Aktion gelangten, ging aus der Zwillingsentwickelung des Gebildes natürlich klar hervor.
Ob aber die Trennung der Centrosome schon zu der Zeit bestand, als der Riese gefunden
wurde, vielleicht also eine primäre war und auf getrennter Befruchtung des oberen und
unteren Keimbezirkes beruhte, ist keineswegs gewiß. Denn offenbar könnte jener kleine
Pronucleus, der am dritten Beobachtungstage aus dem oberen Revier in das untere hinüber-
wanderte, recht wohl ein Spermakern samt Sphären gewesen sein. Oder war der reiselustige
Kern kein männlicher Freier, dem eine sehnsüchtige Braut bis an die Pforte ihres
Hauses entgegenkam, sondern gerade umgekehrt weiblichen Geschlechts, und wollte er sich
einem vereinsamten Spermakerne jenseits des Engpasses beigesellen ? Oder war der Überläufer
zwar weiblich, brachte aber ein Zentrenpaar mit? A u f alle diese Fragen, in denen
doch der ganze Sinn des Geschehnisses verborgen liegt, blieb der lebendige Riese die A ntwort
schuldig. Und was nach seinem gewaltsamen Tode aus den Chromatinverhältnissen
der Keimbahnen und Richtungskörper geschlossen werden konnte, war auch nicht viel. Es
zeigte sich nur, daß der Riese seine Chromosome auffallend ungleich an die Zwillingsbrüder
verteilt hatte, denn eine der Keimbahnen ^ die einzige, die eine Zählung erlaubte ¡ i - enthielt
nur d re i; während doch der Gesamtbestand nicht weniger als zehn betragen haben
mußte. Und ferner wurde durch die Beschaffenheit und La g e der zweiten Richtungskörper,
von denen einer durch seine enorme Größe seine Doppelnatur verriet (Taf. V , Fig.
62, 63), wahrscheinlich gemacht, daß früher einmal alle weiblichen Pronuclei in der oberen
Plasmamasse beisammen gewesen waren. Die Scheidung des Kernmaterials in zwei g e sonderte,
oberhalb und unterhalb des Engpasses liegende Gruppen, wie ich sie bei der Entdeckung
des Riesen vorfand, war also wohl keine wirklich primäre. Und so mochte denn
schon beim ersten Auseinandergehen ein numerisches Mißverhältnis der Chromosomengruppen
entstanden sein. Oder trug erst der Übertritt des wandernden Kernes die Schuld
daran? W ir wissen es nicht.
Nach alledem verdient die Vorgeschichte des Dreifachriesen, so reich an interessanten
Geschehnissen sie sicher gewesen ist, doch eigentlich keine analytische Berücksichtigung:
es lohnt nicht, über die Gründe von Vorgängen nachzudenken, von denen man nur das
alleräußerlichste gesehen und begriffen hat. A u f keinen F all aber scheint mir erlaubt, in
der Kernverschiebung des Riesen schon jetzt ein echt regulatorisches, mit außernormalen
Mitteln inszeniertes Geschehnis erblicken zu wollen. D aß Wanderungen der Vorkerne auf
derartige Distanzen im normalen Entwickelungsprogramm nicht annähernd, Austauschs-
vorgänge überhaupt nicht bekannt sind, steht offenbar fest. Auch gebe ich gerne zu, daß
die ganze kleine Geschichte, dieses geschäftige und scheinbar wichtige Hinundher den
Eindruck erwecken mußte, als sollte irgend etwas, das nicht stimmte, regulatorisch in
Ordnung gebracht werden. Aber darf man daraus schließen, die Ursachen dieser abnormen
Bewegungen seien der normalen Ontogenesis fremd? W e r gewohnt ist, zwecktätige
Ursachen in seine Rechnung einzusetzen, als wäre das eine Kleinigkeit, wird
vielleicht antworten: ja wohl; denn die Zumutung, in der normalen Entwickelung
Mechanismen anzunehmen, die etwas gänzlich Unbekanntes und jedenfalls nicht Sichtbares
zu leisten hätten, dennoch aber im Stande gewesen wären, bei unserem Dreifachriesen so
ausgiebige und vielleicht „zweckmäßige“ Folgen zu produzieren, sei doch viel zu gewagt. —
Mir scheint im Gegenteil die Annahme selbständiger Regulation die allergewagteste. Sie
tritt in meiner ökonomischen Wertschätzung jetzt derartig in den Hintergrund, daß ich beim
Anblick der die Szene wiedergebenden Zeichnungen mich gar nicht mehr des teleologischen
Gefühls, das mich bei der Beobachtung noch beschlich, zu erwehren brauche. Was mir der
halb durchschaute V o rgang zu verraten scheint, ist nur, daß die Strukturen und Mechanismen
des normalen Ascariseies- eben noch sehr viel mannigfacher und komplizierter sind,
als wir auf Grund unserer derzeitigen Tatsachenkenntnis herausgerechnet haben.
