Asplanchna. Bei diesem Rädertier haben wir durch We s e n b e r g - L u n d die wahrscheinlich
einfachste Anpassung an die sommerliche Veränderung der Lebensbedingungen kennen
gelernt. Die Tiere verlängern ihren sonst kugel- oder eiförmigen Körper zu einem langen sackförmigen
Gebilde, dessen Hinterende stark gegen die Längsachse gekrümmt werden kann. We s enbe rg-
L un d teilt uns auch mit, daß die Tiere ihren Körper keineswegs horizontal im Wasser halten; als
einfache ,,Schwebanpassung“ = Vergrößerung des horizontalen Querschnitts ist demnach diese
Formänderung nicht zu verstehen, auch brauchen gerade die Asplanchnen eine solche Erleichterung
des Niveauhaltens ganz besonders wenig: sie haben ein überaus geringes Übergewicht und dabei
einen relativ sehr kräftigen Lokomotionsapparat.
Da aber auch ihre Nahrung im Sommer in einer beschränkten Zone Vorkommen dürfte, während
sie im durchmischten Wasser den ganzen See erfüllt, so verstehen wir, wenn im Sommer die Bewegung
auch dieser Tiere für die horizontale Richtung g e s t e u e r t wird. Das ist denn auch wirklich der
Fall. Die häufigste Bewegung der Asplanchnen ist s c h r ä g n a ch a u f w ä r t s gerichtet,
jedenfalls solange von oben Licht einfällt und solange keine Berührungsreize (surface film) ein-
treten. Es würde hier zu weit führen, das schon an sich komplizierte Problem dieser Bewegung1)
in Angriff zu nehmen, wenige Worte darüber müssen uns genügen. Bei solcher Bewegungrichtung
bedingt die Schwerkraft ein beständiges Abweichen des Hinterendes nach unten, als Resultante
von B und G ergibt sich also eine „Fahrtrichtung“, zu welcher die Längsachse des Körpers schräg
steht. Je länger nun die Fläche ist, die dem bei solchem Vorwärtsschwimmen verdrängten Wasser
entgegensteht, um so stärker muß sie — ähnlich dem Bosmina-Rumpf — als Steuer wirken, das die
schräg aufwärts gerichtete Bewegung in eine mehr horizontale um wandelt. Dazu kommt als mindestens
ebenso wichtig, daß der wurstartig verlängerte Körper (Länge: Breite = 5:1 in einigen Fällen!) vermöge
der Kontraktilität seiner Wandung sein Hinterende krümmen und dadurch verschieden wirkende
Steuerflächen herstellen kann. Grade diese Krümmungen sind für die Wesenberg’schen Asplanchnen
charakteristisch. Sie verhindern wahrscheinlich, in Verbindung mit der Schwerkraft, jede Vertikalbewegung
und bewirken auch nachts flache Schwimmbahnen. Eine genaue Untersuchung — am Lebenden
dieser wurstförmigen Sommertiere ist sehr zu wünschen; mir war sie leider nicht möglich.
Andere Rädertiere. Ich übergehe die anderen Asplanchnen, welche im Sommer flügelartige
Anhänge als besondere Richtungsorgane entwickeln, möchte aber noch einen Blick auf
die Lorikaten werfen. Bei diesen sind bekanntlich sehr mannigfaltige s t a r r e An h ä n g e
des Panzers vorhanden, deren Stellung und Länge ähnlichen Variationen unterliegt wie die der entsprechenden
Gebilde bei Cladoceren. Auch sie bleiben uns, vor allem was ihre Entstehung betrifft,
rätselhaft, solange wir nur an „Schweb anpassungen“ denken, die den horizontalen Querschnitt
vergrößern sollen. Dagegen brauchen wir nur die gewöhnliche Anuraea cochlearis mit ihrem ventral-
wärts gebogenen Stachel beim Schwimmen zu beobachten, um zu sehen, daß hier Organe vorliegen,
welche die Bewegungsrichtung regulieren. Wie bei jedem Körper der sich im Wasser oder Luft vorwärts
bewegt, wirken auch bei Rotatorien Gravitation, Eigenbewegung und Bewegungswiderstand
zusammen; speziell bei den Planktontieren resultiert ja die zweckmäßige Bewegungsrichtung einer-
*) Der die T iere bewegende W imperapparat sitz t bekanntlich am Vorderende des Körpers, welcher also in ähnlicher W eise
von ihm g e z o g e n wird wie ein A eroplan durch seinen Propeller. Eine Analyse dieser Bewegung bei den Rädertieren liegt noch,
nicht vor. D ie Sache wird u. a. dadurch kompliziert, daß die meisten Rotatorien — aber nicht die pelagischen Asplanchnen —
in Schraubenlinien schwimmen; das gleiche g ilt für die Peridineen.
