Bezirk weder an dieser noch an jener Stelle scharf abgesetzt werden kann, nicht gleich zur
Preisgabe des Regulationsbegriffes bestimmen lassen; besser eine Gruppierung mit ungewissen
Grenzen, als gar keine. A ber es ist doch nicht erlaubt, den provisorischen Grenzpfahl
mitten in das wohlbekannte, zusammenhängende Terrain, in dem das ausschließliche Walten
der normalen Formbildungsursachen nachgewiesen ist, hineinzupflanzen.
Bleiben wir also in Zukunft lieber bei unserer Betrachtungsweise. W ir nennen jeden
außernormalen, typisch formbildenden V o rg an g so lange „Regulation“ , als seine Zurückführung
auf rein normale Faktoren nicht gelingt. Unsere ökonomische A ufgabe aber ist,
möglichst viele von diesen Geschehnissen als lediglich deskriptiv veränderte Wirkungen
normal-physiologischer Ursachen aufzudecken. T ie f eindringende Analyse der normalen Formbildung
muß der W e g zu diesem Ziele sein. Und unser glücklicher Er fo lg bei Ascaris,
wo Vorgänge von äußerst „regulatorischem“ Ansehen als schlichte Normalwirkungen iöfn
allerdings komplizierter A r t — entlarvt werden konnten, berechtigt zu der Hoffnung, daß
eine fortschreitende Einengung des Regulationsgebietes auch anderwärts gelingen werde.
— Im „Allgemeinen Teile“ meiner Schrift findet sich ein Versuch zur weiteren Förderung
dieser in prinzipieller Hinsicht so überaus wichtigen Angelegenheit.
ii. Spezialgestaltung.
l .
A ls zweite der eng verbundenen Geschehensarten, die da bewirken, daß der Ascariskeim
in zahlreichen Einzelheiten sich von der Konfiguration eines Seifenschaumes entfernt,
bezeichneten wir am Anfänge dieses Kapitels die celluläre „Spezialgestaltung“ . Wären nur
die Faktoren der Komplex- und Epithelbildung in Tätigkeit, so müßten die Zellen durchweg
isometrisch, d. h. nach allen Richtungen hin ||§ soweit die Polyedrie es erlaubt — von ungefähr
gleicher Ausdehnung sein. Dies aber trifft nicht zu. E s gibt im normalen Ascariskeim
Zellen, die in geringem oder höherem Grade, zeitweilig oder dauernd anisometrisch, ja
selbst völlig irregulär gestaltet sind. Und wir beginnen mit einer gedrängten Übersicht des
deskriptiven Bestandes aller solcher Spezialgestalten.
Ordnen wir die vorhandenen Abweichungen zunächst nach dem G r a d e ihrer Anisometrie,
so ist der primitivste Fall natürlich der, daß die Zelle nach einer einzigen Dimension
anisometrisch wird, indem sie sich entweder stabförmig verlängert oder zur Platte verkürzt.
Axiale V e r l ä n g e r u n g zeigt im Stadium IV die Mittelzelle des T-Stammes, EMSt,
beim ersten Einsetzen des Dislokationsvorganges; ferner die Zelle P3 der nächstfolgenden
Stufe. Auch die sonderbar aufgerichtete Kegelform der Schwanzzelle C gehört hierher
(Fig. N N N N i); Der ausgewachsene Wurm enthält im Epithel des Darmes und Genitalrohres
massenhaft Zellen von einachsig verlängerter Spezialgestalt. Plattenförmige V e r k ü r z u n g
ist ebenfalls nicht selten. Sie findet sich sehr ausgeprägt an der Urdarmzelle E und ihren beiden
Töchtern (Fig. N N N N 2 ü. 3), überhaupt bei Zellen, die zum Versinken in die Tiefe bestimmt,
oder bereits versunken sind; so auch bei den ins Innere gerückten Elementen des jungen
Mesoderms. Andererseits zeigt sich die Urgenitalzelle P 4 ebenfalls deutlich verkürzt und zwar
im gleichen Sinne, wie die Darmzellen (Fig. N N N N 3). A u f älteren Stufen nehmen mancherlei
peripher gelagerte Zellen die Form flacher, regelmäßig umgrenzter Scheiben an. — Sodann
gibt es Furchungszellen, bei denen die anisometrische Gestaltveränderung zwei zueinander
rechtwinklige Achsen e rg re ift: die Glieder der oft erwähnten kaudalen Doppelreihe
(Fig. E E E E , p. 216) sind einerseits senkrecht zur Keimesoberfläche plattgedrückt, andererseits
innerhalb dieser Plattenrichtung quer verlängert, so daß sie b a n d f ö rm i g werden. •—
1 NNNN. 2 3
1 Normales Stadium VIII von links. 2 Stadium XII im Medianschnitt, 3 Stadium XVI—XXIV von vorn.
Noch komplizierter ist die Spezialgestalt der Schwesterzellen mst und ¿to^Fig. N N N N 3). Diese
stehen mit ihrer flachen, gestreckten und eigentümlich geschweiften Halbmondform in auffallendem
Gegensätze zu den übrigen, regelmäßig umgrenzten Elementen ihres jungen
Stadiumsi^kif Einer der merkwürdigsten und für die Ontogenese wichtigsten Fälle ist die
scharfe, seitwärts aus der Medianebene hinaus gerichtete K r ü m m u n g der Mittelzelle EMSt,
die sich zuvor axial verlängert hatte. Im Stadium V I I I wiederholt P3 die gleiche Gestaltveränderung,
freilich unter Umständen, die den Vorgang am normalen Keim nicht leicht
erkennen lassen, innerhalb der Mittelebene. — Die allerkompliziertesten Spezialgestalten aber
finden sich an älteren Larven und fertigen Würmern. Hier schafft die histologische Differenzierung
in Drüsen- und Nervenzellen, Muskeln und Spermatosomen Gebilde, an denen
jeder Versuch, sie geometrisch zu charakterisieren, hoffnungslos zu schänden wird.
Auch hinsichtlich ihrer D a u e r unterscheiden sich die in Frage kommenden Formveränderungen.
Einige treten nur ganz vorübergehend auf, z. B. die Streckung und danach
folgende Krümmung der Zellen EM S t und P3; andere Spezialgestalten, wie die plattenartige
Verkürzung der ersten Darmblastomere, dauern längere Zeit; sie verschwinden erst, wenn
die Zelle unter isometrischer Rundung zu einer neuen Mitose übergeht. In flachgedrückten
Epithelschichten älterer Stadien erhält sich die Anisotropie auch während der Klüftung,
d. h. von Generation zu Generation. Und bei den definitiven, zu weiterer Teilung nicht
fähigen Gewebezellen ist die Spezialgestalt eine durchaus dauernde.
2.
Die analytische Bearbeitung dieses deskriptiven Tatsachenmaterials hat aus Sparsamkeitsgründen,
wie immer, von dem Versuche einer r e in m e c h a n i s c h e n Erklärung auszugehen.
Hierzu bietet sich, wenigstens für den größten Teil der fraglichen Phänomene, eine
verführerische Gelegenheit. Da die Zellkörper weich und plastisch sind, so steht von Haus