wurde nach dem Prinzipe des Zuej-stfertigseins verordnet, daß in dem Augenblicke;?:, in dem
die erste Tentakelknospe sich irgendwo differenzierte, alle übrigen Randzellen durch einen-
chemischen Hemmungsreiz in- der Ausübung ihres formativen Rechtes behindert wurden.
Nur diejenige Zelle, die den links und rechts herum in regelmäßigem- Gefälle sich ausbreitenden
Reiz von beiden Seiten in g leicher Stärke empfing, d. h. die diametral gegenüberliegende,
blieb v on -d e r Hemmung, f r e i : hier wuchs der zweite T e n t a k e ^ E s ist klar,
daß nunmehr derselbe Reizmechanismus imstande, war, beiderseits einen dritten und vierten'
durch wiederholte Interkalation immer mehr Tentakel hervorzurufen. Und wenn -,die vorgesehene
Anzahl erfüllt; seine g e w i s * Kleinheit der Abstände von Tentakel zu Tentakel fjjjfc
reicht worden was, so wurde, durch einen neuen Hemmungsreiz der weiteren Interkalation
— entweder dauernd, oder bis das Wachstum des Tieres wieder Raum geschaffen hatte, B |
ein Ziel gesetzt. S Eb ensogut wie die Polysymmetrie des Radiärtieres konnten aber natürlich
auch disymmetrische, bilaterale, g e lb s t asymmetrische Organisationen durch planvolle
Ausnutzung der protoplasmatischen Reizbarkeit ontogenetisch begründet w e r f in . ¿ f j g s t denn
die Möglichkeit, bei durchweg erbgleicher Mitose mit Hilfe äußerer und innerer Auslösungen
und Hemmungsreize typische. Gestaltung hervorzubringen;.. a priori vollkommen unbefehränkt:
die ungeheure K o m p l i k a t i o n des Reizgeschehens, das etwa der Ontogenesisüglnes Wirbeh
tieres mit ihrem fast unermeßlichen Reichtum an sukzedaner und s im u lt a n e r fp i f fe r lfe r u n g
zugrunde liegen müßte, .bereitete, da-s ie kontinuierlich aus Vorgängen, wie sie Coccidium
darbietet, entstehen konnte, kein prinzipielles Hindernis.
Nur eine,, unvermeidliche Obliegenheit: d i e B i ld u n g dejr K e im z e l le n I l c h e i n t
s ich mit dieser A r t von Entwickelungsbetri#ti weniger gut zu vertragen. Wo die Zahl der
Klüftungsstufen und formativen Einzelgeschehnisse eine geringe ist, fällt uns die. Vorstellung
nicht schwer, daß alle Zellen der letzten Generation, oder einzelne, von selbst, cxl(;p auf
Reize hin die physiologischen Zustände, in die sie sukzessive versetzt worden waren, „v e r gessen“
und die spezifische Ausgangs-Disposition, wie Stentor die se in ige , zurückerháíten.
B e ig g ta rk vermehrten Komplikationsverhälthissen aber erscheint diese Rückverwandlung
selber als ein Problem. Man meint, am E n d e einer so langen und erlebnisreichen Laufbahn
sollte die Zellsubstanz sich «allenthalben derart verändert haben, daß sie ihre ursprüngliche
Beschaffenheit nicht ohne weiteres, wie man ein Hemd wechselt, zurückgewinnen
könnte? 9 Nun, dieser -Schwierigkeit, falls eine, solche bestand, war leicht zu begegnen. E s
bedurfte nur der Einrichtung, daß eben die Keimzellen nicht erst als letzte Spitzen einer
Generationsfolge, die an zahlreichen formbildenden Prozessen aktiv teilgenommen, entsprechend
viele Reize empfangen und physiologische Zustände durchlaufen hatte, in E r scheinung
traten; sondern der Zweig des ontogenetischen Stammbaumes, der die Ge-
schleehtsprodukte tragen sollte, f r ü h z e i t i g allen formativen Nebenpflichten entzogen wurde.
Vielleicht aber war die Zurückverwandlung der durch vorausgegangene Erlebnisse beliebig
stark alterierten Zellensubstanz überhaupt nicht schwierig. . Nehmen wir an, bei aller V e r änderung
der physiologischen Zustände bewahrte immer ein T e il der Zelle,'z. B. der Kern
die ursprüngliche Beschaffenheit, sp könnte dieser unveränderte Anteil unter bestimmten
Verhältnissen die ganze Zelle in diejenige, Disposition zurückversetzen, die für das E i charakteristisch
war (vgl. D r i e s c h -1894 p. 1 2 4 ) . ,^ Und wer weiß, ob nicht auch bei Stentor
die Fähigkeit, in physiologische Zustände zu geraten, lediglich dem Zellleibe innewohnt, der
Kern aber die wichtige Funktion besitzt, am En d e jeder F o lg e von Reizerlebnissen das
Protoplasma in die neutrale Beschaffenheit zurückzuführen.