seits aus zwei vertikal wirkenden Agentien (Schwerkraft und Lichtreiz), anderseits aus Eigenbewegung
und Steuerung. Eine recht eingehende Analyse dieser Verhältnisse würde gerade bei den Rotatorien
mit ihren komplizierten Bewegungsmechanismen und mannigfachen Körperfortsätzen viel Interessantes
bieten; als Hauptresultat wird sich vermutlich auch hier ergeben, daß die sommerlichen
Variationen ein im wesentlichen horizontales Schwimmen verursachen. —
Von besonderem Interesse sind endlich diejenigen Rädertiere, welche verstellbare Steueranhänge
besitzen, wie z. B. Polyarthra oder Triarthra longiseta mit zwei sehr beweglichen und einem
wenig beweglichen Anhang. Auch das Abdomen scheint von einigen Arten als bewegliches Steuer
verwendet zu werden. Dabei wiederholt sich auch für diese Tiergruppe die Erscheinung, daß die
verstellbaren Körperanhänge meist weniger variabel sind, während die starren Fortsätze (Anuraea!)
ebenso stark variieren wie bei den Cladoceren. Beide Methoden ermöglichen eine Anpassung der
Steuerung „je nach Bedarf“, aber mit dem großen Unterschied, daß nach der ersten Methode jedes
Individuum auf Grund einer bestimmten Reizbarkeit sein Steuer umstellen kann, während bei
der zweiten Methode eine generelle Steueränderung aller Individuen von einer Generation zur
ändern nötig ist, die — wiederum wie bei den Cladoceren^- am gründlichsten im Frühjahr
zwischen der ersten und zweiten Generation nach dem Dauerei erfolgt. •—
Die Peridineen bilden eine dritte Gruppe von beweglichen Planktonten mit stark veränderlichen
Anhängen. Auch auf ihre komplizierten biologischen und Bewegungs-Verhältnisse
kann hier natürlich nicht eingegangen werden. Nur ein Hinweis sollte Platz finden, daß die oft diskutierten
Veränderungen in Stellung und Länge z. B. der Cmtfwm-Hörner nicht nur als Variation
des Formwiderstandes (gegen das Sinken) sondern auch als Steuerungs- und Stabilisierungs-Einrichtungen
Bedeutung haben. Ich vermute sogar, daß wir auch hier wie bei noch manchen anderen
Planktontieren, in der Dynamik der Vorwärtsbewegung den eigentlichen Schlüssel zum Verständnis
der sonst oft widerspruchsvollen Variationen gewinnen werden.
Zusatz bei der Korrektur. Der ausgezeichnete Planktonforscher G. Bure k har dt hat schon
1900, wie ich nachträglich finde, in seinen „Quantitativen Studien“ (S. 282) die Vermutung ausgesprochen,
daß die Rüssel und Mucronen von Bosmina sowie die Spina von Daphnia unbewegliche
Steuer darstellen, dazu bestimmt, eine beständige Drehung der Schwimmrichtung nach vorn-dorsal
zu verhindern. Ebenso nimmt B. für die verschiedenen Panzeranhänge der Rotatorien an, daß sie
die Stabilität der Schwimmrichtung bewirken. Ich freue mich, daß ich die Annahmen Bu rckhardt’s
und Scourfield’s (vgl. oben S. 511) durch meine Versuche an Daphnia und Bosmina sicherstellen
und wesentlich erweitern konnte.