E. Das Ergebnis.
Was fo lgt nun aus der Analyse des neuerdings herangezogenen Materials für die
Frage, von der wir ausgegangen sind: die Lokalisation der den Differenzierungsverlauf bestimmenden
Ursachen in n e r h a lb der Furchungszellen? •— Wie ich von Anfang an in
Aussicht stellen mußte, haben wir nichts entscheidendes in Erfahrung gebracht.
Die Durchdenkung der bei Ascaris vorliegenden Lokalisationsmöglichkeiten machte
von vornherein gewiß, daß im P l a sm a k ö r p e r des befruchteten und zur Teilung reifen
Eies auf jeden Fall eine „Organisation“ besteht, in der sämtliche zu eigener Formbildung
berufenen Zellen und Zellensorten der Entwickelung differenziell vertreten sind. Und diese
Organisation muß auf dem W e g e erbungleicher Plasmateilung stufenweise zerspalten werden.
Zweifelhaft aber blieb zunächst, ob die plasmatische Organisation die Trägerin s ä m t l i c h e r
determinierenden Ursachen ist, und zwar die alleinige, oder nur ein unentbehrliches Orientierungsmittel
für die erbungleiche Zerlegung einer im K e r n enthaltenen Mannigfaltigkeit,
die ihrerseits den Ablauf der Differenzierung bestimmt.
Aus Gründen der Einfachheit durfte man geneigt sein, das erstere anzunehmen. Die
Gesamtkomplikation des Eies erscheint geringer, und der Modus der Ursachenzerlegung begreiflicher,
wenn das Plasma alle Determinationsgründe enthält, als im ändern Falle. Allein
die Analyse der Zwillingsbildungen machte uns mit Tatsachen bekannt, durch die das ökonomische
Wertverhältnis der beiden Hypothesen stark verschoben, ja geradezu umgedreht wurde.
E s zeigte sich, daß die Organisation des Plasmakörpers — sei sie nun der kausale
Untergrund der gesamten Differenzierung oder nur ein System von Richtungspunkten für
den Bedarf der erbungleichen Zerlegung der Kerne — jedenfalls nicht von Anfang an vorhanden
ist, sondern erst nach der Befruchtung ins Leben tritt. Und da bei doppelter Befruchtung
doppelte Organisation entsteht, so ist nicht zweifelhaft, daß der aus Kernmaterial
und Zentren formierte „Furchungskern“ hierbei eine fundamentalere Rolle spielt, als etwa
— woran man denken könnte — die eines zeitlich auslösenden Reizes. Vielmehr steht die
Bildung der Organisation auch räumlich und konfiguratorisch in voller Abhängigkeit vom
Furchungskerne. D em n a c h w i r d w o h l im F u r c h u n g s k e r n e s e lb e r , v i e l l e i c h t in
s e in e m C h r o m a t i n , s c h o n e i n e h o c h k o m p l i z i e r t e M a n n i g f a l t i g k e i t : e in e
g e o r d n e t e k a u s a l e V o r b e r e i t u n g d e r p l a s m a t i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n t h
a l t e n s e in . Wenn aber der Kern eine Komplikation besitzt, die derjenigen des ganzen
Entwickelungsverlaufes entspricht, so ist offenbar die einfachste Vorstellung die, d a ß
d i e s e n u c l e a r e M a n n i g f a l t i g k e i t v e rm ö g e e r b u n g l e i c h e r Z e r l e g u n g d i e
L e i t u n g d e s D e t e rm in a t io n s p r o z e s s e s u n m i t t e lb a r ü b e r n im m t . E s erschiene als