Mit fortschreitender Ontogenese wird freilich die Beurteilung infolge der wachsenden
Unklarheit über die Details der Zellverschiebungen immer schwieriger, teilweise so gut wie
aussichtslos. Dennoch lauten auch fernerhin alle zuverlässigen Ergebnisse, die überhaupt zu
erlangen sind — mit einer einzigen Ausnahme — , günstig. Zunächst erkennt man leicht, daß
am kaudalen Ende der Familie die überlieferte winkelrechte Teilungsart noch über einige
Stufen unvermindert weitergeht. Aus den Zellen c l i u n d y l i , die nach dem fünften Teilungsschritte
den rückwärtigen Abschluß der Gesellschaft bildeten, entsteht durch lauter der
Mittelebene parallel gerichtete Mitosen jene achtzellige, wie ein schmales Band auf den
Rücken hinaufreichende „Doppelreihe“ , die ich früher (1896a p. 93) beschrieben habe. Zweitens
liegen auch im Schlund-Mesoderm die Spindeln mindestens noch beim nächsten, vermutlich
auch bei weiteren Teilungsschritten (vgl. M ü l l e r 1903, T a f. I, F ig. 2-— 4) der primären
„Medianstruktur“ ihrer Zellen parallel: wenn man alle mechanisch oder sonstwie bedingten
Verschiebungen dieser Zellen ausschalten könnte, so bildete wohl links und rechts die ganze
Deszendenz von mst und ¡iax je eine einfache, gerade Zellenreihe. — Für die fernere
Klüftung der Gruppen d und <5, e i l und y l l , die sich beide bogenförmig um die Geschlechtsanlage
herum gruppieren und immer in der Richtung des Bogens weiterteilen, gilt
ungefähr das gleiche.
zz.
Teilung von cl2 und yl2, von hinten gesehen, schematisch nach Müller.
So taucht denn wohl der Gedanke an die verlockende Möglichkeit auf, die Spindelstellungen
der Ventralfamilie samt und sonders durch die vom E i ererbte, von Zelle zu
Zelle weitergegebene paramediane Plasmaschichtung erklären zu können; aber durch eine
einzige, in mehrfacher Hinsicht sonderbare Mitose wird Eintracht und Symmetrie aufs gröblichste
gestört. Eine Urenkelin der Schwanzzelle C, nämlich d a s l in k e „M i k r o m e r “ yl2,
s t e l l t ih r e S p in d e l nach M ü l l e r s (1903 p. n ) interessanter Entdeckung u n t e r e tw a
4 50 s c h i e f g e g e n d ie M i t t e l e b e n e (Fig. ZZ), was um so auffallender ist, als die
Mitose der neben ihr liegenden, in Stellung und Größe genau übereinstimmenden Cousine
zweiten Grades cl2 in durchaus winkelrechter Weise vollzogen wird. Die Ausrede, daß die
Schiefstellung der Spindel durch eine vorher eingetretene Achteldrehung der Zelle verschuldet
sei, trifft diesmal nicht zu; denn unsere Zelle, die wie ihre Schwester y l i und
überhaupt ihre ganze Nachbarschaft seit der letzten Klüftung in Ruhe liegen geblieben ist,
hatte zu unkontrollierten Drehungen weder Grund noch Gelegenheit. Also handelt es sich
ganz bestimmt um eine Spindel, die nach A r t der Ektodermzellen b und ß mit der Primärachse
einen (in der Flächenrichtung) schiefen Winkel bildet. Wenn nun für unsere Zelle
die analytischen Ergebnisse, die wir an jüngeren Stadien gewonnen haben, noch gültig
sind — und ich wüßte nicht, warum man hieran zweifeln sollte — : wenn also weder Kern
und Sphäre der Zelle von innen heraus die schiefe Richtung der Spindel herbeigeführt
haben, noch auch ein äußerer, d. h. aus der .Zellumgebung stammender Reiz für die typische
Einstellung in F ra ge kommt; und wenn endlich auch in der Zelle selber typisch gerichtete
Plasmastrukturen, die den Richtungsreiz für die schiefe Mitose liefern könnten, nicht nachträglich
mit Hilfe äußerer Orientierungsmittel entstanden sind, — so gilt eben für yl2 trotz
der Länge ihrer Genealogie dasselbe, wie für die früheren, exakt analysierten F älle: s c h o n
im E i m u ß ih r e s c h i e f e S p in d e l s t e l lu n g d u r c h e in e e n t s p r e c h e n d g e r i c h t e t e
u n d l o k a l i s i e r t e S t r u k t u r v e r t r e t e n s e in .
Dies aber wäre, soweit die jetzige Kenntnis reicht, die e in z i g e Veränderung unseres
schematischen Differenzierungsplanes, zu der uns die Ausdehnung der Theorie auf a l l e
Spindelstellungen der Ventralfamilie zwingen könnte. Und so darf denn behauptet werden,
daß der erweiterte Geltungsbereich, statt durch ein übermäßiges Anwachsen der erforderlichen
Komplikation die von uns angenommenen inneren Reizmechanismen zu diskreditieren,
im Gegenteil ihre Wahrscheinlichkeit erhöht, indem eine fast überraschend gro ß e Zahl von
Spindelstellungen durch sie eine leichte und einheitliche Erklärung findet.
W ie aber verhält sich hierin d i e o b e r e H ä l f t e d e s K e im e s , d a s p r im ä r e
E k t o d e rm ? W ir wissen aus der deskriptiven Entwickelungsgeschichte, daß die Spindeln
dieser Familie, die schon im Stadium V I I I zu einer erheblichen strukturellen Belastung der
oberen Eihälfte gezwungen hatten, auch fernerhin zumeist unregelmäßig, links und rechts
vielfach verschieden gerichtet sind. Und wenn jede von diesen Richtungen, so wie sie bei
der Mitose liegt, im E i eine gleich gestellte Struktur voraussetzen würde, so stände es um
den Komplikationsetat der dorsalen Eihälfte freilich schlimm. Allein der größeren Mannigfaltigkeit
der Spindelstellungen im primären Ektoderm entspricht auch eine viel intensivere,
asymmetrische B e w e g l i c h k e i t der Elastomere. Die Zellverschiebungen in dieser Familie
sind so gro ß und allgemein, und ihre Details so schwer zu beurteilen, daß ich, wie ich
schon früher sagte, über das Stadium V I I I hinaus mich nicht getrauen würde, für die Mehrzahl
der' in Teilung tretenden Zellen auch nur die Richtung der primären Achse sicher anzugeben;
geschweige denn etwa bestimmen zu wollen, wie die Struktur einer Zelle ehedem,
als sie noch einen T e il des Eikörpers bildete, gelagert war.
Unter solchen Umständen darf die Frage, ob die Ausdehnung der Theorie auf alle
typisch gerichteten Mitosen des primären Ektoderms eine Vermehrung der früher von uns
erschlossenen Eikomplikation bedingt oder nicht, zur Zeit nur mit einem non liquet beantwortet
werden. Nach der begründeten Vorstellung, daß jede schematische Ebene unseres
Bauplanes in Wirklichkeit die Richtung eines Systems paralleler Schichten zum
Ausdruck bringt, und daß diese Schichtsysteme auf ,Nachbarbezirke übergreifen, bekommt
jede Tochterzelle von a und’ a, b und ß bei der Geburt ein Plasma mit, das nach mehreren,
senkrecht und schräg sich durchkreuzenden Ebenen geschichtet ist. Hierin besäßen die
Ektodermzellen ein Mittel, ihre Spindeln je nach deren Reaktionsweise in verschiedene