Erster Typus der T - Riesen - Entwickelung.
A. Geschichte eines lebendigen Riesen.
(Tafel I, F ig. 1— Et|:‘| ;
1.
D e r Riese, den ich zum Paradigma des ersten Entwickelungstypus wähle, stammte aus
einer Ascaris, die, ohne einer Kältewirkung ausgesetzt gewesen sein, zahlreiche DoppelSey-
und andere Monstrositäten lieferte, und zwar, wie das gelegentlich vorkommt, nur in der einen
Hälfte ihres Uterus.
Nachdem der Riese die ersten Stufen seiner Entwickelung normal durchlaufen hatte,
geriet er beim Eintritt in das vierzeilige Stadium in Konflikt mit der Schale. Diese war in
der Mitte ziemlich tief eingeschnürt, am einen En|||.aiissergewehnlich iäig. Und da der Embryo
zu allem Unglück gerade mit seinem oberen, quergestellten Zellenpaare in den en g e n A b schnitt
des Gehäuses zu liegen kam, -go wurden diese beiden Zellen §||&!h bei ihrer Entstehung
bedeutend zusammengepresst. Dadurch gewann das vierzeilige Gebilde:j|ög,leich eine Gestalt,
die weniger einem T, als einem plumpen Hammer ähnlich sah.
Nun folgte, wie immer, die gegenseitige Abplattung der Fcrdiungszellen. Die beiden
oberen nahmen die typische rundliche Ruheform an, so g u t es in ihren bedrängten Verhältnissen
eben ging, während das untere P a a r (EMSt und P„) zum Schauplatz einer Reihe von
auffallenden Vo rgängen wurde, die das Gesamtbild-noch atypischer, erscheinen
liessen als bisher. Diese beiden Zellen s t r e c k t e n sich nämlich in der AxeriS
richtung lang und immer länger, H schliesslich so weiiri.diiss das untere Ende
des Embryo mit der Schale in Berührung kam (Tafel I, F ig. 1). Dabei veränderten
sie in seltsamer W e ise ihre Gestalt und innere Beschaffenheit. An den
Berührungsflächen schnürten sich dicke, wulstige P latten gegen ihre Zellkörper
ab, gleich Saugnäpfen. Und im Inneren der Zellen wurde das Plasma £■§$?
in zweierlei Substanzen getrennt, eine sehr dunkle, dotterreiche und ¡eine gla s artig
helle; was dem Embryo ein sonderbar scheckiges, krankhaftes Aussehen gab.
Unter stetem aber langsamem Wechsel ihrer Form und Plasrr.aver-
teilung begannen jetzt die beiden unteren Zellen s i c h s c h r ä g g e g e n d a s o b e r e
P a a r zu v e r s c h i e b e n ^ ^ B ein Zeichen, dass das Streben nach rhombischer
Orientierung in ihnen lebendig geworden war. Ob nun aber die Energie, mit
der d a s . untere Ende des Stammes an die Schalenwand angestemmt wurde,
Form des Riesen
der Ruheperiode.
eine grössere Verschiebung der Zeile P„ unmöglich machte, oder ob die selbstordnende Kraft
des Riesen eine allzu geringe w ä f, B jedenfalls geriet die A rb eit über ‘eine ganz geringe
Neigung des T-Stammes nicht hinaus. Und als, wie in der normalen Öntogenesis, nach einigen
Stunden die Ruhe vviederkehrte, da w a r die T-Form definitiv geworden. Die unteren Zellen
•erhielten gleich dem oberen Paare eine rundlich gedrungene Gestalt (Fig. G), wobei die Zelle
P 2, die vorhin die Schalenwand berührt hatte, weit von derselben zurückgezogen wurde; der
dunkle Dotter verteilte sich gleichmässig im Protoplasma, so dass das scheckige Aussehen
verschwand; überall wurden die Kerne erkennbar. An der T-Figur aber war die leichte
Schiefstellung des herabhängenden Stammes, von der ich oben sprach, spurlos ausgeglichen
worden. In diesem Zustande verblieb der Embryo geraume Zeit.
