B e s o n d e r h e i t e n de r e u p e l a g i sehen, h e l m t r a g e n d e n Da p h n i e n .
Die vorstehenden Sätze bezogen sieh auf Daphnien überhaupt, also auch solche mit niedrigem
Kopf, etwa wie Fig. 26 ein Frühjahrsweibchen von D. cucullata zeigt. Bei ihm ist als „Richtungsorgan“
nur die dorsalwärts gerichtete (und häufig gekrümmte) Spina vorhanden, welche allein
genügt, um die Gradeausbewegung des Fahrzeugs zu ermöglichen.
b
F ig. 28. D ie Faktoren der Bewegungsrichtung bei einer langköpligen Hyalodaphnia.
a. Das Zustandekommen der Vortriebsrichtung. Buchstaben wie in Fig. 26.
b. Das Zusammenwirken v on Vortrieb, Achsendrehung, Wasserwiderstand, Spina und Helm. Die punktierten Pfeile zeigen
die Verlagerungen der Punkte G j—4, wenn der Kopf um einen Augendurchmesser gehoben wird (Fig. 25, III). In
diesem F all w irk t die Spina als Ventralsteuer kopfsenkend. Wenn dagegen der Kopf beim Vorstoß sich um denselben
Betrag sen k t (Fig. 25, II), wird die Spina um die gleiche Strecke gehoben und wirkt kopfhebend (Dorsalsteuer) ; sie is t
also hier (infolge ihrer Lage in der Vortriebrichtung) eine typische Stabilisierungsfläche. Als Ventralsteuer wirkt beständig'
der Rumpf, infolge des ungleichen Widerstandes W des Wassers gegen Rumpf und Kopf. D ie Zahl der in gleichen Ab ständen
gezeichneten Pfeile zeigt nur den Druckunterschied in einer Ebene. In Wirklichkeit tr ifft den breiten Körper ein
v ie l stärkerer Druck als den schmalen Kopf, wie aus Fig. c hervorgeht, die den Körper von der Venträlfläche gesehen zeigt.
Fig. 28 a, b zeigt nun ein Sommerweibchen der gleichen Rasse mit einem Kopf von ca. 115 %
der Schalenlänge. Welches ist der Effekt dieses langen Kopf auf satzes für die Fortbewegung?
Wenn wir die Tiere im Aquarium bei diffusem Oberlicht beobachten und ohne daß irgendwelche
besonderen Reize oder Schädigungen vorhanden sind, so sehen wir, daß schon die gewöhnlichen, lässigen
Bewegungen erheblich mehr horizontal gerichtet sind als bei den „typischen“ Daphnien, deren normale
Sprungrichtung steiler aufwärts führt. Wir sehen auch die Ursache dieses Unterschiedes: die durchschnittliche
Ruhestellung der langhelmigen Tiere im Wasser ist weit weniger aufrecht als bei jenen.
Es ist leicht zu erkennen, was da zu Grunde hegt: durch die Verlängerung des Helmes, mag er
auch nur ein schmächtiges Gebilde sein, ist der Schwerpunkt (g) nahe an den Ansatzpunkt der
Bewegung herangerückt, zumal der Rumpf der Sommertiere schmal, klein und fettreich ist und nur
wenige Embryonen gleichzeitig enthält.1) Schon dadurch wird das Zurückpendeln des Körpers nach
jedem Ruderschlag sehr verlangsamt, .es kommt aber auch hinzu, daß infolge der Verlängerung des
Kopfes (und jener der Spina) der Widerstand des Wassers gegen das Zurückpendeln vermehrt wird.
Die Folge ist, daß solche Tiere auch zwischen zwei Ruderschlägen ihre Lage nur wenig verändern.
Eine weitere Folge würde nun bei sehr langköpfigen, besonders bei jungen Tieren (Fig. 29a)
sein, daß. sie schließlich infolge der dorsal gerichteten Ruderschläge aus ihrer fast horizontalen Ruhestellung
kopfüber hinabschwimmen müßten, wenn nicht durch besondere Steuerflächen auch hier
wieder für Innehaltung einer bestimmten zweckmäßigen Bewegungsrichtung gesorgt würde.
