegata Kopulationshaken,
mit denen es sich für längere Zeit auf dem Weibchen festheftet, doch ist die Befruchtung der
Eier in diesem Falle eine äußere.
Mehrmals wurde schon darauf hingewiesen, daß die Vertreter der Gattung Protodrilus eine
große Ähnlichkeit mit Saccoci/rrus besitzen, die auch von den früheren Autoren zur Genüge hervorgehoben
wurde. Es soll hier nur im Hinblick auf unsere Untersuchungen an Saccocirrus das angeführt
werden, was P i e r a n t o n i (-1908) in seiner Monographie über Protodrilus von der Reifung der
Eier dieses Wurmes sagt. Die Reifungsteilungen finden bei Protodrilus pu/rpureus, an welcher Art
dieser Autor sie am genauesten studierte, noch innerhalb des Ovariums, also wie bei Saccocirrus statt.
P i e r a n t o n i beschreibt die Einzelheiten des Vorganges folgendermaßen: ,,Quando le
cellule ovariche hanno raggiunto un certo volume, sul punto di giungere nella zona da cui poi si
distaccano, sono già notevolmente ricche di vitello; il nucleo allora si porta verso la periferia della
cellula, scompare la membrana nucleare e sic ostituisce il 1° fuso di maturazione (Tav. 9 fig. 8 fm’),
la rete cromatica ed il nucleolo framentandosi per formare q u a t t r o 1) cromosomi, in forma di
quattro doppie sferule; la metà distale di ciascuna di queste migra verso la superficie dell’uovo lungo
il fuso, e passa in una piccola gemma (che si è andata formando alla periferia) la quale si rende indi-
pendente dalla parete e presto si trova ripiena di otto sferule cromatiche essendosi le prime quattro
a loro volta divise ciascuna in due (Tav. 9 fig. 3 cop’). I quattro cromosomi rimasti dentro l’uovo
riprendono la forma bisferulata, e tosto altre quattro metà’ attraverso un nuovo fuso acromatico,
migrano verso una nuova gemmetta, nella quale si trovano, in fine quattro sferule cromatiche
*) Von mir hervorgehoben.
(cop”). I primi otto cromosomi restano da prima fusi in un sol corpuscolo (Tav. 9 fig. 3), poi si
scindono in due. Il processo nel suo insieme non differisce da quanto è stato osservato in altri
animali. Nel Protodrilus flavocapitatus il materiale cromatico pervenuto dal 1° fuso (fig. 9 e 10 cop’)
non sembra dividersi, ma forma subito un’ unica massa.“
D ie Zahl de r C h r o m o s o m e n ist also bei Protodrilus die gleiche wie bei Saccoci/rrus,
nämlich acht* Es mag hier daran erinnert werden, daß sie gerade bei vielen Oligochaeten ein mehrfaches
von 8, meist 32 beträgt. Die Normalzahl ist bei Enchytraeus humicultor und Mesenchytraeus
nach Vejdovsky (1907) 32, ebenso bei Lumbricus nach Ca l k i n s (1905) und I l y o d r i l u s
cocc ine u s nach V e j d o v s k y und M r a z e k (1903) ; nach den beiden letzten Autoren beträgt
sie für Rhynchelmis und nach V e j d o v s k y (1907) auch für Fridericia hegemon 64. Auch bei
vielen daraufhin untersuchten Turbellarien ist die Normalzahl der Chromosomen, wie sie sich bei
Gelegenheit der Reifungsteilungen ergibt, ein Mehrfaches von 8, nämlich meist das Doppelte davon,
d. h. 16; so bei Prosthiostomum sipuncidus, Leptoplana tremdlaris, Oligodades auritus, Cycloporus
papillosus nach F r a n c o t t e (1897/98) unter den Polycladen und bei verschiedenen „Freshwater
Forms“ nach Ma t t i e s e n (1903) und Planaria simplicissima nach S t e v e n s (1904) unter den
Tricladen.
Wenn die Zahl der Chromosomen nun auch nach unseren seitherigen Erfahrungen schwerlich
als ausschlaggebender Faktor für die größere oder geringere Nähe der Verwandtschaft zweier Tiergruppen
gelten kann, so sollte dieser immerhin auffallenden Übereinstimmung hier doch wenigstens
Erwähnung getan werden.
Doch kehren wir zu Protodrilus zurück. P i e r a n t o n i stellte fest, daß in den hermaphro-
diten Individuen eine innere B e f r u c h t u n g und zwar eine Selbstbefruchtung, durch die „Cysto-
spermien“ mit kurzem Kopf stattfindet. Solche Spermien trifft man aber erst in denjenigen Oocyten
an, welche gerade im Begriff stehen, ihre Reifung durchzumachen, also keineswegs in so jungen Keimzellen
wie bei Saccocirrus. Immerhin bieten die dabei auftretenden Bilder wieder eine gewisse Ähnlichkeit
mit denen, die wir bei Saccocirrus fanden. P i e r a n t o n i schreibt hierüber:
„Tutte, o quasi tutte, le cellule ovariche che si trovano in via di compiere il processo di matura,-
z one sono provviste nella porzione opposta a quello ove è il pronucleo femminile, di una testa di
spermio. Questa, durante il primo periodo di permanenza acquista una forma quasi sferica (fig. 8, 9,10
tsp), si circonda poi di una jalosfera (fig. 11 prn <?) acquistando 1’ aspetto di un nucleo in riposo
(pronucleo maschile), mentre il pronucleo femminile (prn $), che è pervenuto anch’esso allo stato
di riposo, giace dall’altra parte.“
* * *
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß sich das wahre Verhältnis des Protodrilus zu Saccocirrus
erst dann wird feststellen lassen, wenn von beiden Formen genauere Einzelheiten über ihre
Ontogenese bekannt sein werden.
; .'ii Soviel aber läßt sich schon jetzt mit Sicherheit behaupten, d a ß d ie P r o t o d r i l i d e n
de n S a c c o c i r r i d e n v e r w a n d t s c h a f t l i c h ä u ß e r s t n a h e s t e h e n, und
da ß die b i s h e r i g e G e m e i n s c h a f t : P r o t o d r i l u s - P o l y g o r d i u s à u i a h a u s
g e t r e n n t w e r d e n muß. Beide haben eigentlich von wesentlichen Merkmalen nur das gemein,
daß sie borstenlos sind.
Die Borstenlosigkeit der Protodriliden ist wohl kein Merkmal, das diese Familie allzuweit von
Zoologien. Heft 07. 38