selten bereits von den Teilungsspindeln der Mutterzellen „antizipiert“ wird p u r S t r a s s e n
L e. p. 69; B o v e r i 1899 p. 408), so gewinnt die Möglichkeit Raum, daß eine Umdrehung
der Zellen E l und E n gelegentlich um eine Stufe zu früh erfolgen könnte, oder daß das
schiefe Schichtsystem sich doch im Innern der Blastomere vorzeitig bemerkbar macht. Derartiges
mag auch bei unserem Riesen, dessen zweizeilige Darmanlage zur kritischen Zeit
mit den Vorbereitungen zur Mitose beschäftigt war, der Fall gewesen sein: dann trat vielleicht
das schiefe Schichtsystem schon jetzt in Koordination mit dem paramedianen der anstoßenden
Schlund-Mesodermzellen, mit dem es zufälligerweise in beinahe gleicher Flucht
gelegen war, und übermittelte so die neue Medianrichtung den rückwärtigen Gliedern der
Ventralfamilie.
E s lohnt wohl nicht, die Möglichkeiten, die hier gegeben sind, sowie entgegenstehende
Bedenken bis an ihr letztes Ende durchzuprüfen; vor allem deshalb nicht, weil ja
der ganze, komplizierte Vo rgang infolge der mehrfach betonten Schwierigkeit, aus seiner
Kausalität das Eingreifen günstiger Zufälle sicher auszuschließen, für prinzipielle Entscheidungen
doch nicht in F ra ge käme. W ir haben jedenfalls gezeigt, daß auch das letzte
und — falls es wirklich in allen Stücken aktiv geschah — bemerkenswerteste „Regulationsgeschehnis“
einer Aufklärung durch Mittel der normalen Ontogenese keineswegs unzugänglich
ist, und damit dürfen die Akten über den Musterriesen des zweiten Typus und seinesgleichen
geschlossen werden. Echte Regulation haben wir in ihrer Entwickelung nirgends
entdeckt.
6.
In den zuletzt analysierten Fällen zwang das von uns angewandte Prinzip, den Selbst-
ordnungs-Etat der typischen Entwickelung mit Vorgängen neu zu belasten, die wir zwar
ohne Kenntnis des Musterriesen wohl nicht direkt gefordert haben würden, deren nachträgliches
Zugeständnis sich aber dennoch mit Gründen normaler Zweckmäßigkeit motivieren
ließ. So ergab sich immer noch eine entscheidende Ersparnis gegenüber der Neueinführung
echter, kausal selbständiger Regulation.
Etwas bedenklicher ist der Mehraufwand an typisch-selbstordnender Aktivität, den
das letzte scheinbare Regulationsgeschehnis, das wir hier zu untersuchen haben, beanspruchen
wird: die U m g r u p p i e r u n g u n d s o r t e n w e i s e Z u s a m m e n z i e h u n g d e r B l a s t o m e r e ,
d u r c h d ie d e r o b e r e K e im d e s D r e i f a c h - Z w i l l i n g s a u s zw e i V e n t r a l f a m i l i e n
e in e n e in h e i t l i c h e n R u m p f zu S t a n d e b r a c h t e .
Allerdings, was zur unmittelbaren Durchführung des Geschehnisses benötigt wird, ist
diesmal einfach genug. Wir brauchen nur anzunehmen, daß zur Zeit der „Regulation“ eine
i s o t r o p e A n z i e h u n g zwischen allen vorhandenen Darmzellen des Doppelleibes bestand,
eine ebensolche zwischen sämtlichen Keimbahnzellen, zwischen den mesodermalen Elementen
beiderlei Herkunft etc.; und daß diese attraktiven Tätigkeiten stark genug waren, um die
Widerstände, die aus der individuell-selbstordnenden Wechselwirkung der blutsverwandten
Zellen unter sich resultieren mußten, zu überwinden. Sobald wir aber fragen, w o h e r k am
diese nach Zellkategorien differenzierte Anziehungskraft, so merken wir, wie sehr sich die
analytische Situation verändert hat. Zwei Möglichkeiten stehen, wie immer, zur Auswahl.
Entweder trat die Attraktion der Zellensorten ad. hoc in Erscheinung, eigens um zu regulieren.