Oft ist es die Spina, welcher diese Rolle zufällt; sie ist bei den pelagischen Arten häufig dorsalwärts
gerichtet oder gebogen. Sie dient ursprünglich als Stabilisierungsfläche zur Kompensierung
der Achsendrehungen (Fig. 28 b). Wenn aber die Spina stärker dorsalwärts gekrümmt wird, so
kann sie außer der Gradlinigkeit der Bewegung auch eine Steuerung nach aufwärts bewirken helfen.
Auch die Helmbildungen beteiligen sich am „Steuern“ der Bewegungsrichtung. Die ganz
langhelmigen Daphnien, bei denen g mit b nahezu zusammenfällt — betäubte Tiere sinken in fast
horizontaler Lage — zeigen häufig eine deutliche Zurückbiegung des Helmes, die bei einigen Formen,
(„retrocurva“) , halbkreisförmig werden kann. Jede Rückbiegung des Helms muß als Höhensteuer
wirken, indem sie den Kopf teil des Tieres beim Vorwärtsschwimmen aufrichtet, also die Sprungrichtung
steiler macht.
Sehr interessant ist es, daß — seltener — auch Formen Vorkommen, deren Helm ventralwärts
gebogen ist, also ein n a c h u n t e n ablenkendes Steuer bildet (Fig. 29, „procurva“). Durch solche
Helmbiegung kann eine fast horizontale Sprungrichtung auch solcher Tiere erreicht werden, die entweder
durch einen schwereren Körper oder durch geringere Ruderkraft sonst (d. h. mit geradem
Helm) steiler aufwärts schwimmen würden.
Eine solche „procurva“ -Forni konnte ich in der „D. cucullata“ des Esromsees näher untersuchen. Bei dieser R asse besitzen
die Spätsommer- und Herbstweibehen (während und vor der Geschlechtsperiode) einen kräftig nach vorn gebogenen Helm, der
verirrsacht, daß bei jedem Ruderstoß der Kopf h orizontal geste llt wird, obwohl der Helm r elativ kurz und der Körper breit und
schwer ist. Im Juni und Juli sind die Tiere schmäler und haben einen längeren gerade gestreckten Helm.
Diese Formänderung s cheint bei der Esromsee-Daphnie regelmäßig zu sein, jedenfalls g eht aus den Präparaten und Zeichnungen
W e s e n b e r g - L u n d s hervor, daß die Tiere im Herbst 1901 genau so ausgesehen haben wie 1912.
Nun s te llt diese Rasse w ohl d ie größte und derbste aller zur N o t noch unter den Begriff „ cucullata“ zu b ringenden Daphnien
dar; es ist daher verständlich, daß die großen Septemberweibchen, zumal ihr K o p f s c h o n m e r k l i c h v e r k ü r z t ist,
ein besonderes Höhensteuer brauchen, um die kopfaufrichtende W irkung des relativ schweren Rumpfes zu kompensieren und eine
horizontale Schwimmrichtung beizubehalten. Bei anderen Rassen können die Ursachen dieser Kopfform andere sein.
Daß die viel Läufigere Rü c k biegung der cwcw^afo-Helme von mir richtig gedeutet wird,
scheint besonders deutlich aus der Beobachtung hervorzugehen, daß sie besonders den jungen
Tieren zukommt. Man kann sich nun leicht davon überzeugen, daß die jungen langhelmigen
Hyalodaphnien mehr oder weniger horizontal „ausgewogen“ im Wasser schweben. Ihr Körper enthält
dicke Fettkugeln (von den öltropfen des Eies her), so daß er in der Tat kaum schwerer als
der schmächtige Kopf und Helm ist. Die Tiere hegen zwischen ihren (relativ seltenen) Ruder-
J) Im Gegensatz zu Bosmina gibbera, deren Eiproduktion im Sommer b ei einigen Rassen- so zunimmt, daß die
Körperform davon stark verändert wird. D ie ökologischen Ursachen dieses Widerspruchs sind noch aufzuklären.