Er meint, daß diese Gefahr einmal dadurch vermieden würde, daß die Tiere bei langsamer Bewegung
nach jedem Ruderschlag in die vertikale Anfangsstellung zurückpendeln, ferner durch die „neutralisierende“
Wirkung des Schalenstachels und Helms. Die Sachlage ist leider viel komplizierter, als es
danach den Anschein hat. Es genügt aber wohl für unsern Zweck, wenn wir die richtunggebenden
Kräfte kurz aufzählen.
Die i n n e r e n R i c h t u n g s f a k t o r e n sind: Schlagrichtung und Trägheit der Körpermasse.
Der Antennenschlag ist der eigentliche Motor der Fortbewegung; da er nicht in der Richtung
der Längsachse erfolgt, so sorgt das Beharrungsvermögen des nachgezogenen Körpers dafür, daß die
Längsachse mit jedem Ruderschlag verlagert wird (Fig. 25).
Die ä u ß e r e n R i c h t u n g s f a k t o r e n , die schließlich doch eine gradlinige Bewegung
erzielen, sind Gravitation und Widerstand des beim Vorwärtsschwimmen verdrängten Wassers
(Steuerung). Beide Kräfte wirken einerseits auf den Körper als Ganzes — erstere herabziehend, letztere
bewegungshemmend —, anderseits auf die Stellung der Längsachse.
Die Verknüpfung der verschiedenen richtunggebenden Prozesse ist etwa folgende: Schlagrichtung
(B) und Absinken während des Schlags (G) ergeben als Resultante die Vo r t r i e b - R i c h t
u n g (Fig. 26). Diese wird aber nicht einmal während der Dauer eines Schwimmstoßes (Sprunges)
beibehalten, sondern durch folgende Kräfte verändert: erstens wirkt zu Anfang der ventralwärts gerichtete
Stoß Kopf neigend, Rumpf hebend; zweitens wirkt während des weiteren Verlaufs des
Schwimmstoßes die Schwerkraft Rumpf senkend, Kopf hebend; drittens bewirkt gleichzeitig der
Widerstand des Wassers, daß der umfängliche Rumpf mehr zurückgedrängt, also gehoben wird als
der schmächtige Kopf. Alle drei Faktoren sind variabel, der erste je nach der Schlagrichtung, der
zweite je nach der Lage von g zu b, der dritte je nach der Länge und Stellung der steuernden Flächen:
He l m und Spina.
Letztere bewirkt in e rste r Linie die Gradlinigkeit der Bewegung, sei es daß
sie als Führungsfläche genau in der Vortriebsrichtung liegt, sei es daß sie als kompensierendes
Steuer dorsalwärts gebogen ist.
Das Resultat dieser Kräfte einerseits und der Vortriebrichtung anderseits ist der Weg, den das
Tier bei jedem Sprung zurücklegt; die dabei eingehaltene Richtung ist die Schwimmrichtung, wir
wollen sie aber lieber, um Mißverständnisse zu vermeiden, bei Daphnia „ S p r u n g r i c h t u n g “
nennen. Sie bezeichnet nämlich nicht die Gesamtrichtung der Bewegung. Diese, also der eingehaltene
„Kur s “ ist vielmehr die Resultante aus Sprungrichtung und Sprunglänge einerseits und aus der
(konstanten) Richtung und (variablen) Länge des beim A b s i n k e n in den Schlagpausen jedesmal
zurückgelegten Weges anderseits. Die Daphnie kommt also auf ähnliche Weise vorwärts wie ein
langsam gerudertes Boot, das in jeder Schlagpause ein Stück abgetrieben wird, oder auch wie ein
in lauter einzelnen Bogen fliegender Vogel, etwa ein Hänfling.
Der Übersichtlichkeit wegen füge ich ein Schema bei, das die einzelnen Richtungsfaktoren von
dem primären Antrieb (Ruderschlag) bis zum Gesamtresultat (Kurs) wiedergibt.
I. Schlagrichtung
-f- Absinken während des Ruderschlags
= II. Vortriebrichtung
-J- Ablenkung der Längsachse durch 1. Trägheit des Rumpfes
2. Schwerkraft, 3. Wasserwiderstand ( S t e u e r u n g )
= III. Sprungrichtung
-j - Absinken in den Schlagintervallen
= IV. Kursriehtung.
Fig. 27 zeigt, wie ein schrägaufwärts führender Kurs (I a und II a) zustande kommt, und wie
er auf zweierlei Weise in eine horizontale, weiter in eine abwärts führende Gesamtbewegung übergeführt
werden kann, nämlich entweder (I) durch Verlängerung der Schlagpausen (bei unveränderter Sprungrichtung
und Sprunglänge), oder aber (II) durch Veränderung der Schlag- und demzufolge der Sprungrichtung
(bei unveränderten Schlagpausen).
Dabei ist nun Folgendes zu beachten. Bei der Methode I erfolgt die Senkung der Schwimmbahn
durch Verstärkung (Verlängerung) der Si nk Wi r kung der Schwerkraft, die Hebung (Aufsteigen)
durch einfache Beschleunigung des Rudertempos.
i II
Fig. 27. Sprungrichtung und Kursrichtung bei Hyalodaphnia. Die ausgezogenen Linien bezeichnen je einen Sprung, die
punktierten das Absinken nach jedem Sprung (Schlagpause), die langen Pfeile den eingehaltenen Kurs.
(Die in Wirklichkeit wellenförmige Schwimmbahn ist hier in ihre Komponenten zerlegt, erscheint daher zickzackförmig.)
I. Sprungrichtung und -länge konstant, Schlagpausen verschieden lang.
II. Schlagpausen gleich lang, Sprungrichtung verändert.
a s te llt in I und II die Normalbewegung des ungereizten Tieres dar; b und c in I durch mechanischen Reiz, Kälte oder Er mattung,
in II durch . Oberlicht verursacht.
Bei der Methode II dagegen erfolgt die Senkung des Schwimmkurses dadurch, daß die
Ac h s e n w i r k u n g der Gravitation, welche bei jedem Sprung den Kopf hebt, welche also die
Sprungrichtung steiler aufwärts richtet, überwunden wird, und zwar durch stärker dorsal gerichtete,
energischere Ruderschläge (das Schema gibt davon nur die Richtungsänderung, nicht die Sprunglänge
wieder). Ein Heben der Schwimmbahn, also ein Aufsteigen der Tiere, kann dementsprechend dadurch
erzielt werden, daß die Ruderschläge Weniger stark dorsalwärts gerichtet, gleichzeitig weniger
energisch werden.
Wir haben also eine passive Methode des Absteigens von einer aktiven zu unterscheiden,
im ersteren Falle sparen die Tiere beim Absinken Energie, im zweiten verändern sie ihre Bewegung
und verbrauchen dabei mehr Energie als zum Aufwärts- und Horizontalschwimmen nötig ist.
Das letztere interessiert uns besonders: es erfolgt auch auf zweierlei Weise, entweder mit lässigen,
aber ziemlich steil hinaufführenden Sprüngen und entsprechend langen Schlagpausen (I b) oder mit
flacher gerichteten, energischeren Ruderbewegungen und kürzeren Intervallen (Hb).
Zoologien.' Heft G7.