prüfen wir andrerseits die Arachniden mit entwickelter Patella näher, so kann Koenenia wieder
n u r ein Pedipalp sein, da die Araneen sowohl, wie auch Cryptostemma und die Opilionen ihrerseits
scharf umgrenzt sind und verhältlich ferne stehen.
Allein die 2. Extremität zeigt bei den Palpigraden einen ganz anderen Bau als bei den
Pedipalpen. Die Coxen derselben sind obem schon besprochen, und ich kann mich folglich
auf den sogen. „Palpus“ beschränken. Ist dieser bei den letzteren dazu bestimmt, die Beutetiere
zu packen und festzuhalten, und dementsprechend mächtig ausgebildet, mit Dornen und
Stacheln besetzt, so ist er bei Koenenia zart wie die anderen Paare, einfach beinförmig, normal
gegliedert und mit einem zweiklauigen Praetarsus versehen. Und trotz dieser Verschiedenheiten
eine bemerkenswerte Übereinstimmung im Fehlen der den anderen Beinen zukommenden
Patella, ein Faktum, das ohne die Annahme nächster Verwandtschaft der Palpigraden
und Pedipalpen unverständlich bleibt, da sowohl bei den Araneen, wie bei den Opilionen die
Patella der 2. Extremität genau so gut zukommt, wie den übrigen Beinpaaren. Cryptostemma
schließt sich hierin den Pedipalpen an, doch komme ich auf diese aberrante Form in der Fo lge
noch zu sprechen. W e ite r geben uns aber d i e Opilionen d e n s c h ö n s t e n B e w e i s , w i e
w e n i g d i e im B a u d e r „ T a s t e r g l i e d e r “ d e r 2. E x t r e m i t ä t z w i s c h e n Koenenia u n d
d e n Pedipalpen v o r h a n d e n e n ¿ U n t e r s c h ie d e b e i d e r O r d n u n g s a b g r e n z u n g m a ß -
g e b e n d sein können, da wir bei ihnen in ganz der gleichen W e ise b e id e F o rm g e s t a l t u n g e n
d e s „ P a lp u s “ antreffen: die Laniatores mit kräftigen, bedornten „Fangarmen“ , die Pdlpatöres
mit schlanken, beinförmigen, wahren „T a s te rn “ . — - —
Den im feineren Bau der als „T a s t- “ oder „Hörhaare“ bekannten Sinneshaare (die an
einem oder mehreren Beinpaaren Vorkommen, sogen. T r i c h o b o t h r i e n oder besser zu sagen
B o t h r i o t r i c h e n ) zwischen Koenenia und den holopeltiden Pedipalpen nachweisbaren Unterschied
scheint Trithyreus cambridgei zu überbrücken, bei dem diese Haare im wesentlichen
mit denen der Thelyphoniden übereinstimmen, durch eine feine Wimperung in ihrem Grundteil
aber zu den vierseitig gleichmäßig bewimperten der Koenenien (mirabilis) überleiten (cf.
Taf. IV, Fig. 41 a-r^d).
Bei einem näheren Vergleich zwischen Palpigraden, Uro- und Amblypygen ergibt sich
sodann die Tatsache, daß Koenenia in der Anordnung der postoralen Beinpaare sehr mit den
Uropygen, speziell den Schizonotiden, übereinstimmt und mit jenen in gleicher W e ise von den
Amblypygen abweicht, die in diesem Punkte ja bekanntlich zu den Araneen überleiten. Halten
wir uns weiter bewußt, daß die Gestalt und Lagerungsrichtung der, Hüften der 3. Extremität
bei Koenenia und den Schizonotiden einander geradezu überraschend ähnlich ist, während
sie doch bei den Thelyphoniden von beiden deutlich abweicht, und ziehen wir ferner noch
andere, gleich zu erörternde Charaktere in Betracht, so erscheint eine Loslösung der Palpigraden
von den Pedipalpen künstlich und irreleitend.
Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Formengruppen, speziell zwischen Koenenia und den
Schizonotiden, sind damit tatsächlich keineswegs erschöpft.
Die s c h l a n k e G e s t a l t d e s P r o s o m a teilt Koenenia mit diesen, ebenso auch die
g l e i c h e G l i e d e r u n g d e s p r o s o m a l e n C a r a p a x in ein großes Pro- und ein kleines
Metapeltidium, zwischen denen sich bei den Schizonotiden freilich noch zwei kleine, keilförmige
Mesopeltidia einschieben, die bei Koenenia weichhäutig geblieben sind.
