dung vielleicht größtenteils stereotypiert, auf Selbstdifferenzierung gegründet hatte, liegt
für die Zukunft sein Heil in d e r n e u e r l i c h e n E i n f ü h r u n g r i c h t e n d e r u n d fo r -
m a t i v e r R e i z e . Warum sollte-ein » fc h e s Geschöpf den scheinbar rückwärts, in Wahrheit
aber doch vorwärts führenden W e g nicht bescjireiten können-?s<?
Nehmen wir z. B. an, ein Hydroidpolyp, dessen Köpfchen und Stiel durch feste
Peridermgebilde geschützt worden waren, hätte die Mechanismen zur ontogenetischen
Herstellung dieser kaum gefährdeten Teile insofern straffer gestaltet, als zwar das differen-
zielle, V erhalten der einzelnen Zellensorten noch immer durch formative Reize bestimmt,
aber nicht dauernd von ihnen beherrscht,|l|qndem durch e i n m a l i g e Wirkung u n w i d e r r
u f l i c h festgelegt würde; womit natürlich die Fähigkeit, schon fertig differenzierte Zellen
durch Umformung und Umlagerung anderweit zu verwenden, beseitigt war. - Und diesem
Polypen erwüchse neuerdings ein Feind, der Kra ft gen ug besäße, die Köpfchen trotz ihrer
Peridermgehäuse anzufressen, und nun durch massenhafte, irreparable Verstümmelungen,
den Fortbestand der A r t bedrohte,. Dann würde die um ihr- Dasein kämpfende Spezies die
Wirkungsdauer der formativen Reize — falls dies erreichbar war: -Bn eu e rd ing s verkürzt undj
so den Zellen die Möglichkeit, in den neutralen Zustand zurückzukehren, wieder eröffnet
habenE I EbenSOgUt konnten wohl auch Vo rgänge total stereotypierter, - vom E i aus ge.
regelter Selbstdifferenzierung durch Selektion in schmiegsame 'Reizgeschehnisse .' zurückver-
wändelt werden.
Nun ist gewiß, daß .zwischen . Selbstkorrekturen der beiden hier genannten Arten
einerseits und den vorhin besprochenen andrerseits in i S t a m m ö ä g e s c h i c h t Ä i e r Hinsieht
ein- sehr bedeutender Untcrschiecl.-bestände. Früher war .die korrektive Befähigung,
soweit sie überhaupt in freier Natur gelegentlich zur Geltung kam, ein zufälliger und?
obendrein für die; Spezies gleichgiltiger Fund. Jetzt aber handelt, es sieb zum ersten
Male um Eigenschaften, die als nützlich - -oder notwendig der Selektion unterlegen
haben, um i h r e r s e l b s t w i l l e n b e w a h r t o d e r ne.u e i n g e f ü h r t w o r d e n .s in d .
— Nichtsdestoweniger wären die korrektiven Geschehnisse dieser zweiten A rt, vom.,Standpunkte
der o n t o g e n e t i s c h e n Physiologie betrachtet, den früheren völlig gle ich : sie
würden, w ie je n e , a u s s c h l i e ß l i c h d u r c h M e c h a n i sm e n d e r n o rm a le n E n t w i c k e l
u n g z u w e g e g j g l r a e h t .
3.
E in kurzer aber bedeutungsvoller Ä h r i t t führt uns — und führte vielleicht in der
Stammesgeschichteil— von hier aus Zu Selbstverbesserungsvorgängen einer prinzipiell neuen
Kategorie; zu Vorgängen, die nicht nur deskriptiv, wie die früheren, aus dem Rahmen des:
normalen Programms h e ra u s fa lle n g lö h d e rn a u c h p h y s i o l o g i s c h s e l b s t ä n d i g sind.