Oder aber, die Anziehung, die wir brauchen, war ganz von selber da, weil sie den
regelmäßigen Requisiten der Ascarisentwickelung zugehört: wenn nämlich am typischen
Ascariskeim die Zellen einer jeden Organanlage, z. B. des Darmes, unter sich in einer besonderen
Art chemotaktischer Wechselwirkung ständen, die sich von der aller übrigen unterscheidet
und nur diese eine Sorte von Zellen zusammenzieht, so müßte eine fremde Darmzelle,
die mit der gleichen Reizbarkeit ausgestattet in den Wirkungsbereich der Darmanlage
gelangt, chemotaktisch herbeigeholt und den vorhandenen Zellen angegliedert werden; und
hiermit würde das Verhalten der zwei Ventralfamilien unseres Dreifachzwillings dem Ve r ständnisse
eröffnet sein. A ber dieser bequeme und in den früheren Fällen bewährte Ausweg
scheint uns diesmal versperrt. E s ist aus ökonomischen Gründen nicht glaubhaft, daß in
der normalen Entwickelung die Zellen des Entoderms, die ohnehin dicht beisammen liegen
und die durch die allgemeine komplexbildende Attraktion am Auseinanderfallen gehindert
sind, obendrein noch mit einer besonderen, nur ihnen eigenen Attraktion aufeinander wirken
sollten. Ebenso überflüssig scheint eine solche Spezialanziehung bei den Urgeschlechtszellen,
oder für Schlund und Mesoderm. Und wenn demnach die Existenz einer sortenweise
spezialisierten Anziehung im typischen Keim durch keinerlei unmittelbaren Nutzen motiviert
werden könnte, -;-r- wäre es dann wohl erlaubt, die Annahme einer solchen normalen Wirkungsart
lediglich damit zu begründen, daß eben im Verhalten des Dreifaehzwillings ihre
Tätigkeit offenbar geworden sei? Wäre das nicht einfach nur eine Umschreibung des
Problems ? Setzten wir nicht an Stelle der Regulation, deren Mitarbeit wir nicht zugeben
wollen, einen anderen deus ex machina von ebenso großer Unwahrscheinlichkeit?
In den früher analysierten Fällen hätte ich ein so summarisches Verfahren wie die
glatte Umdeutung eines „Regulationsgeschehnisses“ in den direkten u n d e in z ig e n Beweis
für das Vorhandensein eines entsprechenden NormalvorgangeSj nicht zu empfehlen gewagt.
Hier aber liegen die Dinge anders. Ich meine aus folgenden Gründen zur Weiterführung
unserer Betrachtungsweise auf diesen extremsten Fall berechtigt zu sein.
Zunächst ist nicht zu verkennen, daß das Wertverhältnis der beiden konkurrierenden
Möglichkeiten sich eigentümlich verschoben hat. Früher stand der Notwendigkeit, den
typischen Keim mit neuen Selbstordnungsvorgängen zu belasten, als Tauschobjekt allemal
eine Regulation von sozusagen bester Qualität g eg en ü b e r : eine solche, die an gründlich ge störtem
Material in Erscheinung tritt und geradewegs zu normalen Verhältnissen überführt.
W a s aber bei unserem Dreifachzwilling geschah, das wäre, wenn es denn in der T a t als
regulatorisch gelten soll, ein Regulationsprozeß von zweifelhafter Güte. Erst wurden gewisse
interne Lagebeziehungen der beiden Ventralfamilien, die aus der Klüftung ganz vorschriftsmäßig
hervorgegangen waren, zerstört; aber hatte das so gebrachte Opfer E r fo lg ? Was
der Regulationsvorgang produzierte, der doppelzellige Rumpf nach Art der T-Riesen, i s t ja
d o c h w i e d e r u m m o n s t r ö s g e w e s e n , und es bleibt mindestens ungewiß, ob das entstandene
Gebilde den Zielen der typischen Formbildung überhaupt näher kam. Eine derartige
„Regulation“ als kausal selbständiges Geschehnis anzuerkennen, fällt uns natürlich besonders
schwer. Wenn aber die Wahrscheinlichkeit der regulatorischen Auffassung unseres Falles
gemindert ist, so sinkt die Wagschale zugunsten der normal-physiologischen.
Zweitens kommt natürlich der Umstand sehr in Betracht, daß die zu beurteilende
Leistung des Dreifachzwillings nicht isoliert dasteht, sondern das letzte Glied einer sich
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