des Einzelnen vorweg zu diagnostizieren. D a aber mit zunehmendem Grade der konstitutionellen
Erkrankung die Fähigkeit der Embryonen, typisch vorgeschriebene Leistungen zu
vollbringen, sich fortschreitend vermindern wird, so ist schon a priori unwahrscheinlich, daß
das Verhalten unserer sämtlichen Patienten in irgend einer Einzelfrage der Formbildung
genau übereinstimmen sollte. — Hieraus ergibt sich dann für die Bewertung des Tatsachenmaterials
das Folgende. Wenn ein typischer Vo rg an g bei einem Riesen wiederkehrt, so
wissen wir bestimmt, daß dieses eine Individuum g e s u n d g e n u g war, um sein Pensum
in dem betreffenden Punkte durchzuführen; und der analytischen Ausnutzung des Falles steht
nichts im Wege. Unterbleibt aber derselbe Prozeß bei einem anderen Exemplar von gleichartiger
Abnormität, so lehrt das Verhalten dieses zweiten Riesen nicht etwa das Gegenteil,
sondern gar nichts: es wird als eine durch Krankheit entschuldigte Verfehlung auf gefaßt
und von der Analyse ausgeschlossen.
Im ganzen gibt es also für jeden negativen Einzelfall drei mögliche Motivierungen.
Entweder ist durch die abnorme Veränderung die typisch formbildende .Ursache selbst vernichtet
wo rden;' oder der Normalzustand stellte eine unentbehrliche Vorbedingung dar, so
daß nach seiner Störung der typische Effek t unterbleiben mußte; oder endlich, die krankhafte
Disposition des betreffenden Individuums machte sich allzusehr geltend. Eine derartige
Vieldeutigkeit raubt natürlich den negativen Fällen fast jeden analytischen Wert.
Zum Glücke enthält unser Material, besonders auch die Geschichte der T-Riesen, klar positive
Fälle in reicher Zahl.
Z w e i t e s K a p i t e l .
Die Kerndiminution und der Teilungsrhythmus.
W ir beginnen mit zwei in mehrfacher Hinsicht verwandten Problemen der Formbildung,
deren Analyse verhältnismäßig geringe Schwierigkeit bietet, so daß sie zweckdienlich
als erste Einführung in unser Arbeitsgebiet dienen können ;£ig- freilich nur darum, weil
eben zur Zeit ein t i e f e r e s Eindringen in die Physiologie der beiden Geschehensarten nicht
möglich ist. Dièse Probleme sind erstens das Ungleichwerden der Kerne durch den von
B o v e r i entdeckten Vorgang der „Diminution“ in sämtlichen von der Keimbahn successive
abgezweigten somatischen Zellfamilien; und zweitens die Differenzierung des Teilungsrhythmus.
i. Die Diminution.
Viermal wiederholt sich in der typischen Embryonalentwickelung das seltsame Ereignis,
daß Kerne, die in der Ruhezeit von echten Keimbahnkernen gar nicht zu unterscheiden
waren, beim Übergang zur Mitose, spätestens aber nach Ausbildung der Äquatorialplatte
alle Schleifenenden abwerfen, wie: etwas wertlos.: gewordenes, und aus dem übrig g e bliebenen
Chromatin eine Menge winziger, runder, zu einer kleinen Scheibe dicht zusammengedrängter
Chromosome entstehen lassen. Aus solchen Elementen rekonstruieren sich blasse,
kugelförmige Ruhekerne; ihr Typus erhält sich darauf in der Fortentwickelung der vier
somatischen Familien ohne sichtbare neue Veränderung.
Nun lä ß t wohl schon der deskriptive Piergang kaum bezweifeln, daß die „Keimbahnmitose“
und die Bildung ruhender „Keimbahnkerne“ als primitive, einfachere Geschehensart
zü gelten hat, die ohne das Eingreifen besonderer Faktoren gleichmäßig auf alle Familien
des' Ascäriskeimes übergehen müßte ; während andererseits d e r v i e r m a l w i e d e r h o l t e
D im in u t i o n s v o r g a n g m i t s e in e n d a u e r n d e n F o l g e n e b e n d u r c h s o l c h e b e s
o n d e r e n G r ü n d e in d ie E r s c h e in u n g g e r u f e n w i rd . Diese sich aufdrängende,
aber noch nicht bewiesene Vorstellung erlangt durch die Beobachtung atypischer Keime
vollkommene Sicherheit. . Man findet nämlich krankhaft entwickelte Furchungsstadien, bei
denen die Diminution in einer oder in mehreren Ursomazellen u n t e r b l i e b e n ist (Taf. V,
Fig. 65 bis 67), und öfters stark abnorme Zellkomplexe, die lediglich Kerne vom Keimbahntypus
enthalten. A ber dem Umgekehrten F a lle : einem atypischen Z u v i e l an Diminution
begegnet man nie. Offenbar gehören die Faktoren, auf deren geregeltem Eingreifen die
typische Diminution beruht; zu den empfindlicheren. Bei krankhafter Disposition oder