B e i der Behandlung unseres, .letzten Beispieles wurde vorausgesetzt, daß die zur Kor-
rektur benötigte Rückverwandlung differenzierter Zellen in den „neutralen Zustand“ durch
e in f a c h e s A u f h ö r e n einös aus Reiz und Reaktion bestehenden Formbildungsvorganges
bedingt werde; wie eine elektrische Klingel zu läuten aufhört, .sobald man den. Strom
unterbricht: dann "stellte natürlich die Neutralisation keine besondere, durch eigene Mechanismen
bewirkte Leistung dar. Allein die se . Auffassung vom Wesen der formativen Reizprozesse
und ihrer Beendigung war keineswegs denknotwendig. Apriori spricht eben so viel
für die andere Möglichkeit, daß jede Zurückvetsetzung einer Zelle in früheren, von ihr
selbst oder ihrer ontogenetischen Vorfahrenreihe durchlaufenen Zustand ein kompliziertes,
a k t i v e s u n d p h y s i o l o g i s c h J - e lb s t ä n d i g e s Geschehnis sei. Trifft diese letztere
Vermutung JzU,s6 gewänne das Beispiel d ^ zerbissenen Polypen ein Sehr verändertes Gesicht:
die neu erworbene Fähigkeit; seiner Haut- und Darmzellen, in den neutralen Zustand des Blastoderms
zurückzukehren, beruhte jetzt auf dem Vorhandensein eines besonderen Neutralis
a t io n sm e c h a n ism u s , der durch das regelwidrige Aufhören formativer Wechselwirkungen
als adaequaten Reiz- in Gang gesetzt, bei normalem Abläufe jedoch durchaus nicht verwendet
würde. Und dieser besondere Mechanismus wäre -eigens der Selbstverbesserungsmöglichkeit
zuliebe götehaffen worden.
Was aber in den einfachen Verhältnissen der Polypenentwickelung zum mindesten
erlaubte Hypothese is,t, vvird komplizierteren Aufgaben j/,J;egenüber, wie sie das Korrek-
tiöKsbedürfnis höherer Geschöpfe mit sich b r in g t , z u r unabweislichen Forderung, Bisher
handelte es -sich um die Notwendigkeit, das letzte Glied einer genealogischen
Zellenreihe a l l e vorausgogangc.nen Erlebnisse und. Stimmungen „vergessen“ zu lassen,
wie -•..ein gereizter Stentor die in n ig e n v e rg iß t, und |||||jjden physiologischen Anfangszustand
wieder hejaufzuführem Bei höheren Formen 4fber soll zu allermeist die Stimmung
Und Reaktionsfähigkeit e i n e r e i n z e l n e n Z w i s c h e n s t u f e wachgerufen werden,
damit die korrektive Formbildung eben an fp ite r Stufe, nicht aber am Anfang des
mitogenetischen Pensums b e g in :^ -D e ra r tig s p e z i a l i s i e r t e Rückverwandlung stellt wohl
unter allen Umständen eine lehwierige, komplizierte^iuf eigene Mechanismen angewiesene
Leistung dar, L u d es hindert uns nichts", zu glauben, daß Zuchtwahl solche Mechanismen,
wo es nötig war, beschaffen konnte,. , •
E l i f a b aber außerhalb ;d.es>,Gebietes. der stufenweise regulierten Rückverwandlung noch
andere Gelegenheit, die Selbstkorrektur gefährdeter Tiere durch Schaffung eigener Mechanismen
zu einer wichtigen, höchst leistungsfähigen und tuen noch ökonomischen Teilfunktion
ihrer formbildnerischen Gesamtleistung äuszugestalten; und Zwar sowohl in der Reiz- als in
der Reaktiönssphäre. , -
Die primitive Methode;’ däS Ä ß e A u f h ö r e n n o rm a l e r Wechselwirkungen als
adäquaten Reiz zur Auslösung des Korrektionsvorganges zu verwenden, reichte wohl bei
komplizierteren Bauverhältnissen nicht immer, aus: A uch haftete dem Verfahren der Nachteil
an, daß es den Organismus zwang, in der normalen Entwickelung k o n t i n u i e r l
i c h wirkende formative Reizyörgänge beizubehalten oder einzuführen. Hier war jedoch
Abh ilfe nicht schwer: der m i t : » ! ' Verstümmelung§fe:rbundene Choc an sich, oder irgend
ein besonderer,: äu,s der abnormen Konfiguration resultierenden Zustand konnte künftighin
als Reiz in Gebrauch genommen werden. W a r das erreicht, so la g einer unbeschränkten
Vervollkommnung der no rma l-fo rm b ild en d en Mechanismen nichts mehr im: Wege. Selbst
wenn die Spezies auf -formative Reize völlig verzichtete, das korrektionsbedürftige Organ
durch reine, vom E i b e r festgelegte Selbstdifferenzierüng hervorbrächte, so stände doch
die Möglichkeit, daneben noch einen Mechanismus zu erwerben, der auf den Reiz der V e r stümmelung
hin die differenzierten Zellen in einen „früheren“ Zustand zurückführte und
dann durch Aktivierung neuer Differenzierungsgründe das verstümmelte Organ wieder aüf-
baute, unvermindert frei.