4 .
Wenn nun die Möglichkeit, mit Hilfe durchweg erbgleicher Teilung und eines
Systems von wechselseitigen Reizvorgängen Tierkörper von ganz beliebig hoher Komplikation
ontogenetisch herzustellen, keinem Zweifel unterliegt, so wissen wir doch, daß diese Möglichkeit
in der Natur höchst selten, wohl nur bei einigen Coelenteraten (M a a s 1905) verwirklicht
ist. Bei weitaus den meisten Geschöpfen bedient sich die Ontogenesis, sei es zum
Teil, sei es ausschließlich, • eines anderen Instrumentes zur Herstellung simultaner Differenzierungen:
d e r e r b u n g l e i c h e n M i t o s e ; hierbei werden zwei Schwesterzellen, deren
formbildnerisches Verhalten programmgemäß differiert, oder die durch sukzedane Selbstdifferenzierung
Nachkommenschaften von ungleicher Beschaffenheit hervorzubringen haben,
t y p i s c h v e r s c h i e d e n in d ie W e l t g e s e t z t . Die Ungleichheit kann chemisch sein oder strukturell;
sie ist unsichtbar und nur durch Analyse zu beweisen, oder offensichtlich und wird
schon durch ungleiche Größe oder ungleichen Dottergehalt dokumentiert; sie könnte auf
völliger Separation der formbildenden Mechanismen beruhen, oder nur im einseitigen Besitz
eines; inneren lokalisierenden Reizes liegen, der die Ausübung einer Funktion, zu der im
übrigen beide Schwestern befähigt sind, auf eine beschränkt. E s wäre sogar denkbar, daß
die angeborene Ungleichheit zweier Schwesterzellen in etwas Relativem bestände, indem
z. B. diejenige, die von irgend einem Stoffe m e h r a l s d i e a n d e r e enthält, hierdurch zu ab weichender
Formbildung veranlaßt würde; in solchem Falle wirkte das „Mehr“ der einen
Zelle als fest lokalisierter Hemmungsreiz au f ihre Schwester; wonach man diese Art des
möglichen Geschehens als einen physiologischen (und vielleicht auch phylogenetischen) Überg
ang zu reinen Reizprozessen betrachten dürfte. — W ie dem auch s e i : das typisch ungleiche
Schicksal zweier Schwesterzellen wird in allen diesen Fällen durch die besondere
A r t der vorausgegangenen Mitose — zwar mehr oder minder zwangsweise, aber für den B e reich
der normalen Entwickelung immer entscheidend — festgelegt: die Divergenz der
Schwestern beruht auf „ s im u l t a n e r S e l b s t d i f f e r e n z i e r u n g “ .
Nun begreifen wir sehr wohl, daß Differenzierung durch erbungleiche Mitosen im
allgemeinen z w e c k m ä ß i g e r ist, als die durch wechselseitige Reize. Ein formbildnerischer
Einzelvorgang, dessen sämtliche Gründe durch erbungleiche Teilung in die Zelle selbst
hineingelegt worden sind, wird in seinem richtigen Verlaufe zumeist g e s i c h e r t e r sein, als ein
anderer, dessen Zustandekommen auf Mitwirkung formativer, von der Außenwelt oder anderen
Teilen des Keimes bezogener Reize angewiesen is t ; denn viele Köche verderben leicht
den Brei. Sind aber gar die kooperierenden Faktoren: Reiz und Reaktionsfähigkeit selber
wieder von Reizvorgängen einer früheren Stufe genetisch abhängig, und ist in solcher W eise
ein vielstufiges, nach oben zu erweitertes System von Abhängigkeiten, wie eine umgekehrte
Pyramide, auf gebaut, so müßte jede winzige Verfehlung in frühen Stadien von Stufe zu
Stufe immer weitere Kreise ziehen und schlimmere Defekte zeitigen, und die allzu häufige
Entstehung von Krüppeln sollte die F o lg e sein. Darum: je mehr von den Simultandifferenzierungen
einer Ontogenesis durch erbungleiche Teilung bewirkt werden, um so mehr