der Pseudopödien dem Blastoporus liomologisiert worden. Gegen diese Deutung hat sich bereits
Metschnikoff (1. c. 1881, .p.; 441) gewandt: „Unter solchen Verhältnissen bleibt es unmöglich, den oft
verzweigten1) Durchgangsschlitz der Pseüdopodien für ein Homologon des Blastoporus zu halten,
zumal unsere Larve keine Gastralhöhle enthält, sondern mit der kolossalen Bewegungszelle ausgefüllt
bleibt.“
Weiterhin würden gegen die zitierte Auffassung- Metschnikoffs meine Angaben über
Entodermbildung bei unseren Larven sprechen. Ferner sehen sich die Anhänger dieser Hypothese
zu der äußerst widerspruchsvollen Annahme verurteilt, daß sich die Cumna parasitica-Larven mit
dem o r a l e n (!) Pol, d. h. mit dem Blastoporus festsetzen. Dazu kommt noch eine allgemeine
Erwägung: Von der dritten Generation der Cunina proboscidea kann man recht wohl erwarten,
daß sie — wenigstens in den Hauptzügen — die Entwicklung der mütterlichen (zweiten) Generation
der Cunina proboscidea rekapituliert.
Von diesem Gesichtspunkte aus könnte man die zweischichtigen, kappenförmigen Entwicklungsstadien
der Cunina parasitica mit denjenigen Delaminationsgastrulae von Cunina proboscidea (zweite
Generation) vergleichen, welchen vorderhand Gastralhöhle und Blastoporus noch fehlen.
W e r d ie E n tw ick lu n g sg e sch ich te d e r g en an n ten C u n in a p a ra s itic a -L a rv en n ic h t k e n n t, w ü rd e (m it B ütsch li, B em e rkungen
zur G a stra e a -T h eo rie , Morph. J a h rb . B d . IX . p . 415—419) v e rsu c h t se in , in ih n e n „P la k u la e “ zu sefieh. D a a b e r be i u n s e ren
L a rv e n die Zwe ischichtigke it keineswegs d u rc h „ p a ra lle l d e r Ta fe lflä che “ s ta ttg e fu n d e n e T e ilung (P o s tu la t d e r P lak ü la -T h eo rie )
e rre ic h t w ird, k a n n sch o n au s die sem Gru n d e v o n e in e r solchen Homologisierung n ic h t die R ed e sein.
Auch bei unseren Larven legt sich nämlich die Gastralhöhle erst sekundär an: Zunächst treten
am ¡Scheitelpol der sogenannten Rückenfläche die Entodermzellen in lebhafte tangentiale Teilung
ein (cf. Tafel XXXI, Fig. 6), so daß das Entoderm hier mehrschichtig wird. Die Zellen weichen auseinander
und hierdurch entsteht ein Hohlraum, der — da er mit dem Hohlraum der geknospten
Medusen kommuniziert —- als Gastralhöhle aufgefaßt werden muß (cf. die Entstehung der Gastralhöhle
bei der zweiten Generation von Cunina proboscidea in Metschnikoffs und Stschelkanowzews
Arbeiten und Tafel XXXI, Fig. 1 dieser Arbeit).
In konsequenter Verfolgung meines oben erwähnten Standpunktes muß ich in diesen Larvenstadien
caenogenetisch veränderte Delaminationsgastrulae sehen, denen jetzt nur noch der Blastoporus
fehlt. Hier stellen sich uns aber große Schwierigkeiten entgegen: Welche’Seite dieser Larve
hat man als die orale, welche als die aborale aufzufassen? Die Entscheidung dieser Frage ist von
größter Bedeutung für die ganze Auffassung des Proliferationsprozesses, welcher bei unseren Larven
zur Entwicklung von Knospenähren führt. Es sei mir daher gestattet, die hier möglichen Auffassungen
zu diskutieren.
Zunächst scheidet die Homologisierung: Durchgangsschlitz der Phorocyten-Pseudopodien
= Blastoporus von vornherein aus, da sie der Entwicklungsgeschichte widerspricht.
Aus demselben Grunde dürfte man auch die untere Wand des GaStrallumens, welche die letztere
von der Phorocyte scheidet, (im vorigen Jahre als „Entodermbrücke“ bezeichnet), nicht als die
orale Seite der Larve bezeichnen.