Es scheint auf den ersten Blick, als wenn der A b lau f einer missglückten Orientierung,
wie ich ihn hier geschildert habe, — und ähnlich spielen sich diese V o rg än g e immer ab" — ,
in vielen Einzelheiten von der normalen Entwickelung sehr verschieden wäre. Das ist jedoch
g a r nicht der Fall. Wer sich die Mühe geben will, in meiner deskriptiven Arbeit die Beschreibung
der betreffenden Stadien nachzulesen (’96a, p. 34— 36), wird finden, dass auch dort schon
von einer Längsstreckung der unteren Blastomere, von dicken Saugwülsten, die diesen Zellen
den Umriss von Blutegeln geben, von der Scheidung heller und dunkler Plasmasubstanz die
Rede war. Und Schritt für Schritt durchgeführt, zeigt der Vergleich, dass in der Orientierungsperiode
unseres T-Riesen je d e Z e l l e e i g e n t l i c h n u r d a s g e l e i s t e t h a t, w a s in d e r n o r m
a le n E n tw i c k e lu n g ih r e p r o g r am m m ä s s ig e A u f g a b e g e w e s e n w ä r e , und in d e r s
e lb e n Z e i t l i c h e n R e ih e n fo lg e . Nur dass eben die Konfiguration des Ganzen verändert
war, und dadurch der fremdartige Eindruck hervorgerufen wurde.
Hierbei ist es von eigentümlichem Interesse zu sehen, dass gerade die Gewissenhaftigkeit,
mit der die einzelne Zelle ihr Programm erledigt, zu der Klippe wird, an der die Orientierung
scheitert. Wenn ein T-förmiger Embryo in normaler kugelrunder Schale sein unteres
Blastomerenpaar in die Länge streckt, so ist-das zw e c km ä s s ig . Denn mit der Verlängerung
ist in dem engen Raume notwendig ein Ausweichen aus der T-Ebene verbunden: dadurch wird
nicht nur Spielraum geschaffen für den nachfolgenden Schwenkungsvorgang, sondern die
unterste Zelle dem oberen Paare, mit dem sie sich verbinden soll, so gar unmittelbar näher
gebracht. (Vergl. Fig. B., p. 2.) Es ist aber andrerseits klar, dass ein Riese in einer Sanduhrschale,
der sich ebenso verhält, g a r nichts unvernünftigeres beginnen könnte. Streckt er seine
unteren Blastomere widerstandslos in den Raum seines langen Gehäuses hinein, so werden sie
von dem Orte ihrer Bestimmung, statt ihm näher zu kommen, ja immer weiter entfernt, die
Rückkehr durch den Engpass behufs rhombischer Orientierung wird immer schwieriger. Die
unterste Zelle bleibt schliesslich in einer Falle gefangen, in die sie ganz überflüssiger Weise,
wenn auch in bester Absicht hineingegangen war. — Auch eine Teleologie der Entwickelung!
Noch zu einer zweiten Bemerkung giebt die Geschichte unseres T-Riesen Gelegenheit.
Die früher bekannt gewordenen Thatsachen hatten den Schluss gestattet, dass im vierzelligen
Stadium eine aktive Tendenz, das T zum Rhombus umzuordnen, überhaupt vorhanden sei,
ferner vermochten wir den Zeitpunkt anzugeben, an welchem jene Tendenz zu wirken b e g in n t .
Wann aber die ordnende Tbätigkeit der Zellen ih r E n d e fin d e t , darüber wussten wir nichts.
Man konnte ja z. B. denken, dass eine attraktive Wirkung zwischen den in Kontakt tretenden
Zellen P2 und B auch nach Erreichung des Zieles noch fortbestände. A us dem Verhalten
des Riesen — und ich füge hinzu: ebenso auch aller seiner Gefährten geht aber jetzt mit
Bestimmtheit hervor, dass d ie s e T e n d e n z n u r w ä h r e n d d e r e ig e n t l i c h e n O r ie n t ie r u n g s -