Ähnliche Gleichheiten sind in der G l i e d e r u n g d e s O p i s t h o s o m a ausgeprägt; die
drei letzten Körperringe sind bei Palpigraden und Uropygen ringförmig fest chitinisiert und
bestehen nicht aus T erg it und Sternit; ihr letzter trägt zudem bei allen ein schwanzförmiges,
von zwei Paaren Rotatormuskeln bewegtes Flageilum: wieder eine g r ö ß e r e Übereinstimmung
zwischen Koenenia und den Uropygen, als zwischen diesen und den Amblypygen, die kein
Flagellum besitzen und deren drei letzten Ringe aus Tergiten und Sterniten zusammengesetzt
s in d .B tä p ie anderen Hinterleibssegmente zeigen bei allen Formen normale Tergite (mit Ausnahme
d e i/ 1. Segmentes bei KoeneniaWg S ternite freilich nur bei den stärker chitinisierten
Uro- und Amblypygen, während solche bei den Palpigraden infolge der Kleinheit der Tierchen
und ihres weichen Panzers mit Ausnahme des „Genitaloperculums“ fehlen. (Ich lasse dies
nicht unerwähnt, weil H a n s e n und S ö r e n s e n darauf Gewicht gelegt haben, daß bei
Koenenia T e rg ite und Sternite nicht ausgebildet seien; sollten sich einmal größere Arten von
Koenenien finden, so wird man sicherlich in typischer Form Rücken- und Bauchplatten wahrnehmen;
die Erscheinung, daß kleine Formen, zumal wenn sie schon an und für sich zart
chitinisiert sind, ihrer Sclerite verlustig gehen, ist doch garnicht selten in verschiedensten
Gruppen der Arthropoden).
Auffällig ist auch der prinzipiell gleiche Bau des G e n i t a lo p e r c u lu m s bei Palpigraden
und Pedipalpen, das sich in dieser Gestalt, mit alleiniger Ausnahme der Araneen, bei k e in em
an d e r e n Arachnid wiederfindet.
Ein Vergleich der inneren Anatomie unserer Spinnentiere lehrt uns endlich auch die
Zugehörigkeit der Koenenien zu den Pedipalpen.
Das N e r v e n s y s t e m besitzt bei den Uropygen und Palpigraden im Opisthosoma ein
Ganglion, welches bei den Thelyphoniden etwa im 14. Leibessegment, bei den anderen im
Genitalsegment, dorsal über dem Uterus, gelegen ist. Die Amblypygen entbehren eines Hinter-
leibsganglioris und trennen sich darin nicht allein von den Palpigraden, sondern in gleicher
W e ise von den Uropygen.
Der V o r d e r - und p r o s o m a l e M i t t e ld a rm zeigt ebenso eine größere Ähnlichkeit
bei Palpigraden und den Schizonotiden, als im Vergleich zu den holopeltiden Formen. Bei
Koenenia und den Uropygen lernten wir das Vorhandensein einer oberen und unteren Gaumenplatte
kennen, die den Amblypygen fehlt, sodann bei Trithyreus und Koenenia die Ausbildung
eines einfachen ungelappten prosomalen Darmdivertikels, das bei Thelyphoniden und Tarantuliden
in 4 mehr oder weniger lange Schläuche gespalten ist.
Um vom M u s k e l s y s t em auch ein Faktum zu nennen, so konnte ich oben zeigen,
wie Trithyreus in der Zahl der opisthosomalen Dorsoventralmuskeln eine Mittelstellung zwischen
den holopeltiden Pedipalpen und Koenenia einnimmt, indem wir bei jenen 8, bei Trithyreus 7,
bei Koenenia nur 6 Paar in den ersten 6— 8 Hinterleibssegmenten antreffen; das erste Paar
zeigt bei allen 3 Gruppen, die gleiche Verlagerung seiner ventralen Insertionspunkte vom
1. Hinterlelbssternit auf die Hinterfläche des prosomalen Entosternums; der 2. Dorsoventral-
muskel ist bei Koenenia normal auf der Vorderfläche des „G en italop e rculum s “ angeheftet,
während er bei den Uro- und Amblypygen gleichfalls nach vorn vorgerückt ist und-mit seinem
Bauchende dem 1. Urosternit aufsitzt.
Das E n t o s t e r n u m des Prosoma von Koenenia weist in seinem Bau die meisten Beziehungen
zu dem der Uropygen auf und läßt sich folglich mit der gleichen Bildung keines
anderen Arachnids näher vergleichen; die Unterschiede* die es dem der Uropygen gegenüber
Zoologica. Heft 42. 19