Trotzdem wollen wir im folgenden das Für und Wider der letzteren Auffassungsmöglichkeit
erwägen. ' Da sich die Entodermbrücke (contra Metschnikoff) stets ununterbrochen über die ganze
Oberfläche der Phorocyte hinzieht, würde also ein Blastoporus bei unseren Knospenähren vom Typus I
und II nie zur Ausbildung kommen. Dies könnte man sehr wohl dazu in Beziehung bringen, daß die
») Diese A n gabe tr if f t n u r fü r die Knosp en äh ren vom T y p u s I I zu, n a c h m e inen B eo b a ch tu n g en dagegen nie fü r Knospenä
h r e n vom T y p u s I.
jüngeren Larven zunächst Parasiten ihrer Wirtstiere sind und die Ernährung höchstwahrscheinlich
lediglich auf osmotischem Wege zustandekommt. Man müßte dabei allerdings annehmen, daß sich
die gastrulaeähnlichen Larven mit der Oralfläche am Wirtstier festsetzen.
Wenn wir einmal darüber hinwegsehen wollen, daß diese Erscheinung an sich schon allen
Erfahrungen der Entwicklungsgeschichte widersprechen würde, so wäre bei dieser Deutungsweise
mindestens zu erwarten, daß die Zellstruktur der sogenannten Entodermbrücke deutlich auf eine
Beziehung zwischen ihrer Funktion und dem Parasitismus des Gesamtorganismus hin weist.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Zellen der Entodermbrücke tragen den Charakter eines Plattenepithels,
welches in keiner Beziehung befähigt erscheint, Verdauungsfunktionen zu vollziehen. Ein
Grund mehr, die Deutung der Entodermbrücke als einer oralen Begrenzung der Gastralhöhle abzulehnen.
Zu verschiedenen Malen ist nun die Proliferation, die zur Entwicklung der Knospenähren
vom Typus I und II führt, der aboralen Proliferation bei den Knospenähren vom Typus III verglichen
worden. Man hat Wohl geglaubt, durch
diesen (übrigens unsachlichen) Vergleich die These,
daß der durch die Phorocyte charakterisierte Abschnitt
der Knospenähre als der or a l e anzusehen
sei, stützen zu können.
Schon im Hinblick auf die grundverschiedene
Entwicklung des Proliferationsschlauches bei den
in Gegensatz zueinander gestellten Knospenährentypen
erscheint dieser Vergleich als völlig ungerechtfertigt.
Wollte man ihn trotzdem durchführen, so
würde man übrigens statt gemeinsamer Züge nur
neue Gegensätze finden.
Ganz abgesehen von den Differenzen in der
Knospenentwicklung würde als besonders seltsam
ki = 1. geknospte Meduse.
k2 = 2. geknospte Meduse.
der Umstand erscheinen, daß bei den Knospenähren
Die Pfeile geben die Richtung an, in der die Proliferation fortschreitet.
vom Typus III die Proliferation proximal-distalwärts bezw. in oral-aboraler Richtung fortschreitet
(cf. Textfigur 16), während sie bei den Knospenähren vom Typus I und II im umgekehrten Sinne
erfolgt (distal-proximalwärts, Textfig. 17a, b).
Ich habe nun schon mehrfach auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Knospenähren
vom Typus III und denjenigen vom Typus I und II hingewiesen und kann daher nicht glauben,
daß die Natur ihren ursprünglichen Bauplan (bei den phyletisch unzweifelhaft älteren Knospenähren
vom Typus III) bei denjenigen vom Typus I und II nicht nur aufgegeben, sondern merkwürdigerweise
umgedreht hat.
Di e s e S c h w i e r i g k e i t f ä l l t for t , wenn man in dem die P h o r o c y t e
e n t h a l t e n d e n A b s c h n i t t - de r Guni na p a r a s i t i c a - L a r v e n —r e n t g e g e n
de r ü b l i c h e n A n s c h a u u n g — den a bo r a l en , in de r R ü c k e n f l ä c h e dage
gen die o r a l e F l ä c h e s i eht . Unter dieser Voraussetzung würde der bei den phyletisch
ältesten Knospenähren ersichtliche Bauplan auch bei den phyletisch jüngeren Knospenähren vom
Typus I und II gewahrt erscheinen.
Wir haben hiermit die andere Auffassungsmöglichkeit der oben geschilderten caenogenetisch
veränderten Delaminationsgastrulae gefunden.
Zoologien. H e ft 67. 4 9