wissen, durchaus kein Gesetz: die Schwenkung vollzieht sich ebenso oft über die eine Flanke
als über die andere. So kommen wir zu dem etwas befremdlichen Ergebnisse, daß die
spätere, für die Versenkungsvorgänge so wichtige D o r s i v e n t r a l d i f f e r e n z i e r u n g d e r
u n t e r e n Z e l l f a m i l i e in d e n J ü n g s t e n S t a d i e n b e l i e b i g v o n l in k s n a c h r e c h t s
o d e r u m g e k e h r t . g e l a g e r t is t . Hieran werden jedoch sehr bald weitere Betrachtungen,
die das befremdliche verschwinden lassen, zu knüpfen sein.
ß. Selbstordnungsmechanismus des Stadiums IV.
1.
Nachdem uns gelungen ist, beinahe alles, was von Vorgängen der Selbstordnung
in n e r h a lb der Ventralfamilie geschieht: das median-bilaterale Verharren, die Zusammenschiebung
der kaudalen Doppelreihe, die vielfachen Versenkungen, auf nur zwei gegeneinander
gekreuzte, anomogene Schichtsysteme zurückzuführen, wenden wir uns zur Inangriffnahme
des interessantesten Problems. E s g ilt den besten und sparsamsten Mechanismus
aufzufinden, der die im Stadium IV geschehende Umwälzung aller Lagebeziehungen
z w i s c h e n d e r V e n t r a l g r u p p e u n d d em p r im ä r e n E k t o d e rm bewirken könnte.
Wenn man den Zustand des fertig zürn Rhombus orientierten vierzeiligen Keimes, wie
er uns durch die Analyse der Teilungsrichtungen klar geworden ist, mit den Situationsverhältnissen
v o r der Umordnung vergleicht, so findet man zweierlei geändert. Erstens ist
der T-Stamm aus seiner senkrecht herabhängenden Anfangslage in eine horizontale und
zwar kaudalwärts gerichtete übergegangen, bekanntermaßen durch eine schwenkende B e wegung
um den Mittelpunkt der Zelle EM S t; zweitens aber hat das untere Zellenpaar eine
R o t a t i o n um s e in e L ä n g s a c h s e ausgeführt, dergestalt, daß seine früher kaudale Fläche
jetzt nicht oben, wie es bei einfach pendelnder Bewegung hätte geschehen müssen, sondern
genau an der Flanke des Rhombus gelegen ist. In Wirklichkeit freilich geschehen diese
beiden, nach Abschluß des ganzen V organges diagnostizierbaren Stellungsänderungen weder
stets in der genannten Reihenfolge, noch überhaupt getrennt; ja, eine „Rotation um die Ach se “
braucht nicht einmal als ein besonderes, reales Geschehnis vorhanden zu sein. W ir wissen
vielmehr, daß die typische Vertauschung der Rücken- und Seitenfläche sich ohne jede Achsendrehung
als notwendige Fo lge der besonderen Schwenkungsart ergeben kann; und zwar wie
folgt. Der T-Stamm schwingt auf Grund einer — später zu analysierenden — F o rm Veränderung
der Mittelzelle zunächst seitwärts aus der T-Ebene hinaus und nimmt erst nachdem eine
bestimmte, variable Höhe erreicht worden war, die Richtung auf sein Endziel in der Medianebene.
Wenn nun die Höhe der seitlichen Exkursion volle 900 beträgt, so wird der zweite
T e il des Gesamtvorganges zu einer reinen Horizontalbewegung, und hierbei gerät die frühere
Kaudalfläche ganz von selbst auf die Flanke. Allein dieser besondere F a ll, den wir in
früheren Kapiteln der Einfachheit wegen als typisch behandelt haben, ist keineswegs der
einzig m ö g lich e : sehr häufig kehrt das schwenkende Zellenpaar schon auf halber Höhe oder
noch früher in die Medianebene zurück. Und es ist klar, daß in allen solchen Fällen, um
den vorgeschriebenen Endzustand herbeizuführen, eine- wirkliche Rotation um die Längsachse
des Paares benötigt wird. Je gestreckter die Bahn, desto stärker wird die wälzende
Bewegung sich ausprägen müssen; und wo etwa ausnahmeweise die ganze Dislokation rein
innerhalb der Mittelebene von statten gehen sollte, da würde eine echte Rollbewegung um
die Achse des Paares im vollen Betrage von 900 notwendig sein. Hebt man den zwanglos
herabhängenden Arm bis zur Schulterhöhe nach vom und führt ihn darauf horizontal zur
Seite, so liegt der Daumen oben; wenn man aber den Arm sogleich seitwärts in die Höhe
schwingt, so bedarf es, um den Daumen heraufzubringen, einer besonderen rechtwinkligen
Supinationsbewegung.
2 .
D ie Auflösung des Gesamtvorganges in ein „Pendeln“ von unten nach oben um EMSt
als Drehpunkt und in ein „Rollen“ um die Längsachse des Paares ist also in deskriptivem
Zusammenhänge durchaus schematisch. Dennoch empfiehlt es sich, für analytische Zwecke
an dieser Scheidung festzuhalten. Wir fragen also zunächst nach einem Mechanismus, der
d e n T - S t am m in d i e H o r i z o n t a l s t e l l u n g ü b e r f ü h r e n könnte, dabei jedoch
in seinen strukturellen Voraussetzungen über das bereits zugestandene Maß von Komplikation
so wenig als möglich hinausgeht. Diese A ufgabe ist nicht schwer. E s hat sich
in den Kapiteln über die Spindelstellung und über die Inäqualität der Mitosen (p. 161) unter
anderem gezeigt, daß die zwei Zellen des T-Stammes vom E i her eine „ h o r i z o n t a l e “
S c h i c h t u n g besitzen, die nicht homogen, sondern in der Richtung der Vertikalachse differenziert
ist; ferner, daß das obere, ektodermale Zellenpaar ein in n e r e s S c h i c h t s y s t e m
p a r a l l e l z u r T r a n s v e r s a l e b e n e enthält. Nehmen wir jetzt an, im kritischen Moment
1 j j j j . 2
Schema eines Mechanismus zur kaudalwärts
gerichteten Drehung des T-Stammes im
Stadium IV, von links.
entwickle das eine wie das andere Schichtsystem an den Zelloberflächen anisotrop-chemotaktische
Tätigkeit, und zwar in solcher Weise, daß die unteren horizontalen .und die oberen
transversalen Streifen, nach möglichst ausgedehntem Kontakt und gegenseitiger Deckung
streben, so müßten die beiden Paare sich drehend aneinander verschieben, bis ihre Längsachsen
parallel gerichtet sind. Allein unser Mechanismus wäre damit noch keineswegs
komplet. E r würde zwar bewirken, daß aus dem T ein Rhombus hervorgehen muß, aber
die R i c h t u n g , in der der T-Stamm zur Horizontalstellung emporpendelt, ließe er frei. Nun
geht jedoch der W e g des schwenkenden Paares allemal gegen das Hinterende. Also muß
noch eine weitere Komplikation vorhanden sein, die das Innehalten der vorgeschriebenen
Drehungsrichtung ermöglicht und garantiert. Aber auch dieses Bedürfnis läßt sich zum Teil
mit schon vorhandenen Mitteln bestreiten. W ir wissen, daß die Schichtung des ventralen
Paares keine homogene ist, sondern von oben nach unten auf irgend eine Art sich ändert;
d a n n k a n n n a t ü r l i c h a u c h d ie c h e m o t a k t i s c h e T ä t i g k e i t s e in e r O b e r f lä c h e